Mittelschwaebische Nachrichten
„Es war ekelhaft“
Royals Eine Frau erzählt vom Sex mit dem britischen Prinzen Andrew. Sie sei dazu gezwungen worden, sagt die heute 35-Jährige. Gleichzeitig tauchen verdächtige E-Mails auf
London „Dies ist keine schmutzige Sexgeschichte. Dies ist eine Geschichte von Menschenhandel, von Missbrauch und dies ist eine Geschichte, die von euren Royals handelt“, sagt Virginia Roberts Giuffre. Es ist ihre Geschichte und die des britischen Prinzen Andrew. Die 35-jährige Giuffre ist eines der Opfer des mittlerweile toten US-Geschäftsmanns Jeffrey Epstein und hat in einem Interview ihre schweren Vorwürfe gegen Prinz Andrew erneuert.
Drei Mal sei sie im Alter von 17 Jahren zum Sex mit dem zweiten Sohn von Königin Elizabeth II. gezwungen worden. Giuffre, die früher Roberts hieß, wandte sich direkt an die britische Öffentlichkeit, „das nicht als okay zu akzeptieren“und ihr zu helfen, diesen Kampf zu kämpfen. Das Interview war Teil einer einstündigen Sendung des BBCReportageformats „Panorama“.
Damit gerät Prinz Andrew noch tiefer in den Strudel des Skandals. Der Fall Epstein sei für Andrew eine „endlose Horror-Show“, befand ein Kommentator. Der können auch die übrigen Royals kaum noch entkommen. Beobachter sprechen von der größten Krise des Königshauses seit dem Tod von Prinzessin Diana.
Es geht vor allem um die Frage: Wer sagt die Wahrheit? Vor knapp zwei Wochen schilderte Prinz Andrew seine Sicht der Dinge. Das Interview sollte der Befreiungsschlag werden, doch es entwickelte sich zum PR-Desaster für den 59-Jährigen. Es löste so viel Empörung und vernichtende Kritik aus, dass Andrew am Ende seine Repräsentantenrolle für das Königshaus aufgeben musste.
Prinz Charles plant schon länger, die royalen Strukturen zu verschlanken. Und es war der künftige König, der seine Mutter dazu drängte, den Herzog von York von seinen Pflichten – und Vorrechten – zu entbinden. Regelmäßig wird auf der Insel Kritik laut angesichts der Ausgaben für Royals aus der zweiten Reihe, die vom britischen Steuerzahler finanziert werden. Die Krise um seinen Bruder, die zunehmend auf den Palast abfärbt, dürfte Charles in seinem Modernisierungsvorhaben bestärken.
Aber wird ein striktes Vorgehen und der De-facto-Ausschluss von Prinz Andrew aus dem engsten Kreis des Palasts genügen, um die Monarchie vor allzu großem Schaden zu bewahren? Königin Elizabeth II. zeigte sich in den vergangenen Wochen zwei Mal demonstrativ mit Sohn Andrew. Bislang nehmen ihr die Briten die Unterstützung im Privaten nicht krumm. Doch die Stimmung im Volk, das weiß niemand besser als die Monarchin selbst, kann jederzeit kippen.
Der Herzog von York war jahrelang mit US-Multimillionär Epstein befreundet und übernachtete mehrere Male in Anwesen des verurteilten Sexualstraftäters, der sich im August 2019 in Untersuchungshaft das Leben nahm. Ihm war vorgeworfen worden, dutzende Minderjährige missbraucht und zur Prostitution gezwungen zu haben. Andrew hatte, selbst nach einem ersten Gefängnisaufenthalt Epsteins, den Kontakt zu ihm nicht aufgegeben. Inzwischen hat er das öffentlich bedauert. Gleichzeitig stellte der Prinz in Aussicht, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Er muss der BBC zufolge bei Reisen in die USA künftig damit rechnen, zur Zeugenaussage vorgeladen zu werden.
Andrews Auftreten während seines Interviews und das am Montag veröffentlichte Statement der emotionalen Virginia Giuffre hätten unterschiedlicher kaum sein können.
Hier der privilegierte, von der Realität entrückte und arrogant erscheinende Herzog von York vor der Kulisse des Buckingham-Palasts, der sich weder an eine Begegnung mit der blonden Frau noch an das mittlerweile berühmte Foto von ihm und der damals 17-Jährigen erinnern will. Dort die emotionale Giuffre, der bei der Erinnerung an damals immer wieder die Stimme stockt, einmal die Tränen über die Wangen laufen. Deren Stimme zittert, wenn sie davon erzählt, wie sie zum Sex mit dem Prinzen gezwungen wurde. „Es dauerte nicht sehr lange, die ganze Prozedur. Es war ekelhaft.“Am Schluss resümiert sie ungläubig und noch immer fassungslos: „Ich konnte einfach nicht verstehen, wie mächtige Menschen auf der höchsten Ebene der Regierung das zulassen konnten – es nicht nur zugelassen haben, sondern auch noch daran teilgenommen haben.“Damit nicht genug: Die BBC präsentierte Beweise für einen E-MailVerkehr zwischen Andrew und Epsteins damaliger Freundin Ghislaine Maxwell aus dem Jahr 2015. Der Prinz schreibt darin, er habe „einige spezifische Fragen bezüglich Virginia Roberts“. Virginia Roberts, heute Giuffre – jene Frau also, an die sich Andrew vor zwei Wochen partout nicht mehr erinnern konnte.