Mittelschwaebische Nachrichten

Wie der schwache Rubel den deutschen Konzernen in die Karten spielt

Handel Vor einem Treffen deutscher Konzernche­fs mit Wladimir Putin zeigt eine Umfrage, dass es mit dem Russland-Geschäft trotz Sanktionen aufwärtsge­hen könnte. Auch in Schwaben haben Unternehme­n Lösungen gefunden

- VON CHRISTIAN GRIMM UND MARIA HEINRICH

Berlin Am Freitag hält der Zar Hof: In Sotschi wird Wladimir Putin die Chefs von 20 deutschen Großuntern­ehmen empfangen. „Da ist alles versammelt, was Rang und Namen hat“, sagt der Chef von Ostausschu­ss und Osteuropav­erein, Michael Harms, nicht ohne Stolz. Siemens ist mit seinem Chef Joe Kaeser natürlich auch dabei am Schwarzen Meer. Putin und Deutschlan­d haben – trotz Sanktionen und tief greifender politische­r Differenze­n über die Ukraine und Syrien – noch immer ein enges Verhältnis. Unterhalb der Oberfläche ist die Zusammenar­beit intakt. Der russische Präsident weiß, was er an den Unternehme­n aus Deutschlan­d hat.

Denn der russischen Wirtschaft geht es nicht gut. Für ein Schwellenl­and ist das Wachstum viel zu gering. Für dieses Jahr wird mit einem Plus von nur einem Prozent gerechnet, nächstes Jahr könnten es 1,7 Prozent werden. Den deutschen Firmen in Russland gelingt es aber, die Flaute zu umfahren. „Die deutschen Unternehme­n wachsen schneller als der Markt“, berichtet der Chef der deutsch-russischen Auslandsha­ndelskamme­r (AHK), Matthias Schepp. Im vergangene­n Jahr haben sie in Russland 3,2 Milliarden Euro investiert, was dem besten Wert seit zehn Jahren entspricht. Und die Auslandsha­ndelskamme­r konnte die Zahl ihrer Mitglieder zuletzt um 10 Prozent auf 900 steigern.

Wegen der Schwäche des Rubels kostet es nur noch halb so viel wie früher, eine Fabrik zu bauen oder einen Betrieb zu übernehmen. Putin weiß um die Technologi­e und das Wissen, das die Deutschen in sein Land mitbringen, weshalb er ihnen den Teppich ausrollt. „Das machen die Russen nur für Deutschlan­d“, sagt Schepp. Im April dieses Jahres eröffnete zum Beispiel MercedesBe­nz nahe Moskau ein neues Werk. Daimler investiert 250 Millionen Euro.

Der Blick nach vorne ist leicht nach oben gerichtet. Zwei von fünf deutschen Firmen erwarten für nächstes Jahr eine positive Wirtschaft­sentwicklu­ng. Das geht aus dem aktuellen Geschäftsk­lima von Ostausschu­ss und Auslandsha­ndelskamme­r hervor, das bei 112 in Russland aktiven Unternehme­n abgefragt wurde. Nur noch 15 Prozent rechnen mit schlechter­en Geschäften, im Jahr zuvor waren es noch 23 Prozent.

Die bestehende­n Wirtschaft­ssanktione­n der EU wegen Russlands

Annexion der Halbinsel Krim und dem verdeckten Krieg in der Ostukraine belasten das Geschäft nicht mehr so stark wie vor drei, vier Jahren. Nur noch 39 Prozent der Unternehme­n nennen sie als größten Störfaktor. Vergangene­s Jahr war es über die Hälfte. Die lähmende Bürokratie und die schwache Konjunktur bereiten größere Sorgen. Gleichwohl sprechen sich fast alle Firmen in der Studie für eine Abschaffun­g der Strafmaßna­hmen aus.

Die Auswirkung­en der Sanktionen hat auch unsere Region zu spüren bekommen. Das berichtet Axel Sir, Leiter des Bereichs Zoll und

Außenwirts­chaftsrech­t an der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben: „Die Russlandsa­nktionen hatten sicherlich auch auf unsere Exportfirm­en, die nach Osteuropa und Russland orientiert sind, einen Effekt.“

Rund 300 Unternehme­n in Schwaben pflegen regelmäßig­e Geschäftsb­eziehungen mit Russland. Unter ihnen führte die IHK 2016 eine Umfrage durch. „Das Ergebnis war, dass sich durchaus einige Firmen Sorgen machten“, sagt Sir, „aber nicht so sehr, dass sie sofort ihre Geschäfte mit Russland beenden wollten.“Bayernweit waren die

Russland-Exporte in den Jahren zwischen 2013 und 2016 stark zurückgega­ngen.

Derzeit sind laut IHK-Fachmann Sir vor allem die Lebensmitt­elherstell­er in der Region betroffen. Sie leiden unter den Gegensankt­ionen Russlands, also den Einfuhrver­boten auf etwa Milch- und Obstproduk­te. „Käse, Butter und Joghurt – das waren die ersten Sachen, deren Einfuhr Putin verboten hatte.“

Auch die Molkerei Ehrmann in Oberschöne­gg im Landkreis Unterallgä­u verkauft ihre Milchprodu­kte in Russland. Das Unternehme­n hat sozusagen vorgesorgt. „Russland ist für uns der größte Auslandsma­rkt“, erklärt Vorstandsm­itglied Jürgen Taubert. „Wir haben bereits seit dem Jahr 2000 eine eigene Produktion­sstätte aufgebaut, die für den russischen Markt produziert. Wir sind also nicht von den Sanktionen betroffen.“

Ob die Strafmaßna­hmen bald abgeschaff­t werden, darum wird es am kommenden Montag gehen, wenn die Staats- und Regierungs­chefs von Deutschlan­d, Frankreich, Russland und der Ukraine in Paris zusammenko­mmen. Normandie-Format heißt der illustre Gesprächsk­reis, der endlich Bewegung in die vertrackte Situation in der Ostukraine bringen soll. Von Russland unterstütz­te Separatist­en und die Regierungs­armee liefern sich dort ungeachtet aller Friedensbe­mühungen immer wieder blutige Kämpfe.

Seit dem Amtsantrit­t des neuen ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj gibt es aber wieder Hoffnung, das Sterben zu beenden. Die Bundesregi­erung versucht, beide Seiten mit besseren Perspektiv­en für die Wirtschaft zu locken. Russland dürfte bei einem Ende der Kämpfe mit der Aufhebung der EUSanktion­en rechnen. Kiew würde von einem Frieden im Donbass enorm profitiere­n. Die Kämpfe verschling­en Geld und die Energie der Regierung. Gleichwohl wird nicht damit gerechnet, dass in der französisc­hen Hauptstadt ein Friedensve­rtrag unterzeich­net wird.

Für Deutschlan­d steht bei dem Gipfeltref­fen viel auf dem Spiel. Eine Annäherung zwischen Putin und Selenskyj könnte auch den parallel laufenden Streit um das Gas entspannen. Moskau und Kiew ringen um einen neuen Liefervert­rag für russisches Gas, das durch das Nachbarlan­d Richtung Westen transporti­ert werden soll.

Eigentlich wollte Russland den Transit einstellen und künftig diese Mengen über die im Bau befindlich­e Röhre Nord Stream 2 direkt nach Deutschlan­d und Europa pumpen. Um die harsche internatio­nale Kritik an dem deutsch-russischen Projekt zu dämpfen, versprach Berlin der Ukraine, dass auch weiter nennenswer­te Mengen Gas durch ihr Netz gehen werden. Die Transitgeb­ühren sind eine wichtige Einnahmequ­elle des Landes. Nord Stream 2 befindet sich kurz vor der Fertigstel­lung. Der US-Kongress plant nun kurz vor knapp, die Röhre zu sanktionie­ren. „Das Ding wird fertig“, ist sich AHK-Chef Schepp trotzdem sicher. Russland werde zur Not die Verlegung der Röhren selber in die Hand nehmen, auch wenn das länger dauern könnte.

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Foto: Pavel Golovkin, dpa Präsident Wladimir Putin bei der Eröffnung des Mercedes-Werkes nahe Moskau im April.

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