Mittelschwaebische Nachrichten
Welche Banken in der Region Strafzinsen erheben
Finanzen Seit Jahren gibt es auf Sparkonten kaum noch Ertrag. Nun fangen vermehrt Institute an, sogar Negativzinsen für große Vermögen zu verlangen. Eine Umfrage in der Region zeigt, wie die Lage vor Ort ist
Augsburg/Kempten Sparer haben es schon lange nicht mehr leicht. Zumindest, wenn sie ihr Geld auf ihr Sparbuch bringen oder in Rentenpapiere des Staates investieren wollen. Also immer dann, wenn sie ihre Ersparnisse möglichst sicher anlegen möchten eben. Denn sowohl auf dem Sparbuch als auch auf Bundesschatzbriefe gibt es keine Zinsen mehr. Der Grund: Die Europäische Zentralbank zahlt keine Zinsen mehr an die Banken. Im Gegenteil. Banken, die Geld dort parken, müssen bezahlen, und zwar momentan 0,5 Prozent.
Das heißt: Manche Institute geben diesen Negativzins inzwischen an die Kunden weiter. Sie verlangen ihrerseits Strafzinsen – oder wie die Kreditinstitute selbst sagen: Verwahrentgelte – von ihren Kunden. Das heißt: Sparer, die ihr Geld bei jenen Banken anlegen, bezahlen dafür.
Einer Studie des Finanzportals Biallo zufolge haben inzwischen 147 Banken in Deutschland Negativzinsen in irgendeiner Form eingeführt. Nur wenige gehen dabei so weit wie die VR-Bank Fürstenfeldbruck. Diese hatte vor etwa zwei Wochen für Wirbel gesorgt, weil sie angekündigt hatte, ab dem ersten Cent Strafzinsen verlangen zu wollen – allerdings nur von Neukunden.
Denn obwohl inzwischen klar ist, dass Sparer auf dem Sparbuch praktisch keine Zinsen mehr bekommen, sondern sogar Geld verlieren, da auch die Inflation den Wert schmälert, investieren nur wenige Deutsche in Aktien. Wie eine Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts aus dem Januar 2019 zeigt, haben in den vergangenen Jahren nur zwölf Prozent der Deutschen überhaupt darüber nachgedacht, in Aktien zu investieren. Die restlichen 88 Prozent schrecken vor einem solchen Investment zurück.
Eine Umfrage der Bundesbank unter privaten Haushalten zeigt: Im Schnitt hatte jeder Deutsche 2017 27600 Euro auf dem Sparkonto liegen. Auf dem Girokonto kommen im Schnitt noch einmal 7100 Euro hinzu. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Banken und Sparkassen stellt das vor ein Problem: Wenn sie an die EZB für Einlagen Zinsen bezahlen müssen, die Kunden aber nicht, fallen Einnahmen weg. Manche Geldhäuser entscheiden sich deshalb, die Strafzinsen an ihre Kunden weiterzugeben. Auch in der Region?
Um diese Frage zu beantworten, hat unsere Redaktion unter 41 Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken in der Region eine Umfrage gestartet. Wir wollten wissen: Gibt es dort Negativzinsen? Was ist der Grund für die Entscheidung und planen die Geldhäuser Negativzinsen einzuführen, falls sie es noch nicht getan haben? Von den 41 angeschriebenen regionalen Geldhäusern haben 23 geantwortet. Sie alle liefern ein relativ beruhigendes Bild für Sparer: Noch verlangen nur wenige Institute Negativzinsen, zumindest im Privatkundengeschäft. Viele Geldhäuser beobachten den Markt allerdings sehr genau.
Was heißt das? Von den 23 Banken und Sparkassen aus der Region, die geantwortet haben, erheben derzeit fünf Banken Negativzinsen: Die Kreis- und Stadtsparkasse Kaufbeuren, die Sparkasse Neu-Ulm – Illertissen, die Stadtsparkasse Augsburg, die VR-Bank Augsburg-Ostallgäu und die VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg. Allerdings trifft
dies nur sehr wenige Kunden, die ein relativ großes Vermögen haben.
Wie groß „groß“ist, dazu macht nur die Sparkasse Allgäu genauere Angaben. Sie schreibt, dass sie darüber nachdenkt, von Kunden ab einem Guthaben von 100 000 Euro (Singles) beziehungsweise 200000 Euro (Paare) Negativzinsen zu verlangen. Die anderen Geldhäuser mit Negativzinsen sprechen von „individuellen“Absprachen. Den durchschnittlichen Sparer, da sind sich alle Institute einig, werden die Negativzinsen zumindest momentan nicht treffen.
Alle Geldhäuser, die Negativzinsen
verlangen, weisen darauf hin, dass sie zuvor mit ihren Kunden gesprochen haben und dass nur sehr wenige Kunden betroffen sind. Lange Zeit habe man versucht, die negativen EZB-Zinsen nicht an die Kunden weiterzugeben, teilt Sprecherin Sandra Geßner von der Sparkasse Allgäu mit. „Wenn wir dies heute in Erwägung ziehen müssen, dann deshalb, weil uns als Sparkasse Allgäu aufgrund der Null- und Negativzinspolitik der EZB jährlich ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag an Erträgen fehlt, den wir für den laufenden Geschäftsbetrieb benötigen“, sagt sie.
Das könnte aber erst der Anfang sein. Denn alle Banken und Sparkassen, die geantwortet haben, teilen mit, dass sie den Markt im Auge haben. Sollten die Banken und Sparkassen feststellen, dass deshalb vermehrt Neukunden auf der Flucht vor Strafzinsen Geld bei ihnen anlegen wollen, müssten sie nachziehen.
Nur ein Beispiel: Die Genossenschaftsbank Unterallgäu schreibt, sie habe mit größeren Firmenkunden und Kommunen bereits Vereinbarungen für die Berechnung von Verwahrentgelten geschlossen. „Bei Privatkunden sind wir gezwungen, uns auf diese Situation vorzubereiten.“
Banken wollen sich vor Mittelzuflüssen schützen
Denn: „Wenn Mitbewerber in unserem Geschäftsgebiet Strafzinsen verstärkt auch bei Privatkunden einführen, besteht für uns die große Gefahr, dass diese Kunden ihre Gelder zu uns übertragen“, argumentiert die Bank.
In dieser Argumentation sind sich fast alle befragten Geldhäuser einig. Oder wie es die Raiffeisenbank Thannhausen formuliert: „Sollten mehrere Mitbewerber Negativzinsen einführen, werden wir überlegen müssen, wie wir reagieren, um unsere Bestandskunden und die Bank vor einem unkontrollierten Einlagenwachstum und den negativen Folgen zu bewahren.“
Bei der Volksbank Immenstadt schreibt man zum Beispiel: „Jede Bank wird sich auf Negativzinsen vorbereiten müssen.“Ob sie dies für sich selbst gedenke, könne noch niemand abschätzen.
Wie die Lage bei den 23 Banken aussieht, zeigt unsere Tabelle.