Mittelschwaebische Nachrichten
Weniger Leistungsdruck für Schüler
Schulen sollen in der Krise weiter offen bleiben. Doch Söder will den Lernstoff nicht „durchboxen“
München Bayerns Schulen sollen trotz Corona auch nach den Herbstferien geöffnet sein. Das hat die Staatsregierung beim bayerischen Schulgipfel an diesem Mittwoch bekräftigt. Kultusminister Michael Piazolo sagte unserer Redaktion nach dem Treffen: „Wir bleiben bei unserer Linie und halten die Schulen offen. Abweichungen vom Präsenzunterricht kann das Gesundheitsamt bei schwerwiegendem Infektionsgeschehen an den Schulen anordnen.“Vorerst gelte an allen Schularten auch während des Unterrichts Maskenpflicht. Mir persönlich ist wichtig“, betonte der Freie-Wähler-Minister, dass wir faire Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler sicherstellen.“
Die Entscheidung über Schulschließungen ist also auch in Zukunft nicht an die Zahl der CoronaFälle in einer Region gebunden. Michael Schwägerl, Vorsitzender des Philologenverbands, hat sich das anders vorgestellt: Er hofft nach wie vor auf eine „einheitlichere Vorgehensweise in Bayern“. Auch nach dem Gipfel herrsche eine große Unsicherheit bei den Lehrkräften. „Letztlich geht es bei steigenden Infektionszahlen um eine Reduzierung der Kontakte.“Er habe „das Gefühl, dass das Virus momentan schneller ist als wir“, so Schwägerl am Mittwochabend.
Jürgen Böhm, Vorsitzender des Realschullehrerverbands, sagte nach dem Treffen unserer Redaktion: „Die Regierung hat ein riesiges Bedürfnis, dass es an Schulen normal läuft. Das wollen wir alle. Aber die Frage ist, wie in einem Risikogebiet qualitativ hochwertiger Unterricht im Klassenzimmer durchgeführt werden kann – und ob die Gesundheitsämter immer in der Lage sind, darüber zu entscheiden.“
Auch Schüler und Lehrer waren per Video zum Gipfeltreffen zugeschaltet. Sie hatten erst vor ein paar Tagen in Brandbriefen Piazolos Corona-Strategie kritisiert und von einer „Notenjagd“mit teils mehreren Prüfungen am Tag gesprochen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte kürzlich gefordert, die Schüler dürften die Folgen der Pandemie „nicht ausbaden“müssen. In der internen Sitzung sollen sich Söder und Piazolo nun nach Angaben von Teilnehmern ebenfalls für weniger Leistungsdruck in den Klassenzimmern ausgesprochen haben: „Wir können nicht alles durchboxen“, wird der Ministerpräsident zitiert. Auch eine Lehrplan-Straffung ist offenbar denkbar. Wie sie umgesetzt werden soll, ob etwa die Lehrer selbst entscheiden, was sie weglassen oder ganze Lernblöcke gestrichen werden, ist bislang nicht bekannt.
Die Eltern, die Piazolo so heftig angegangen hatten und unter anderem ein „digitales Chaos“an den Schulen beklagen, sind nicht ganz zufrieden mit dem Verlauf des Gipfels: Der Kultusminister habe „ratlos“gewirkt, heißt es vom Bayerischen Elternverband. „Wir hätten uns konkretere Ankündigungen gewünscht.“
Simone Fleischmann, Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, klingt positiver: Sie bescheinigt der Staatsregierung „Offenheit für Veränderungen, aber noch keine Klarheit“. Sie erwarte aber von der Politik, „dass alle Maßnahmen jetzt auch der Bevölkerung gut erklärt werden“. Nur so sei eine breite Unterstützung zu erreichen.