Mittelschwaebische Nachrichten
Normalität erst am Jahresende
EU-Kommission legt heute Leitlinien für Corona-Ausstieg vor
Brüssel Die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität hatte Ursula von der Leyen schon am Wochenende zunichtegemacht. Die EU-Staaten könnten erst wieder ohne Einschränkungen leben, wenn ein Impfstoff verfügbar ist, denn „erst dann werden wir das Virus besiegen“, sagte sie – und dieser Zeitpunkt sei Ende des Jahres. Am heutigen Mittwoch stellt die Präsidentin der EU-Kommission ihre Strategie für die „Aufhebung“des Lockdown vor. Das Wort „Exit“wird bewusst nicht gewählt, stattdessen ist von „Leitlinien“für die Koordinierung der Schritte in den Mitgliedstaaten die Rede, betonte Sprecher Eric Mamer. So erscheint die Strategie auf den ersten Blick vage. Mehr Schutzausrüstung für die Bürger und mehr Tests müssten verfügbar sein, bevor der Ausstieg beginnen könne. „Die (allmähliche) Lockerung der Einschränkungen wird unweigerlich zu einer Zunahme neuer Infektionsfälle führen“, heißt es im Entwurf des Dokumentes, der unserem Brüsseler Büro vorliegt.
Deshalb müsse bei jedem Schritt sichergestellt sein, dass die Gesundheitssysteme nicht überfordert würden. Die EU-Behörde rät, nach jeder neuen Entschärfung der Auflagen zunächst vier Wochen zu warten, ehe weitere Freiheiten gewährt werden. Die Überwachung solle mit
Apps, (Selbst-)Tests und repräsentativen Stichproben in der Bevölkerung erfolgen. Im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Merkel plädiert die Kommission dafür, dass die Schutzmaßnahmen für die Risikogruppe der älteren Menschen länger dauern sollen als für jüngere. Von entscheidender Bedeutung sei die Wiederaufnahme der Verkehrsverbindungen, wobei eine Maskenpflicht im Personennahverkehr begrüßt wird. Und die Bevölkerung solle nicht gleichzeitig zurück an die Arbeitsstellen. Bars, Restaurants und Kinos könnten mit begrenzten Zeiten und Besucherzahlen Schritt für Schritt wieder öffnen. Die Unternehmen sollen gleich den Reformschritt miteinbauen: den Übergang zu einer grünen Wirtschaft.
„Die EU-Kommission kann und soll keinen verbindlichen Exit-Plan vorschreiben“, kommentierte CSUEuropaabgeordneter Markus Ferber den Plan. „Jedes Land steht vor einer anderen Kombination an Herausforderungen. Was wir jetzt brauchen, ist eine enge Koordinierung.“Ob es die geben wird, bleibt offen. Österreich, Spanien und Dänemark haben bereits erste Lockerungen vorgenommen, während Frankreich gerade die drastische Ausgangssperre verlängert hat. In Deutschland werden am Mittwoch Schritte in Richtung Normalität erwartet. Das weiß man auch in Brüssel und appelliert an die Staaten, sich wenigstens mit den direkten Nachbarn abzusprechen. Das gilt vor allem für ein Thema: Wann werden die innereuropäischen Grenzen wieder geöffnet? Denn es war deren unkoordinierte Schließung, die die Behörde nicht verhindern konnte und die das Bild einer zerrissenen Gemeinschaft dokumentierte.