Mittelschwaebische Nachrichten
Kommandozentrale unter der Erde
Justiz Hacker sollen aus einem Geheimbunker heraus angegriffen haben
Trier Es ist ein tiefer Blick in die Abgründe des Internets. Drogendeals im Wert von vielen Millionen Euro, Datenhehlerei, Computerangriffe und Falschgeldgeschäfte – bis hin zu verlinkter Kinderpornografie und Mordaufträgen: Seitenweise trägt Oberstaatsanwalt Jörg Angerer die kriminellen Machenschaften im Darknet vor, die über die Server in einem alten Bunker an der Mosel gelaufen sein sollen. Acht mutmaßliche Cyberkriminelle sollen über Jahre unter der Erde versteckt ein Rechenzentrum für illegale Webseiten betrieben haben. Am Montag hat der Prozess um den „Cyberbunker“von Traben-Trarbach vor dem Landgericht Trier begonnen. Es ist in Deutschland einer der größten Prozesse gegen Cybercrime.
Der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung wird Beihilfe zu mehr als 249000 Straftaten vorgeworfen. Die Anlage war vor gut einem Jahr nach fünfjährigen Ermittlungen ausgehoben worden. Angeklagt sind vier Niederländer, drei Deutsche und ein Bulgare im Alter von 21 bis 60 Jahren. Sie sollen von Juni 2013 bis September 2019 illegale Webseiten betrieben und so Beihilfe zu den von ihren Kunden begangenen Straftaten geleistet haben. Kopf der Bande ist laut Anklage ein 60-jähriger Niederländer, der den früheren Bundeswehr-Bunker erworben und aufgebaut hatte. Eine Deutsche, 53, sei „Buchhalterin“gewesen.
Der Cyberbunker warb damit, ein vor dem Zugriff der Polizei sicheres Datenzentrum anzubieten. Schon für 2000 Euro pro Jahr konnte man eine Webpräsenz mieten. Dazu musste kein Vertrag geschlossen werden, Namen oder Adressen waren nicht nötig. Anonyme Zahlungen auch in Bitcoin wurden akzeptiert. Kunden sollen Plattformen wie „Wall Street Market“mit rund 240 000 Betäubungsmittel-Deals gewesen sein. Auch der DarknetMarktplatz „Cannabis Road“nutzte den Cyberbunker. Und: Der groß angelegte Angriff auf Router der Telekom im November 2016 soll ebenfalls über dortige Server gesteuert worden sein.
Die zentrale Frage in dem Prozess, der bis Ende 2021 terminiert ist: Kann man den Angeklagten nachweisen, dass sie von den illegalen Machenschaften ihrer Kunden wussten? Anhand von Chats könne man dies belegen, so der Oberstaatsanwalt. Der Verteidiger des Hauptangeklagten sieht das anders. Dass da auf dem Server „in erheblichem Umfang“illegale Seiten betrieben wurden, sei Fakt. Dass sein Mandant von all dem gewusst haben soll, sei aber „absurd“. Der Prozess geht diesen Donnerstag weiter.