Mittelschwaebische Nachrichten
Corona-Krise schickt Wirtschaft auf Talfahrt
Gutachten Die Experten rechnen mit heftigen Einbußen. Und fordern ein Konjunkturprogramm für die Zeit danach
Berlin Unzählige Geschäfte sind zwangsweise geschlossen, Fabriken haben die Produktion eingestellt, Lieferketten sind unterbrochen. Gastronomie und Tourismus stehen fast völlig still. Auch für die deutsche Wirtschaft ist die Corona-Krise eine Herausforderung, wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben hat. Wie schlimm es tatsächlich werden wird, dass weiß im Moment niemand genau. Auch die sogenannten Wirtschaftsweisen können in ihrem Sondergutachten nur Hochrechnungen bieten, die auf bestimmten Annahmen beruhen. Und was der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung da am Montagvormittag auf ruckeligen Videokonferenz-Bildern mitteilt, bietet wenig Raum für Optimismus. Von dem Virus-Ausbruch, erläutert Lars Feld, der Vorsitzende des Gremiums, werde die gesamte Weltwirtschaft erfasst. Und das treffe natürlich auch die Exportnation Deutschland hart. Wie heftig der Abschwung ausfallen werde, das hänge von der Entwicklung in den kommenden Wochen ab. Drei mögliche Szenarien haben die Wirtschaftsweisen beschrieben.
Im ersten Modell halten Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen und andere gesundheitspolitische Maßnahmen wie geplant fünf Wochen an. Anschließend folgt eine dreiwöchige Erholungsphase. Für das erste Halbjahr 2020 bedeute das eine Rezession, im Rest des Jahres werde die Wirtschaft sich dann wieder erholen. Die Kurve der Wirtschaftsentwicklung gliche also einem steilen V – kurzer Absturz, rasche Erholung. Für das Gesamtjahr 2020 würde das aber beim Bruttoinlandsprodukt dennoch ein Minus von 2,8 Prozent bedeuten. Im Vergleich zur globalen Finanzkrise 2009 würde Deutschland damit noch glimpflich davonkommen: Damals betrug der Einbruch 5,7 Prozent. Tritt dieses mildeste Szenario der Wirtschaftsweisen ein, könnte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 dann wieder wachsen, gerechnet wird mit 3,7 Prozent plus. Sollten die Zwangspause des öffentlichen Lebens allerdings anhalten, sollte die Wirtschaft länger stillstehen müssen, dann fiele der Absturz dementsprechend härter aus. Eine siebenwöchige Dauer der gesundheitspolitischen Maßnahmen und eine fünfwöchige Erholungszeit würde ein Minus von 5,4 Prozent für das Gesamtjahr 2020 bedeuten. Im Jahr darauf würde die Wirtschaft dann wieder kräftig aufholen und um 4,9 Prozent wachsen. Auch in diesem Szenario gliche die Kurve dem Buchstaben V – allerdings einem breiteren.
Mit einer U-förmigen Kurve rechnen die Wirtschaftsweisen, wenn die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung über den Sommer hinaus andauern. Dann würde auch die Wirtschaft deutlich stärker leiden. In einem Klima der Unsicherheit würden Unternehmer Investitionen und Konsumenten Anschaffungen aufschieben. Das Minus im Gesamtjahr 2020 würde dann bei 4,5 Prozent liegen. Und im Jahr 2021 fiele die Erholung mit 1,0 Prozent nur äußerst langsam aus. Noch bedrohlicher wäre nur noch ein L-förmiger Kurvenverlauf: Steiler Absturz und danach ein lang anhaltendes Wirtschaftstief. Doch damit rechnen die Wirtschaftsweise nicht. Der Wirtschaftsweise Volker Wieland sagt: „Es ist nicht wie in einem Krieg, wo der Kapitalstock zerbombt ist und die Arbeiter an der Front sind.“
Bereits jetzt solle die Bundesregierung über die Zeit danach nachdenken, fordert das Expertengremium. Mit einem Konjunkturprogramm könne die Wirtschaft nach der Eindämmung wieder angekurbelt werden. In dem Gutachten heißt es: „Während die gesundheitspolitischen Einschränkungen zur sozialen Distanzierung noch in Kraft sind, könnte eine Ankündigung nachfrageseitiger Maßnahmen bereits positive Erwartungseffekte und Finanzmarktreaktionen auslösen.“Nach Aufhebung der Einschränkungen müssten diese Maßnahmen die „Einkommen der Haushalte und die Gewinne der Unternehmen erhöhen“.