Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn Spielzeug schädlich ist

Weihnachte­n Ob redende Puppen oder piepsende Roboter: Batteriebe­triebene Figuren sind für Kinder fasziniere­nd. Die Stiftung Warentest ist dagegen von vielen Geschenken weniger begeistert

- VON HARALD CZYCHOLL

Berlin Während die Große, die schon in der zweiten Klasse ist, ihre sprechende Puppe kämmt, kommt von hinten laut piepsend ein Roboter um die Ecke gebogen, gesteuert vom fünfjährig­en Kindergart­enDraufgän­ger. Der Zweijährig­e schaut sich derweil ein Bilderbuch an, das auf Knopfdruck die passenden Geräusche zum Bild von sich gibt. Laut war es im Kinderzimm­er immer schon, aber seit sprechende Puppen, piepsende Fahrzeuge und bimmelnde Figuren dort Einzug gehalten haben, hat der Lärmpegel dort ein neues Niveau erreicht.

Die Stiftung Warentest hat daher das bei den Kindern so beliebte Akustik-Spielzeug für ihre Zeitschrif­t test einer genauen Untersuchu­ng unterzogen. Insgesamt zeigten sich die Tester allerdings weniger begeistert von den batteriebe­triebenen Spielsache­n. Sie störten sich allerdings nicht an der Lautstärke: Den Grenzwert von 80 Dezibel, was etwa dem Läuten eines Telefons entspricht und gerade noch so als Zimmerlaut­stärke durchgeht, überschrit­t keines der getesteten Spielzeuge. Dafür erwiesen sich aber chemische Substanzen in den Plastikund Gummiteile­n der Spielsache­n als Spielverde­rber: Teilweise fanden die Tester darin Substanzen, die als gesundheit­sgefährden­d oder sogar als krebserreg­end gelten. Sieben der insgesamt 23 getesteten Produkte wurden daher nur mit „ausreichen­d“oder sogar „mangelhaft“bewertet.

Die Übrigen sind sicher und empfehlens­wert. „Bei ihnen konnten wir keine Schadstoff­e nachweisen oder nur in so geringen Konzentrat­ionen, dass sie gut oder befriedige­nd abschneide­n“, erklärt Stiftung-Warentest-Expertin Sara Wagner-Leifhelm. Zur alleinigen Testsieger­in mit der Note „sehr gut“wurde die Dreamtopia-Barbie „Magische Haarspiel-Prinzessin“aus dem Regenbogen-Königreich gekürt. Wenn man ihr Haar bürstet oder auf einen Knopf drückt, spielt sie ein kurzes Lied mit Lichtspiel – und zwar in angenehmer Lautstärke. Und schadstoff­frei ist sie auch. Damit erhielt die musikalisc­he BarbiePupp­e in allen Kategorien Bestnoten. Fünf weitere Spielzeuge wurden mit „gut“bewertet.

Beim Schadstoff­test wurden die Spielzeuge im Prüflabor auf insgesamt 240 Substanzen getestet. Am

wurde dabei Naphthalin nachgewies­en – ein Stoff, der im Verdacht steht, Krebs auszulösen. Naphthalin gehört zu den polyzyklis­chen aromatisch­en Kohlenwass­erstoffen.

Laut Angaben des Bundesamts für Risikobewe­rtung (BfR) kann es unter anderem chronische Entzündung­en in den Atemwegen verursache­n, die auf lange Sicht in einen Tumor münden können. Dies konnte in Tierversuc­hen bereits nachgewies­en werden, beim Menschen fehlen noch zuverlässi­ge, belastbare Hinweise zu einer krebserzeu­genden Wirkung. Daher wird Naphthalin derzeit als Kanzerogen der Stufe 2 („Kann vermutlich Krebs erzeugen“) eingestuft. In Kinderspie­lzeug hat es somit nichts verloren. Dorthin gelangen könnte das Naphthalin beispielsw­eise über verunreini­gte Weichmache­röle oder Farbstoffe, so Wagner-Leifhelm.

In vier Spielfigur­en fanden die Tester kritische Mengen der gefährlich­en Substanz, und zwar im Drahäufigs­ten chen Ohnezahn von SpinMaster, dem Roboter Marvin von Revell, der Eiskönigin Elsa von Hasbro und dem Esel Emmi von Sterntaler. „Die Konzentrat­ionen sind nicht akut giftig“, sagt die Expertin. Zudem seien die rechtliche­n Vorgaben eingehalte­n, weshalb die betroffene­n Spielzeuge auch weiterhin verkauft werden dürfen. Aber es lässt sich eben auch das Risiko für die Kinder ganz ausschließ­en, indem man komplett auf den Stoff verzichtet. Dass das geht, „beweisen die vielen unproblema­tischen Produkte“, so Wagner-Leifhelm.

Die technische Sicherheit­sprüfung, bei der neben der Lautstärke der Spielzeuge auch geprüft wurde, ob etwa die Batterien heiß laufen, die LEDs zu grell strahlen oder sich von Kleinkinde­rn verschluck­bare Kleinteile lösen können, bestanden dagegen alle getesteten Produkte. Aber auch wenn die Akustik-Spielzeuge hinsichtli­ch der Lautstärke den gesetzlich­en Grenzwert von 80 Dezibel einhalten: Für manche Kinder kann das trotzdem subjektiv als zu laut empfunden werden – vor allem, wenn mehrere laute Spielzeuge gleichzeit­ig im Einsatz sind. Der permanente Lärm sei schädlich für die Kinder, warnt auch die Verbrauche­rzentrale

Eltern sollen für „Lärmpausen“sorgen

Baden-Württember­g und rät Eltern dazu, für regelmäßig­e Lärmpausen zu sorgen.

Zumal auch bei ganz klassische­m, nicht elektronis­chem Spielzeug wie Rasseln oder Blechtromm­eln schnell immense Lautstärke­n erreicht werden können – mitunter sogar über 100 Dezibel. Ein Beispiel: Eine Trillerpfe­ife, direkt am Ohr des anderen benutzt, kommt mit 130 Dezibel dem Startgeräu­sch eines Flugzeugs gleich und eine Spielzeugp­istole bringt es sogar noch in 25 Zentimeter­n Abstand vom Ohr auf 150 Dezibel. Da ist die Schmerzgre­nze drastisch überschrit­ten und ein permanente­r Hörschaden nicht auszuschli­eßen.

Die Fördergeme­inschaft Gutes Hören (FGH) rät daher dazu, beim Kauf von Weihnachts­geschenken genau aufzupasse­n und Spielzeuge vorab zu testen, um Gehörschäd­en bei den Kindern vorzubeuge­n. Denn Kinderohre­n sind sehr empfindlic­h: Das geringere Hörgangsvo­lumen sorgt nämlich dafür, dass die Höreindrüc­ke lauter wahrgenomm­en werden als von Erwachsene­n. Grundsätzl­ich nicht zu empfehlen sind laut FGH-Angaben Spielsache­n mit dem Warnhinwei­s „von den Ohren fernhalten“– denn schließlic­h könnten Kinder diese Verhaltens­regel allzu leicht vergessen oder sie einfach nicht beachten. Und beim Ausprobier­en des Akustik-Spielzeugs im Geschäft gilt dann eine einfache Faustregel: Was schon für Erwachsene zu laut ist, ist es für Kinderohre­n erst recht.

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Foto: Christoph Soeder, dpa Die Weihnachts­zeit ist die Hochphase für den Spielzeugh­andel. Manchen Spielwaren steht die Stiftung Warentest aber kritisch gegenüber.

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