Mittelschwaebische Nachrichten
Gemeindeleben in der Nazizeit
Münchner Dokumente
Vor einigen Jahren stieg ein Pfarrer an der evangelischen Christuskirche München-Neuhausen durch eine Seitentür des Gotteshauses eine Holztreppe hinauf, sichtete in einem verstaubten Kämmerchen das dort gelagerte Archiv – und war überrascht, welches Material da gelagert war, vor allem aus der Zeit des Nationalsozialismus: Briefe, Predigten, Protokolle. Die „Stiftung Christuskirche“beschloss, „diese Dokumente von Mut und Verblendung, Anpassung und Widerstehen“zugänglich zu machen und konnte für die aufwendige
Arbeit Christoph Lindenmeyer gewinnen, lange Jahre Redakteur in leitenden Funktionen beim Bayerischen Rundfunk.
Der nun vorliegende Band be- sticht durch eine vorzügliche Aus- stattung, vor al- lem aber durch die Art, wie es der Autor versteht, die zum Teil bewegenden Dokumente einzubetten in das Zeitgeschehen, sodass an der Geschichte der Münchner Gemeinde ein exemplarisches Bild entsteht vom Überleben bayerischer Protestanten in der Nazizeit. Dass es auch unter „Brüdern“im Pfarramt sehr menschlich zugehen kann, zeigt der vom Autor nicht ohne Amüsement dokumentierte Streit kurz nach Kriegsende um einen gefällten Birnbaum im Pfarrgarten – als es wahrlich genug andere Probleme gab. Genau dies macht den Reiz des Buches aus: Zeit- und Kirchengeschichte von unten, aus der Perspektive des unspektakulären Alltags einer Gemeinde.