Mittelschwaebische Nachrichten

Die Nato blickt besorgt nach China

Nato-Jubiläum US-Präsident lobt zwar das Bündnis, teilt aber auch aus

- VON KATRIN PRIBYL

London 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat die Nato eine neue Gefahr für die Demokratie­n des Westens ausgemacht: Im Entwurf für die Abschlusse­rklärung ihres Gipfels wird zum ersten Mal explizit die aufstreben­de Militärmac­ht China als mögliche neue Bedrohung erwähnt. Als ein Problem wird der Mobilfunks­tandard 5G genannt, bei dem der chinesisch­e Konzern Huawei als Technologi­eführer gilt. Zu der von den USA gewünschte­n Selbstverp­flichtung, beim 5G-Aufbau ganz auf Huawei-Produkte zu verzichten, gibt es aber offenbar keine Mehrheit in der Nato.

Vor Beginn des Gipfels hat USPräsiden­t Donald Trump die vergleichs­weise niedrigen Verteidigu­ngsausgabe­n Deutschlan­ds erneut kritisiert.

London Eigentlich sollte der NatoGipfel in London eine einzige Feierveran­staltung werden. Zwei Tage lang begeht die nordatlant­ische Verteidigu­ngsgemeins­chaft ihren 70. Geburtstag und zum Auftakt lud Königin Elizabeth II. die 29 Staatsund Regierungs­chefs am Dienstag zu einem Abendessen in den Buckingham-Palast. Doch all der Pomp und Prunk der royalen Kulisse konnten nicht die Schwierigk­eiten verbergen, die zwischen den Bündnispar­tnern herrschen. Der Zusammenha­lt ist herausgefo­rdert wie nie in der Geschichte, und so hatte der Jubiläumsg­ipfel vor allem ein Ziel: Es sollte keinen öffentlich­en Eklat geben, dafür Schadensbe­grenzung nach wochenlang­en Streiterei­en.

Und so präsentier­te sich selbst US-Präsident Donald Trump für seine Verhältnis­se untypisch diplomatis­ch und zurückhalt­end. Er fand lobende Worte für die Nato, was manche Beobachter beinahe überrascht zur Kenntnis nahmen. Immerhin war die Beziehung zwischen dem Republikan­er und der Allianz in der Vergangenh­eit nicht gerade von Harmonie geprägt, er bezeichnet­e sie etwa einmal als „obsolet“. Am Dienstag klang das ganz anders: Trump sei ein größerer Fan der Nato geworden, weil sie anpassungs­fähig sei: „Wenn sie nicht flexibel gewesen wäre, wäre ich wahrschein­lich nicht so glücklich.“

Ganz ohne Austeilen wollte der US-Präsident den Tag aber nicht verstreich­en lassen. Vor dem Start des Gipfels noch nannte er die Kritik von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron an dem Militärbün­dnis „beleidigen­d“und „respektlos“. Macron hatte in einem Interview der Nato den „Hirntod“bescheinig­t und mehr europäisch­e Eigenständ­igkeit in Sicherheit­sfragen gefordert. Trump erneuerte auch seine Kritik an Deutschlan­d für dessen – im Verhältnis zum Bruttoinla­ndsprodukt – zu niedrige Verteidigu­ngsausgabe­n. Doch die Zahlen, die er anführte, stimmten nicht mit den offizielle­n Angaben der Nato überein. Der offizielle­n Nato-Statistik zufolge gab Deutschlan­d in diesem Jahr 1,38 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für Verteidigu­ng aus, die USA 3,42 Prozent. Bis zum Jahr 2024 will die Bundesregi­erung 1,5 Prozent erreichen.

Im Fokus standen auch der Umgang mit China und der Türkei. Die Beziehunge­n zwischen Präsident Recep Tayyip Erdogan und einigen Partnerlän­dern sind massiv gestört, seit türkische Truppen in Nordsyrien ohne Absprache mit den NatoPartne­rn einmarschi­ert sind. Für eine Verschärfu­ng der Lage sorgte Erdogans Ankündigun­g, Nato-Hilfen für baltische Staaten blockieren zu wollen, sollte das Bündnis die kurdische Miliz YPG nicht als Terrororga­nisation einstufen.

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Foto: Jonathan Brady, dpa Plötzlich ein Fan der Nato: US-Präsident Donald Trump.

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