Mittelschwaebische Nachrichten
Die Nato blickt besorgt nach China
Nato-Jubiläum US-Präsident lobt zwar das Bündnis, teilt aber auch aus
London 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat die Nato eine neue Gefahr für die Demokratien des Westens ausgemacht: Im Entwurf für die Abschlusserklärung ihres Gipfels wird zum ersten Mal explizit die aufstrebende Militärmacht China als mögliche neue Bedrohung erwähnt. Als ein Problem wird der Mobilfunkstandard 5G genannt, bei dem der chinesische Konzern Huawei als Technologieführer gilt. Zu der von den USA gewünschten Selbstverpflichtung, beim 5G-Aufbau ganz auf Huawei-Produkte zu verzichten, gibt es aber offenbar keine Mehrheit in der Nato.
Vor Beginn des Gipfels hat USPräsident Donald Trump die vergleichsweise niedrigen Verteidigungsausgaben Deutschlands erneut kritisiert.
London Eigentlich sollte der NatoGipfel in London eine einzige Feierveranstaltung werden. Zwei Tage lang begeht die nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft ihren 70. Geburtstag und zum Auftakt lud Königin Elizabeth II. die 29 Staatsund Regierungschefs am Dienstag zu einem Abendessen in den Buckingham-Palast. Doch all der Pomp und Prunk der royalen Kulisse konnten nicht die Schwierigkeiten verbergen, die zwischen den Bündnispartnern herrschen. Der Zusammenhalt ist herausgefordert wie nie in der Geschichte, und so hatte der Jubiläumsgipfel vor allem ein Ziel: Es sollte keinen öffentlichen Eklat geben, dafür Schadensbegrenzung nach wochenlangen Streitereien.
Und so präsentierte sich selbst US-Präsident Donald Trump für seine Verhältnisse untypisch diplomatisch und zurückhaltend. Er fand lobende Worte für die Nato, was manche Beobachter beinahe überrascht zur Kenntnis nahmen. Immerhin war die Beziehung zwischen dem Republikaner und der Allianz in der Vergangenheit nicht gerade von Harmonie geprägt, er bezeichnete sie etwa einmal als „obsolet“. Am Dienstag klang das ganz anders: Trump sei ein größerer Fan der Nato geworden, weil sie anpassungsfähig sei: „Wenn sie nicht flexibel gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich nicht so glücklich.“
Ganz ohne Austeilen wollte der US-Präsident den Tag aber nicht verstreichen lassen. Vor dem Start des Gipfels noch nannte er die Kritik von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an dem Militärbündnis „beleidigend“und „respektlos“. Macron hatte in einem Interview der Nato den „Hirntod“bescheinigt und mehr europäische Eigenständigkeit in Sicherheitsfragen gefordert. Trump erneuerte auch seine Kritik an Deutschland für dessen – im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt – zu niedrige Verteidigungsausgaben. Doch die Zahlen, die er anführte, stimmten nicht mit den offiziellen Angaben der Nato überein. Der offiziellen Nato-Statistik zufolge gab Deutschland in diesem Jahr 1,38 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus, die USA 3,42 Prozent. Bis zum Jahr 2024 will die Bundesregierung 1,5 Prozent erreichen.
Im Fokus standen auch der Umgang mit China und der Türkei. Die Beziehungen zwischen Präsident Recep Tayyip Erdogan und einigen Partnerländern sind massiv gestört, seit türkische Truppen in Nordsyrien ohne Absprache mit den NatoPartnern einmarschiert sind. Für eine Verschärfung der Lage sorgte Erdogans Ankündigung, Nato-Hilfen für baltische Staaten blockieren zu wollen, sollte das Bündnis die kurdische Miliz YPG nicht als Terrororganisation einstufen.