Mittelschwaebische Nachrichten
Lingl hat die Krise hinter sich gelassen
Porträt Das Krumbacher Unternehmen war vor sechs Jahren in Schieflage geraten. Jetzt hat der Anlagenbauer die Insolvenz in Eigenverantwortung erfolgreich abgeschlossen und sich mit dem Einstieg in die Holzindustrie krisenfester aufgestellt
Krumbach Wie direkt die große Politik nicht nur mit ihren Entscheidungen, sondern gerade auch mit fehlenden Entscheidungen auf Unternehmen wirkt, bekommen die Geschäftsführer der Firma Lingl in dieser Zeit hautnah zu spüren. Lingl ist Anlagenbauer für Grobkeramik. Das heißt, das Krumbacher Unternehmen mit Tochterfirmen und Niederlassungen in Deutschland, Europa, den USA und Nordafrika entwickelt und baut Fertigungsstraßen für Ziegeleien. Diese Branche gehört zu den ganz großen Energiefressern. „Wir legen deshalb einen besonderen Schwerpunkt auf die Entwicklung neuer Verfahren, die den Energieverbrauch der Anlage und ihren CO²-Ausstoß deutlich reduzieren. Dabei suchen wir auch nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen, die in der Produktion von Grobkeramik effizient genutzt werden können“, erklärt Hugo Schneider, Geschäftsführer des Unternehmens. „Leider warten wir schon lange auf dringend notwendige Entscheidungen aus Berlin und Brüssel.“Bisher werden Anlagen zur Herstellung von Mauerziegeln, Dachplatten oder Klinkern überwiegend mit Öl oder Gas betrieben. Alternativen wären Windkraft oder Wasserstoff. Doch um Investitionsentscheidungen von mehreren 100 000 Euro zu treffen, braucht ein Unternehmen Planungssicherheit. „Die Entscheidungsschwäche der Politik führt zu Verunsicherung, was in letzter Konsequenz Investitionshemmung bedeutet.“Allerdings wirkt sich das – noch – nicht auf Lingl aus. „Wir haben 2015/16 einen gravierenden Einbruch in der Grobkeramikherstellung erlebt. Nicht zuletzt durch die Geldpolitik der EZB ist der Wille zum Bauen ungebrochen, was die Investitionsfreude der Großkeramikproduzenten derzeit bestärkt. Wir verzeichnen ein deutliches Auftragsplus“, sagt Schneider.
Auftragsplus oder Konjunkturdelle, Lingl setzt auf einen stabilen Mitarbeiterstamm. „Wir halten unser derzeitiges Team mit rund 550 Mitarbeitern, davon rund 400 Mitarbeiter in Krumbach, für die ideale Belegschaftsstärke“, sagt Schneider. Bei Lingl arbeiten fast ausschließlich qualifizierte Mitarbeiter: Facharbeiter, Ingenieure und Techniker, beziehungsweise Meister. Lingl bildet in zwölf Berufen aus, hat berufsbegleitende Studierende der verschiedensten Fachrichtungen im Team und bietet Nachwuchs- und Führungskräfteprogramme an. In den Innovationsteams haben die
Mitarbeiter die Möglichkeit, ihr Fachwissen und ihre Kreativität zielgenau einzubringen. Etwa bei der Digitalisierung oder der Konzeption neuer Anlagen und der Umrüstung bestehender. Hugo Schneider weist darauf hin, dass sich das Unternehmen intensiv auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet.
Harald Gruber, in der Geschäftsleitung für das Personalwesen zuständig, erklärt, wie das funktioniert: „Bei Lingl werden die Ideen der Mitarbeiter ernst genommen. Wir haben ein Schwarzes Brett eingerichtet. In dieser Impulsbörse werden ungelöste Themen veröffentlicht. Jeder Mitarbeiter kann sich einbringen. Wir schätzen Eigeninitiative und bieten allen eine Chance. Die Verbesserungsvorschläge aus den Reihen der Praktiker sind oft pragmatisch und gut umsetzbar.“Deshalb kann bei Lingl eine Karriere von weit unten bis weit nach oben führen. „Wer etwas bewegen will, der kann und darf das bei Lingl. Der Ausbildungsabschluss, das Zertifikat sind ein guter Einstieg, aber in der beruflichen Laufbahn zählen vor allem die Fähigkeit und das Engagement. Das ist unser Vorteil gegenüber Konzernen, mit ihren starren Strukturen“, Gruber. Lingl setzt auf seine Mitarbeiter. Sie hält Geschäftsführer Hugo Schneider für einen der wesentlichen Faktoren für den Erfolg des Unternehmens und eine gute Basis, um Krisen zu meistern.
Eine solche traf Lingl vor sechs Jahren, die zu einer Umstrukturierung der Firmenspitze führte. Unter der Leitung der neuen Geschäftsführung wurde eine Strategie der Konsolidierung realisiert. Lingl musste sich einem Schutzschildverfahren unterziehen, um eine externe Geschäftsleitung zu verhindern. Die „Insolvenz in Eigenverwaltung“die mit einer Hundertprozentzustimdig mung der Gläubiger durchgeführt wurde, konnte in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen werden. „Wir haben“, erklärt Schneider, „den Insolvenzrahmen mit seinem Rückführungsplan voll bedient. In fünf Raten in sechs Jahren konnten alle Ansprüche gemäß dem Plan getilgt werden. Obwohl wir Ende 2016 bis weit in das Jahr 2017 einen starken Einbruch erleiden mussten. Geschafft haben wir das nur, weil uns unsere Kunden unterstützt und uns die Treue gehalten haben.“„Das Geschäft ist zu einen großen Teil Vertrauenssache“, erklärt Karl Liedel, in der Geschäftsleitung zustänbetont
für den Vertrieb. „Es basiert auf partnerschaftlichen Beziehungen und einer langfristigen Kundenbindung. Denn Lingl liefert nicht Anlagen von der Stange, sondern bedarfsgerechte Lösungen, sei es eine Gesamtanlage, eine Modernisierung oder eine Erweiterung. Der Kunde braucht Anlagen, mit denen er wirtschaftlich arbeiten kann und Erfolg am Markt hat. „Deshalb ist unsere Leistung auch beratungsintensiv. Ziel muss sein, die Produktqualität zu steigern und die Kosten dennoch langfristig zu senken.“
Um sich noch besser gegen die Unwägbarkeiten der Konjunktur abzusichern, hat Lingl 2017 den Einstieg in die Holzindustrie gewagt, und die Firma SMB in die eigenen Fertigungshallen integriert. „Diese Tochter ist unser Türöffner in die Holzbranche. Der Maschinenund Anlagenbau ist für alle Bereiche gleich. Das spezifische Know-how konnten wir mitnehmen, da wir die Fachleute von SMB von unserem Vorhaben überzeugen konnten“, sagt Schneider. „Mit unserer flexiblen Unternehmensstruktur, den qualifizierten Mitarbeitern und dem Einstieg in eine neue Branche fühlen wir uns gut gerüstet für die Zukunft und können auf neue Herausforderungen reagieren.“