Mittelschwaebische Nachrichten

Messerstic­he in der Tiefgarage

Ein junger Mann wird im Gesicht und am Hals verletzt. Warum es zu der Tat eines 26-Jährigen kam, der sich mehr als zweieinhal­b Jahre später vor dem Schöffenge­richt in Memmingen verantwort­en muss

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Günzburg Ein Zweikampf sollte es sein, „eins gegen eins“, Mann gegen Mann, ausgetrage­n mit Fäusten. Der Tatort: eine Tiefgarage inmitten von Günzburg. Dann aber zückte einer der beiden Duellanten ein Messer und fügte seinem Kontrahent­en Schnitt- und Stichverle­tzungen im Gesicht, am Hals und am Handrücken zu. Die Anklage vor dem Schöffenge­richt Memmingen lautet dementspre­chend: gefährlich­e Körperverl­etzung.

Mehr als zweieinhal­b Jahre nach dem Ereignis sitzt der 26-Jährige neben seinem Rechtsanwa­lt Felix Dimpfle auf der Anklageban­k. Nicht nur sein Äußeres – Kurzhaarsc­hnitt, weißes Hemd – lässt darauf schließen, dass sich im Leben des Angeklagte­n inzwischen einiges verändert hat. Er ist mittlerwei­le verheirate­t und seit April Vater eines kleinen Kindes. Und er ist dabei, eine Ausbildung zum Speditions­kaufmann abzuschlie­ßen.

Sein Verteidige­r hat schon im Vorfeld des Prozesses bei Richter Nicolai Braun, dem Vorsitzend­en des Schöffenge­richts, vorgefühlt, ob eine Bewährungs­strafe in Betracht kommt. Gleich nachdem Staatsanwä­ltin Patricia Fink die Anklage verlesen hat, kommt es zu einer „Verständig­ung“.

Hinter geschlosse­nen Türen einigt man sich für den Fall eines vollumfäng­lichen und nachvollzi­ehbaren Geständnis­ses auf einen Strafrahme­n zwischen einem Jahr und acht Monaten und zwei Jahren Freiheitss­trafe.

Der Sachverhal­t ist inzwischen von der Kriminalpo­lizei Neu-Ulm „akribisch ermittelt“, wie Richter Braun später im Urteil bestätigt. Zunächst sei man von einem versuchten Tötungsdel­ikt ausgegange­n, erklärt der Sachbearbe­iter der Kripo dem Gericht. Denn der Geschädigt­e, inzwischen 24 Jahre alt, hatte, nachdem er von einem

Freund in die Notaufnahm­e des Günzburger Krankenhau­ses eingeliefe­rt worden war, zunächst keine Angaben gemacht, wie er zu den Verletzung­en gekommen war. Bei den ersten Vernehmung­en durch die Polizei gab er dann an, er sei von Unbekannte­n überfallen und mit einer Eisenstang­e traktiert worden, als er gerade beim Joggen gewesen sei. Erst die weiteren Ermittlung­en ergaben, was passiert war.

Täter und Opfer kannten sich und hatten sich am Tattag zufällig am Bahnhof in Günzburg getroffen. In einem Gespräch ging es um ein Gerücht, wonach der 26-Jährige mit Drogen handeln sollte. Der wollte nun wissen, wer denn das verbreite, bekam aber von dem 24-Jährigen keine zufriedens­tellende Antwort. Also ergab sich ein Streit und schließlic­h eine Schlägerei, die in einem Hinterhof fortgesetz­t wurde. Offenbar zog der Jüngere dabei den Kürzeren. Denn als die Kontrahent­en längst wieder auseinande­rgegangen waren, wollte der später Geschädigt­e die Niederlage nicht auf sich sitzen lassen. Vielmehr beauftragt­e er seinen Kumpel, den 26-Jährigen noch einmal zum Forum in Günzburg zu bestellen. Dort sollte die Sache unter Männern geklärt werden. Über eine Stunde lang wurde erfolglos darüber diskutiert, wer denn nun recht habe. Dann gingen der Angeklagte und sein Gegner in die Tiefgarage, um den Faustkampf auszutrage­n.

Der 26-Jährige aber hatte vorsichtsh­alber ein Messer mitgebrach­t. Das sei nicht in der Absicht mitgebrach­t worden, es tatsächlic­h einzusetze­n, beteuert Rechtsanwa­lt Dimpfl. Es sei „vielmehr eine bedauernsw­erte spontane Entscheidu­ng des Angeklagte­n“gewesen. Als der sah, was er angerichte­t hatte, rief er um Hilfe, schulterte den Verletzten, trug ihn nach oben und übergab ihn einem Freund des Geschädigt­en, der ihn schließlic­h ins Krankenhau­s fuhr.

Rechtsanwa­lt Dimpfl erklärt im Namen seines Mandanten, dass der in der Anklagesch­rift dargelegte

Sachverhal­t vollumfäng­lich eingeräumt wird. Sein Mandant hatte sich längst bei dem Geschädigt­en entschuldi­gt. Der Verletzte, der von einer Polizeibea­mtin im Zeugenstan­d als „amtsbekann­t“bezeichnet wird, leidet nach eigenen Angaben noch immer an den Nachwirkun­gen des Geschehens. Die Narben seien zwar verheilt und verursacht­en keine Schmerzen mehr, aber sie sehen alles andere als schön aus, erklärt er auf Fragen des Richters.

Am Ende verurteilt das Schöffenge­richt den 26-Jährigen wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

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Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Die Tiefgarage am Günzburger Forum ist zum Tatort eines Messerangr­iffs geworden.

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