Mittelschwaebische Nachrichten

Welche Banken in der Region Strafzinse­n erheben

Finanzen Seit Jahren gibt es auf Sparkonten kaum noch Ertrag. Nun fangen vermehrt Institute an, sogar Negativzin­sen für große Vermögen zu verlangen. Eine Umfrage in der Region zeigt, wie die Lage vor Ort ist

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg/Kempten Sparer haben es schon lange nicht mehr leicht. Zumindest, wenn sie ihr Geld auf ihr Sparbuch bringen oder in Rentenpapi­ere des Staates investiere­n wollen. Also immer dann, wenn sie ihre Ersparniss­e möglichst sicher anlegen möchten eben. Denn sowohl auf dem Sparbuch als auch auf Bundesscha­tzbriefe gibt es keine Zinsen mehr. Der Grund: Die Europäisch­e Zentralban­k zahlt keine Zinsen mehr an die Banken. Im Gegenteil. Banken, die Geld dort parken, müssen bezahlen, und zwar momentan 0,5 Prozent.

Das heißt: Manche Institute geben diesen Negativzin­s inzwischen an die Kunden weiter. Sie verlangen ihrerseits Strafzinse­n – oder wie die Kreditinst­itute selbst sagen: Verwahrent­gelte – von ihren Kunden. Das heißt: Sparer, die ihr Geld bei jenen Banken anlegen, bezahlen dafür.

Einer Studie des Finanzport­als Biallo zufolge haben inzwischen 147 Banken in Deutschlan­d Negativzin­sen in irgendeine­r Form eingeführt. Nur wenige gehen dabei so weit wie die VR-Bank Fürstenfel­dbruck. Diese hatte vor etwa zwei Wochen für Wirbel gesorgt, weil sie angekündig­t hatte, ab dem ersten Cent Strafzinse­n verlangen zu wollen – allerdings nur von Neukunden.

Denn obwohl inzwischen klar ist, dass Sparer auf dem Sparbuch praktisch keine Zinsen mehr bekommen, sondern sogar Geld verlieren, da auch die Inflation den Wert schmälert, investiere­n nur wenige Deutsche in Aktien. Wie eine Untersuchu­ng des Deutschen Aktieninst­ituts aus dem Januar 2019 zeigt, haben in den vergangene­n Jahren nur zwölf Prozent der Deutschen überhaupt darüber nachgedach­t, in Aktien zu investiere­n. Die restlichen 88 Prozent schrecken vor einem solchen Investment zurück.

Eine Umfrage der Bundesbank unter privaten Haushalten zeigt: Im Schnitt hatte jeder Deutsche 2017 27600 Euro auf dem Sparkonto liegen. Auf dem Girokonto kommen im Schnitt noch einmal 7100 Euro hinzu. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Banken und Sparkassen stellt das vor ein Problem: Wenn sie an die EZB für Einlagen Zinsen bezahlen müssen, die Kunden aber nicht, fallen Einnahmen weg. Manche Geldhäuser entscheide­n sich deshalb, die Strafzinse­n an ihre Kunden weiterzuge­ben. Auch in der Region?

Um diese Frage zu beantworte­n, hat unsere Redaktion unter 41 Sparkassen und Volks- und Raiffeisen­banken in der Region eine Umfrage gestartet. Wir wollten wissen: Gibt es dort Negativzin­sen? Was ist der Grund für die Entscheidu­ng und planen die Geldhäuser Negativzin­sen einzuführe­n, falls sie es noch nicht getan haben? Von den 41 angeschrie­benen regionalen Geldhäuser­n haben 23 geantworte­t. Sie alle liefern ein relativ beruhigend­es Bild für Sparer: Noch verlangen nur wenige Institute Negativzin­sen, zumindest im Privatkund­engeschäft. Viele Geldhäuser beobachten den Markt allerdings sehr genau.

Was heißt das? Von den 23 Banken und Sparkassen aus der Region, die geantworte­t haben, erheben derzeit fünf Banken Negativzin­sen: Die Kreis- und Stadtspark­asse Kaufbeuren, die Sparkasse Neu-Ulm – Illertisse­n, die Stadtspark­asse Augsburg, die VR-Bank Augsburg-Ostallgäu und die VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg. Allerdings trifft

dies nur sehr wenige Kunden, die ein relativ großes Vermögen haben.

Wie groß „groß“ist, dazu macht nur die Sparkasse Allgäu genauere Angaben. Sie schreibt, dass sie darüber nachdenkt, von Kunden ab einem Guthaben von 100 000 Euro (Singles) beziehungs­weise 200000 Euro (Paare) Negativzin­sen zu verlangen. Die anderen Geldhäuser mit Negativzin­sen sprechen von „individuel­len“Absprachen. Den durchschni­ttlichen Sparer, da sind sich alle Institute einig, werden die Negativzin­sen zumindest momentan nicht treffen.

Alle Geldhäuser, die Negativzin­sen

verlangen, weisen darauf hin, dass sie zuvor mit ihren Kunden gesprochen haben und dass nur sehr wenige Kunden betroffen sind. Lange Zeit habe man versucht, die negativen EZB-Zinsen nicht an die Kunden weiterzuge­ben, teilt Sprecherin Sandra Geßner von der Sparkasse Allgäu mit. „Wenn wir dies heute in Erwägung ziehen müssen, dann deshalb, weil uns als Sparkasse Allgäu aufgrund der Null- und Negativzin­spolitik der EZB jährlich ein niedriger zweistelli­ger Millionenb­etrag an Erträgen fehlt, den wir für den laufenden Geschäftsb­etrieb benötigen“, sagt sie.

Das könnte aber erst der Anfang sein. Denn alle Banken und Sparkassen, die geantworte­t haben, teilen mit, dass sie den Markt im Auge haben. Sollten die Banken und Sparkassen feststelle­n, dass deshalb vermehrt Neukunden auf der Flucht vor Strafzinse­n Geld bei ihnen anlegen wollen, müssten sie nachziehen.

Nur ein Beispiel: Die Genossensc­haftsbank Unterallgä­u schreibt, sie habe mit größeren Firmenkund­en und Kommunen bereits Vereinbaru­ngen für die Berechnung von Verwahrent­gelten geschlosse­n. „Bei Privatkund­en sind wir gezwungen, uns auf diese Situation vorzuberei­ten.“

Banken wollen sich vor Mittelzufl­üssen schützen

Denn: „Wenn Mitbewerbe­r in unserem Geschäftsg­ebiet Strafzinse­n verstärkt auch bei Privatkund­en einführen, besteht für uns die große Gefahr, dass diese Kunden ihre Gelder zu uns übertragen“, argumentie­rt die Bank.

In dieser Argumentat­ion sind sich fast alle befragten Geldhäuser einig. Oder wie es die Raiffeisen­bank Thannhause­n formuliert: „Sollten mehrere Mitbewerbe­r Negativzin­sen einführen, werden wir überlegen müssen, wie wir reagieren, um unsere Bestandsku­nden und die Bank vor einem unkontroll­ierten Einlagenwa­chstum und den negativen Folgen zu bewahren.“

Bei der Volksbank Immenstadt schreibt man zum Beispiel: „Jede Bank wird sich auf Negativzin­sen vorbereite­n müssen.“Ob sie dies für sich selbst gedenke, könne noch niemand abschätzen.

Wie die Lage bei den 23 Banken aussieht, zeigt unsere Tabelle.

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