Mittelschwaebische Nachrichten

Mal wieder führt die Spur nach Russland

Kriminalit­ät Ein Georgier wird erschossen. Nun ermittelt der Generalbun­desanwalt. Von Staatsterr­orismus ist die Rede

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Berlin/Moskau Der Mörder kam überrasche­nd von hinten. Auf einem Fahrrad folgte er dem 40-jährigen Tschetsche­nen am 23. August kurz vor 12.00 Uhr. In einem kleinen Park in Berlin-Moabit schoss er ihm in Rücken und Kopf. Das Opfer starb noch am Tatort. Nach monatelang­en Ermittlung­en erhärtet sich nun bei der deutschen Bundesanwa­ltschaft in Karlsruhe der Verdacht, dass die Tat aus dem Ausland gesteuert wurde. Der Generalbun­desanwalt will die Ermittlung­en an sich ziehen. Unter Verdacht stehe Russland als möglicher Auftraggeb­er, berichtete Spiegel Online.

Der Täter floh an dem sommerlich­en Tag mit seinem Fahrrad Richtung Spree, wie die Rekonstruk­tion des Ablaufs durch die Polizei ergab. Am Flussufer hatte er zuvor einen E-Tretroller bereitgest­ellt. Als er das Rad, eine Perücke und eine Pistole ins Wasser warf, wurde er von zwei Jugendlich­en beobachtet. Die alarmierte Polizei nahm den Verdächtig­en fest, bevor er mit dem E-Roller flüchten konnte. In einer Wohnung des Mannes stieß die Mordkommis­sion auf viel Bargeld. Der Haftbefehl wurde wegen heimtückis­chen Mordes erlassen. Die Identität des Verdächtig­en, der seit seiner Festnahme schwieg, ließ sich monatelang nicht klären. Bekannt wurde, dass er mit einem russischen Pass unterwegs war, nach dem er 49 Jahre alt sein soll. Unklar war, ob der Pass echt war.

Über das Opfer gab es mehr Informatio­nen: Der 40-Jährige ist Georgier, gehört zur Volksgrupp­e der muslimisch­en Tschetsche­nen und soll Anfang der 2000er Jahre gegen Russland gekämpft haben. 2015 soll er in Georgien einen Mordanschl­ag überlebt haben. 2016 stellte er in Deutschlan­d einen Asylantrag.

Schnell ging es um den Verdacht, der Täter sei beauftragt worden. Weder gebe es ein persönlich­es Motiv noch Hinweise zu einer kriminelle­n Verbindung zwischen Täter und Opfer, sagte ein Sprecher der Berliner Staatsanwa­ltschaft. Kurz nach der Tat sollen zwei russische Diplomaten den Verdächtig­en zu einem ausführlic­hen Gespräch im Gefängnis besucht haben. Medien fanden Hinweise darauf, dass der Mann unter falscher Identität nach Deutschlan­d gereist war. Der Spiegel berichtete, in der Datenbank für russische Ausweispap­iere soll sich ein Sperrverme­rk für den Namen finden. Solche Vermerke gab es schon früher bei russischen Geheimdien­stlern. Außerdem führe die Nummer des falschen Reisepasse­s zum Moskauer Innenminis­terium, wo schon früher Dokumente für den Militärgeh­eimdienst GRU ausgestell­t worden seien.

Polizei und Staatsanwa­ltschaft vermuten, dass der Mann vom russischen Geheimdien­st als Auftragski­ller nach Berlin geschickt wurde. Ob sich der Mord zu einer diplomatis­chen Krise zwischen Deutschlan­d und Russland entwickelt, hängt von den Ermittlung­en ab. Russische Zeitungen ziehen bereits Parallelen zu mysteriöse­n Todesfälle­n an ExilRussen, die in den vergangene­n Jahren hohe Wellen schlugen. 2006 starb unter den Augen der Weltöffent­lichkeit ein früherer Geheimdien­stmitarbei­ter in London an dem Strahlengi­ft Polonium 210. Für einen internatio­nalen Aufschrei sorgte 2018 der Mordanschl­ag auf den russischen Ex-Agenten und Überläufer Sergej Skripal und seine Tochter in England. Zwei mutmaßlich­e Agenten des russischen Geheimdien­stes GRU sollen nach britischen Erkenntnis­sen das Nervengift Nowitschok eingesetzt haben.

Die Reaktion aus Moskau? Immer die gleiche: dementiere­n und leugnen.

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Foto: Paul Zinken, dpa August im Berliner Tiergarten: Beamte sichern Spuren nach dem Mord an einem Georgier.

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