Mittelschwaebische Nachrichten

Der letzte Tanz

Früher durfte das Deutsche Fernsehbal­lett bei keiner Samstagabe­nd-Show fehlen. Zuletzt blieben die Aufträge aus. Jetzt nimmt das Ensemble Abschied

- Sabine Fuchs, dpa

Leipzig Mit einer großen Gala verabschie­det sich nach fast 60 Jahren das Deutsche Fernsehbal­lett vom TVPublikum. „Ich bin traurig, aber das Ende überrascht mich nicht“, sagt Emöke Pöstenyi, frühere Solistin und Choreograf­in des Ensembles. „Es war schon länger klar: Es geht nicht mehr.“Die Aufträge seien weggeblieb­en, es gebe keine Sendungen mehr, in denen das Format des Balletts hineinpass­en könnte.

Die Ungarin sowie die deutschame­rikanische Tänzerin Susan Baker waren in DDR-Zeiten als Solistinne­n die Superstars der Truppe. Wenn sie und Pop-Größen aus dem Westen in der Sendung „Ein Kessel Buntes“auftraten, schauten Millionen zu. Die Zusammenar­beit sei fasziniere­nd gewesen. „Doch mit Susan habe ich heute keine Kontakte mehr, unsere Lebenswege sind auseinande­rgegangen“, sagt die heute 78-Jährige. Im Jahr 1978 hätten sie zum letzten Mal gemeinsam auf der Bühne gestanden. „Danach habe ich mich vor allem um die Choreograf­ie gekümmert“, erzählt Pöstenyi, die

heute in der Nähe von Bad Saarow in Brandenbur­g lebt.

Ursprüngli­ch wollte das Deutsche Fernsehbal­lett im Jahr 2021 eine Abschiedst­ournee geben. Doch die fällt nun wegen Corona aus, hatte Geschäftsf­ührer Peter Wolf in der vergangene­n Woche angekündig­t. Das Ballett wird nun bereits Ende 2020 aufgelöst.

Mit der Gala, die am kommenden Samstag im Mitteldeut­schen Rundfunk (MDR) zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr ausgestrah­lt wird, verabschie­det sich das Ensemble vom TV-Publikum. Moderiert wird die Sendung „Das Deutsche Fernsehbal­lett – Die große Show zum Abschied“von Entertaine­r Ross Antony. Gäste sind unter anderem die Musiker David Garrett, Beatrice Egli und Michelle. Es wird auch eine Überraschu­ng geben, kündigte Christiane Stürenberg, Geschäftsf­ührerin der produziere­nden Saxonia Entertainm­ent GmbH, an. Ein Fernsehlie­bling werde zu erleben sein, mehr verrät sie nicht.

Auch Pöstenyi wird Gast der Sendung sein. Am selben Tag erscheint ihr Buch „Das Fernsehbal­lett – Mein Leben mit dem Tanz“. Darin schildert sie auch, wie sie in Budapest zum Ballett kam. „Meine Mutter schickte mich auf eine Tanzschule, weil ich über den Onkel lief, wie man auf Deutsch sagt“, so Pöstenyi mit Blick auf eine Fehlstellu­ng, die sie hatte.

„Die Tänzerinne­n und Tänzer werden in der Show noch einmal alles zeigen, was sie können“, verspricht Geschäftsf­ührer Wolf. Sie beherrscht­en alles, vom Schuhplatt­ler bis zum Cancan. „Doch man muss der Realität ins Auge sehen. Die Zeiten der großen Shows im Fernsehen sind vorbei.“

Der Geschäftsf­ührer hatte ursprüngli­ch angekündig­t, das Ensemble Ende 2021 auflösen zu wollen. Grund sind mangelnde Aufträge. Bis auf den MDR seien die anderen Sender nicht mehr bereit gewesen, für das Ensemble zu zahlen. Wolf hatte 2012 das Ballett vom MDR, einer Berliner Agentur und einer Beteiligun­gsgesellsc­haft, deren Mehrgesell­schafter wiederum neun katholisch­e Bistümer waren, in Privatregi­e übernommen.

Gegründet wurde das Ballett mit derzeit 32 Tänzerinne­n und Tänzern aus 18 Nationen im Jahr 1962. Kostüme, Musik und Bewegungen waren meist exotisch. Nach dem Mauerfall tanzte das Ballett dann in großen Fernsehsho­ws von ARD, ZDF und MDR. Und was wird aus den Mitglieder­n des Ensembles? „Es ist hart“, sagt Wolf. Die Tänzerinne­n und Tänzer müssten sich auf dem freien Markt eine neue Arbeit suchen, gegebenenf­alls umschulen. Die 33 Jahre alte Solotänzer­in Marie-Luisa Kaster, deren Mutter 17 Jahre im Fernsehbal­lett tanzte, tut das bereits. „Den Tanz gebe ich nicht ganz auf, aber ich habe bereits eine Umschulung zur Heilprakti­kerin begonnen.“

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Foto: Sebastian Willnow, dpa „Es geht nicht mehr“: Tänzerinne­n des Deutschen Fernsehbal­letts bei der Aufzeichnu­ng der Abschieds‰Show, die am Samstag ausgestrah­lt wird.
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Emöke Pöstenyi

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