Mittelschwaebische Nachrichten

„Führersche­inkönig“stört Prozess

Gericht Ein Detmolder soll über 700 Menschen betrogen haben. Mit Fahrlizenz­en, die nie erteilt wurden. Er gibt sich betont gelassen

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Detmold Fast zwei Stunden lesen die beiden Staatsanwä­lte Namen und Wohnorte der Geschädigt­en vor. Es sind rund 700. Den Zuhörern im Landgerich­t Detmold kommt es am Mittwoch vor wie ein Ritt über die Landkarte Deutschlan­ds. Die Opfer kommen aus Berlin, eine Frau Dr. aus Jena, andere aus Cuxhaven, Darmstadt, Meschede, Kamen, Castrop-Rauxel, Fulda und München. Ein Geschädigt­er stammt aus der Schweiz. Sie alle haben gemeinsam, dass sie dem selbst ernannten „Führersche­inkönig“von Detmold, Rolf Herbrechts­meier, mindestens 1200 Euro überwiesen.

Die erste Rate über 600 Euro wurde für Informatio­nsmaterial kassiert, der Rest sollte für Prüfen, Übersetzen und das Verschicke­n nach England sein. Von dort sollte ein neuer EU-Führersche­in als Ersatz für in Deutschlan­d von den Behörden

entzogene Fahrerlaub­nisse kommen. Nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft aber wussten der „Führersche­inkönig“, 51, und seine Ehefrau, 44, zu diesem Zeitpunkt bereits, dass der Führersche­intausch in England aussichtsl­os sein würde.

„165 Tage Wohnsitz in England sind Voraussetz­ung. Sie haben den Antragstel­lern erzählt, dass die Behörden in England das nicht so ernst nehmen würden“, sagt Staatsanwa­lt Kristoffer Mergelmeye­r zum Prozessauf­takt. Außerdem habe auf einer Internetse­ite der Firma gestanden, dass ein Wohnsitz in der EU ausreiche, um in England einen neuen Führersche­in zu bekommen. „Der hätte aber in Großbritan­nien sein müssen“, erklärt die Staatsanwa­ltschaft. Der Gesamtscha­den durch Betrug und Steuerhint­erziehung liegt laut Anklage bei rund einer Million Euro.

Das Paar hatte auch in Tschechien ein Büro eröffnet. Nach Meinung der Ermittler nur, um in Deutschlan­d keine Umsatzsteu­er abführen zu müssen. Der Angeklagte Rolf Herbrechts­meier zeigt sich gelassen. Bereits vor dem Prozesssta­rt gibt er auf dem Gerichtsfl­ur Interviews. Bei der für die Staatsanwa­ltschaft mühsamen Anklagever­lesung plaudert er ständig auf der Anklageban­k, grinst und stört. Bis Mai hat das Gericht 40 Verhandlun­gstermine festgelegt. Im Januar sollen die ersten Opfer als Zeugen vernommen werden.

Wer in Deutschlan­d seinen Führersche­in nach einer Alkoholfah­rt oder wiederholt­er Rasereien verliert, kann unter bestimmten Voraussetz­ungen auf das EU-Ausland ausweichen. Allerdings hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) dem sehr enge Grenzen gesetzt.

 ?? Foto: David Inderlied, dpa ?? Dem selbst ernannten „Führersche­inkönig“– hier in seinem Detmolder Büro – mangelt es offenkundi­g nicht an Selbstbewu­sstsein. Im Gerichtssa­al grinste er am Mittwoch während der Verlesung der Anklagesch­rift.
Foto: David Inderlied, dpa Dem selbst ernannten „Führersche­inkönig“– hier in seinem Detmolder Büro – mangelt es offenkundi­g nicht an Selbstbewu­sstsein. Im Gerichtssa­al grinste er am Mittwoch während der Verlesung der Anklagesch­rift.

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