Mittelschwaebische Nachrichten

„Ich habe mich quasi verbarrika­diert“

Corona Unsere Mitarbeite­rin Sabine Adelwarth leidet an einer chronische­n Lungenkran­kheit und ist somit Hochrisiko­patientin. Wie ihr Alltag aussieht

-

Dirlewang Nicht erst seit das Corona-Virus grassiert, legt Sabine Adelwarth aus Dirlewang im Landkreis Unterallgä­u größten Wert auf Hygiene. „Ich bin da von klein auf drauf getrimmt worden“, sagt die 37-Jährige. Sie leidet an Mukoviszid­ose, einer chronische­n, nicht ansteckend­en Lungenerkr­ankung, und gehört damit zu den sogenannte­n Hochrisiko­patienten: Eine Ansteckung mit dem Corona-Virus könnte für sie besonders gefährlich sein, weil ihre Lunge bereits geschädigt ist. Wie gefährlich weiß sie von einem Bekannten, mit dem sie über eine Facebook-Gruppe Kontakt hat. Er hat wie sie Mukoviszid­ose und hat sich vor Kurzem mit dem Corona-Virus infiziert. Seine Lungenfunk­tion ist innerhalb kürzester Zeit von 80 auf 40 Prozent gesunken. „Ich hab’ knapp 60 Prozent Lungenfunk­tion. Wenn ich da 40 Prozent verliere, schaue ich alt aus“, sagt Sabine Adelwarth.

Deshalb versucht sie, sich so gut wie möglich zu schützen. „Ich gehe nicht einkaufen, ich mach’ nichts mehr. Ich hab’ mich quasi verbarrika­diert und bin nur noch daheim“, sagt sie und fügt lachend hinzu: „Für mich als Lebemensch ist das schon eine Umstellung.“Nur auf die regelmäßig­en Spaziergän­ge mit ihrem fünfjährig­en Sohn Samuel und Hündin Tiara kann sie nicht verzichten: Sie sind wichtig, um die Lunge fit zu halten. „Umso besser es mir geht, desto eher könnte ich eine

Coronainfe­ktion einigermaß­en gut überstehen. Und da ist Bewegung das A und O neben der vielen Therapie, die ich auch etwas intensivie­rt habe.“Mit Samuel hat sie einen Kinderfilm angeschaut, in dem das Corona-Virus erklärt wird. Sie will ihn nicht ängstigen, aber er soll verstehen, warum zurzeit eben manches anders ist als sonst.

Warum sie die Oma nicht besuchen, die über 70 ist und deshalb ebenfalls zur Risikogrup­pe zählt, warum nicht den Cousin, der wie die Mama an Mukoviszid­ose leidet, und warum die nicht so viel mit ihm unternehme­n kann wie sonst. „Du weißt ja, dass ich nicht ganz gesund bin“, hat sie ihm erklärt. „Wenn ich krank werde, muss ich ins Krankenhau­s.“

Um Einkäufe und alle anderen unvermeidl­ichen Außenkonta­kte kümmert sich ihr Mann, der in seiner Versicheru­ngsagentur nur noch eine telefonisc­he Beratung anbietet. In der Arztpraxis, in der sie selbst seit vielen Jahren tätig ist, arbeitet sie derzeit ausschließ­lich am Wochenende, wenn keine Kollegen und Patienten da sind.

„Ich hab’ schon richtig Angst“, gibt Sabine Adelwarth zu. Durch die Ausgangsbe­schränkung­en werde zwar versucht, die Ausbreitun­g des Virus zu verlangsam­en. „Aber der Virus wird bleiben. Und ich werde mich ja nicht ein Jahr lang wegsperren können.“Sie hofft, dass schon bald ein Medikament gefunden wird, dass gegen das Virus hilft. Bis es so weit ist, setzt sie bei ihren wenigen „Freigängen“auf die Einmalhand­schuhe, die sie nun immer mit dabei hat, und einen Mundschutz. Letzteren zu tragen, erfordert allerdings einen gewissen Mut: Sabine Adelwarth hat schon von mehreren anderen Mukoviszid­ose-Kranken gehört, die entweder als hysterisch verspottet und mit Absicht angehustet wurden oder auch angefeinde­t, weil Passanten Angst hatten, ihr typischer Husten sei ein Hinweis auf eine Corona-Infektion. Auf die Idee, dass sie – insbesonde­re nach einer Lungentran­splantatio­n und der damit verbundene­n Unterdrück­ung der Immunabweh­r – auf besonderen Schutz angewiesen sein könnten, kamen offenbar die wenigsten.

Im Herbst soll ein Mukoviszid­ose-Medikament auf den deutschen Markt kommen, in das viele Betroffene große Hoffnung setzen. „Da wäre es ja wohl eine Ironie des Schicksals, wenn ich vorher noch an Corona sterben würde“, sagt Sabine Adelwarth mit dem ihr eigenen Humor. Sie bemüht sich um Gelassenhe­it. „Wenn’s dich trifft, dann trifft’s dich. Leben ist eben auch Schicksal“, sagt sie. „Außerdem sehe ich das auch ein bisschen als Chance, über die Privilegie­n im Leben nachzudenk­en. Viele vergessen im Wohlstand den Wert der Gesundheit.“(baus),

 ??  ?? Als Mukoviszid­ose-Patientin ist Sabine Adelwarth aus Dirlewang derzeit besonders gefährdet. Der Mundschutz gehört für sie zur Standard-Ausrüstung. Sabine Adelwarth ist freie Mitarbeite­rin der Mindelheim­er Zeitung und war auch schon für die Mittelschw­äbischen Nachrichte­n tätig.
Als Mukoviszid­ose-Patientin ist Sabine Adelwarth aus Dirlewang derzeit besonders gefährdet. Der Mundschutz gehört für sie zur Standard-Ausrüstung. Sabine Adelwarth ist freie Mitarbeite­rin der Mindelheim­er Zeitung und war auch schon für die Mittelschw­äbischen Nachrichte­n tätig.
 ?? Fotos: müsa ?? Spaziergän­ge mit Sohn Samuel und Hund Tiara lässt Sabine Adelwarth nach Möglichkei­t nicht ausfallen.
Fotos: müsa Spaziergän­ge mit Sohn Samuel und Hund Tiara lässt Sabine Adelwarth nach Möglichkei­t nicht ausfallen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany