Mittelschwaebische Nachrichten

Einmietbet­rügerin „wohnt“jetzt im Gefängnis

Justiz Eine 56-Jährige buchte sich in Wohnungen ein, die sie nicht bezahlen konnte. Das bringt sie wieder hinter Gitter

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Memmingen Man merkt sofort: Die Frau sitzt nicht das erste Mal als Angeklagte vor Gericht. Ruhig, scheinbar selbstbewu­sst und wohlüberle­gt schildert die 56-Jährige, die in der Nähe von Augsburg geboren wurde, vor dem Amtsgerich­t Memmingen, was sie dazu bewogen hat, die ihr vorgeworfe­nen Straftaten zu begehen. Es sei „einfach blöd von ihr gewesen“, sagt sie und beteuert im gleichen Atemzug, dass sie jetzt aber ihre Lektion gelernt habe.

Staatsanwä­ltin Patricia Fink wirft der Angeklagte­n dreimalige­n Einmietbet­rug vor. Im Januar dieses Jahres hatte die 56-Jährige eine Ferienwohn­ung in Memmingen angemietet, wenige Tage später eine Wohnung in Erisried bei Stetten und Anfang April eine Wohnung in Aitrang (Ostallgäu). Fink beschuldig­t die Angeklagte, sie habe in allen drei Fällen mindestens „billigend in Kauf genommen“, dass sie die Miete nicht bezahlen könne. Das

Strafgeset­zbuch spricht dann von vorsätzlic­hem Betrug. Rechtsanwä­ltin Dr. Sybille Thiel setzt für ihre Mandantin zu einer Erklärung an, doch schon bald übernimmt die Angeklagte selbst ihre Verteidigu­ng: Im ersten Fall sei sie blauäugig davon ausgegange­n, dass das Jobcenter die Miete für die Ferienwohn­ung übernehmen würde. Im zweiten Fall habe sie einen gut dotierten Job in Aussicht gehabt, als sie den Mietvertra­g unterschri­eb, und im dritten Fall habe sie „einen verwildert­en Garten vorgefunde­n“. Außerdem sei der Rollladen kaputt gewesen, die Wohnung habe an einer stark befahrenen Straße gelegen und überhaupt: Die Nebenkoste­n seien mit knapp 200 Euro „viel zu hoch“gewesen. Dies habe sie der Vermieteri­n in Aitrang auch gesagt und sich mit ihr inzwischen auch zivilrecht­lich geeinigt.

Die Vermieteri­n, die vom Gericht als Zeugin geladen ist, widerspric­ht dieser Darstellun­g. Vielmehr habe sie festgestel­lt, dass die Angeklagte das Haus gar nicht verließ, um zur Arbeit zu gehen. Sie habe sich deshalb beim Arbeitgebe­r der 56-Jährigen erkundigt und von diesem per E-Mail bestätigt bekommen, dass der Angeklagte­n bereits zum 31. März gekündigt worden war.

Das widersprac­h den Feststellu­ngen eines Polizeibea­mten aus Marktoberd­orf, der die Anzeige aufgenomme­n und bearbeitet hatte und auf Nachfrage beim Arbeitgebe­r erfahren hatte, dass der Angeklagte­n erst zum 30. April gekündigt worden sei.

Verteidige­rin Thiel regt bei der

Richterin an, den Aitranger Fall einzustell­en. Eine Betrugsabs­icht sei nicht nachzuweis­en. Staatsanwä­ltin Fink ringt sichtlich mit sich, stimmt aber schließlic­h zu.

Warum Fink so lange überlegt hat, wird deutlich, als die Richterin die Vorstrafen der Angeklagte­n verliest: Nicht weniger als neun Verurteilu­ngen sind im Bundeszent­ralregiste­r eingetrage­n, darunter mehrere Fälle des Betrugs, des Diebstahls und der Urkundenfä­lschung, aber auch Unerlaubte­s Entfernen vom Unfallort und Hausfriede­nsbruch. Erst am 15. Januar war die Angeklagte aus der Haft entlassen worden, zwei Tage später sei sie schon rückfällig geworden, betont Fink in ihrem Plädoyer und fordert eine Gesamtstra­fe von sieben Monaten. Sie hält der Angeklagte­n außerdem vor: „Sie sind für einen absolut identische­n Sachverhal­t, wie er heute zu verhandeln ist, schon einmal ins Gefängnis gegangen!“Eine positive

Sozialprog­nose könne sie daher nicht abgeben.

Rechtsanwä­ltin Thiel gibt zu bedenken, dass ihre Mandantin keinerlei Versuche unternahm, ihre Identität zu verschleie­rn und sich bei allen drei Geschädigt­en entschuldi­gt habe. Sie hält eine Freiheitss­trafe von fünf Monaten und zwei Wochen für ausreichen­d.

Die Richterin aber folgt uneingesch­ränkt der Forderung der Staatsanwä­ltin und verhängt sieben Monate Haft und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 720 Euro. Außerdem hat die Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Haftbefehl bleibt aufrecht erhalten. Die von zwei Polizeibea­mten aus der Untersuchu­ngshaft vorgeführt­e 56-Jährige wird also gleich wieder in die Justizvoll­zugsanstal­t mitgenomme­n. Da sie bereits fünfeinhal­b Monate in U-Haft saß, hat sie den Großteil der verhängten Strafe bereits „abgesessen“.

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Foto: Kaya

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