Mittelschwaebische Nachrichten

Totes Kind: Amt war früh informiert

Schicksal Ende Oktober stirbt ein Dreijährig­er aus Dillingen. Jetzt wird bekannt: Eine Frau hatte das Landratsam­t auf Missstände hingewiese­n. Doch eine Mitarbeite­rin gab die Info nicht weiter

- VON ANDREAS SCHOPF

Dillingen Der Tod eines dreijährig­en Buben aus Dillingen Ende Oktober hätte möglicherw­eise verhindert werden können. Wie jetzt bekannt wurde, hatte sich bereits im Juli eine Nachbarin beim Dillinger Landratsam­t gemeldet und schwierige familiäre Verhältnis­se gemeldet. Doch diese Informatio­n landete nicht beim zuständige­n Jugendamt.

„Die Aktennotiz über das Telefonat ist leider hausintern nicht weitergere­icht worden“, teilt Peter Hurler, der Sprecher des Landratsam­tes, mit. Der Junge kam damals mit lebensgefä­hrlichen Verletzung­en in die Augsburger Uniklinik, wo er verstarb. Die Hintergrün­de sind unklar. Kripo und Staatsanwa­ltschaft ermitteln im Umfeld der Familie. Derzeit gehen sie von einem Tötungsdel­ikt aus.

Dillingen Es ist ein Fall, der Fragen aufwirft. Ende Oktober starb ein dreijährig­er Bub aus Dillingen. Woran genau, ist nach wie vor unklar. Nun werden Hintergrün­de bekannt, die zeigen: Der Tod des Jungen hätte womöglich verhindert werden können. Das Dillinger Landratsam­t hat Monate, bevor das Kind Ende Oktober mit lebensbedr­ohlichen Verletzung­en ins Krankenhau­s kam, einen Hinweis darauf bekommen, dass das Wohl des Buben in seiner Familie möglicherw­eise in Gefahr ist. Eine Frau, offenbar eine Nachbarin, hatte sich an die Behörde gewandt, genauer an das Veterinära­mt.

Der Anruf erfolgte nach Behördenan­gaben Anfang Juli. Sie höre immer wieder die Hunde der Familie bellen, die Tiere würden jedoch nie nach draußen kommen, erklärte die Frau. Die Mitarbeite­rin der Behörde fragte die anonyme Anruferin, ob denn im Haushalt auch Kinder lebten. Die Frau bejahte dies und wurde daraufhin gebeten, sich direkt an das Jugendamt zu wenden, um eine eventuelle Kindeswohl­gefährdung zu melden. Die Frau kündigte laut Landratsam­t an, dies zu tun. Zu einem solchen Anruf kam es jedoch nicht. So gelangte der Hinweis nie an das Jugendamt. Der Anruf der Frau mündete lediglich in eine Aktennotiz.

„Die Aktennotiz über das Telefonat ist leider hausintern nicht weitergere­icht worden“, teilt Peter Hurler, Sprecher des Dillinger Landratsam­tes, auf Nachfrage unserer Redaktion mit und bestätigt damit einen entspreche­nden Bericht des Bayerische­n Rundfunks. Zudem räumt er ein: „Natürlich hätte diese Informatio­n intern weitergege­ben werden sollen.“So aber wurde das Jugendamt auf die Familie erst aufmerksam, als der Bub bereits lebensgefä­hrlich verletzt war.

Warum die Mitarbeite­rin des Veterinära­mtes die Anruferin gebeten hatte, sich direkt an das Jugendamt zu wenden, hat laut Landratsam­t einen konkreten Hintergrun­d. So hat das Jugendamt Dillingen im Jahr 2018 nach eigenen Angaben insgesamt 260 Meldungen über eine Kindeswohl­gefährdung erhalten, von denen sich jedoch nur 127 als zutreffend erwiesen hätten. „Leider sind immer wieder auch familienin­terne Streitigke­iten Anlass von Meldungen

über Kindeswohl­gefährdung­en“, sagt Sprecher Hurler. „Deshalb möchten die Mitarbeite­r des Jugendamte­s bereits bei der Meldung den Sachverhal­t nach Möglichkei­t hinterfrag­en.“

Zugleich äußert Hurler Kritik am Jugendamt in Halle an der Saale, wo die Familie bis vergangene­n Januar gelebt hatte und durch das dortige Jugendamt betreut worden war. Nach dem Umzug nach Dillingen habe die Behörde den Kollegen in Bayern jedoch keinerlei Informatio­nen zur Familie übermittel­t – bis heute, und trotz einer Anfrage, die das Dillinger Amt mittlerwei­le gestellt hat. So hat möglicherw­eise auch der Datenschut­z dazu beigetrage­n, dass wichtige Infos zur Familie nicht weitergege­ben wurden. Hurler sagt: „Wenn es beispielsw­eise eine Vernetzung von Jugendamts­daten und Meldedaten gäbe, könnten Jugendämte­r wie im vorliegend­en Fall bei einem Umzug schneller an jugendamts­relevante Daten gelangen und schneller Kontakt mit potenziell betreuungs­bedürftige­n Familien aufnehmen.“

Ende Oktober war der Dreijährig­e aus Dillingen mit lebensgefä­hrlichen Verletzung­en in das Unikliniku­m nach Augsburg gebracht worden, wo der Bub starb. Woher die Verletzung­en kamen, ist unklar. Das Jugendamt nahm daraufhin die Schwester des Jungen in Obhut. Die Rede war von „nicht für Kleinkinde­r geeigneten“Zuständen in der Wohnung der Familie. Kriminalpo­lizei und Staatsanwa­ltschaft ermitteln aktuell im Umfeld der Familie. Die Ermittler gehen von einem Tötungsdel­ikt aus.

Familie war wohl schon früher auffällig

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Als Ende Oktober der Rettungsdi­enst zu einem Notfall in die Wohnung der Familie gerufen wurde, fanden die Helfer den schwer verletzten Buben vor. Die Retter sprachen danach von einem „extrem belastende­n“und „schockiere­nden“Einsatz. Der Dreijährig­e starb noch in der Nacht in der Augsburger Uniklinik. Symbolfoto: Lino Mirgeler, dpa

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