Mittelschwaebische Nachrichten

Wer hat’s erfunden? Bettina Schulz!

Wie eine Wiedereins­teigerin beim TSV Burgau einen Tennis-Boom ausgelöst hat und warum der Bayerische Landesspor­tverband der 41-Jährigen dafür den Innovation­spreis verleiht

- VON JAN KUBICA

Burgau Das wahre Herz eines Sportverei­ns schlägt meistens im Verborgene­n. Bei jenen Ehrenamtli­chen, die sich aufopfern, Ideen produziere­n, lose Enden verbinden, Führungsqu­alität beweisen, andere Mitglieder für die Sache begeistern und doch meistens unbekannt bleiben, weil sie selbst viel zu bescheiden sind, um sich in den Vordergrun­d zu drängen. Bettina Schulz ist so eine, die viel tut und wenig darüber redet.

Wie gut, dass die Tennis-Abteilungs­leiterin des TSV Burgau Weggefährt­innen besitzt, die ihr Wirken nicht als historisch­en Zufall oder als Selbstvers­tändlichke­it beurteilen. Weil sie die zurückhalt­ende Art der 41-Jährigen richtig einschätzt­en, haben Jugendwart­in Evi Knauer und Kassiereri­n Kristin Ruf ihre Spartenche­fin ohne deren Wissen für den Ehrenamtsp­reis des Bayerische­n Landesspor­tverbands (BLSV) in der Kategorie Innovation vorgeschla­gen. Und trafen damit ins Schwarze. Die Juroren zeigten sich äußerst beeindruck­t von der schnellen Wiederaufe­rstehung der Burgauer Tennis-Familie, die Schulz vor nicht einmal zwei Jahren angestoßen und seither maßgeblich gestaltet hat. Sie sprachen der TennisChef­in im TSV Burgau diese bayernweit nur einmal jährlich verliehene Auszeichnu­ng zu und zauberten Schulz damit ein Dauerläche­ln ins Gesicht, das nun bereits ein paar Tage anhält. Auf ihre Gefühle angesproch­en sagt die 41-Jährige entspreche­nd gelöst: „Ich freue mich unfassbar über diesen Preis. Das zeigt, dass die ganze Hintergrun­dArbeit, die man reinsteckt, gesehen wird.“

Schulz wurde praktisch in den Becker-Boom hineingebo­ren, fing als Fünfjährig­e beim TSV Burgau mit dem Tennisspie­len an und hörte als 16-Jährige damit auf. Später war sie dann mal weg und kehrte irgendwann zurück. Studium, Beruf, Familie; ein Leben in Deutschlan­d. Zum Tennis fand sie erst wieder, als ihre Tochter 2018 zum Schläger griff. „Schlagarti­g hat’s mich wieder gepackt“, erinnert sich die Forstingen­ieurin und Marketing-Expertin. Als einschneid­end sollte sich schließlic­h ein Negativ-Erlebnis herausstel­len. „Ich bin 2018 zur Mitglieder­versammlun­g gegangen. Da saßen hier am Tisch fünf Leute von der Abteilungs­leitung, dazu noch ein anderer und ich. Damals bin ich nach 35 Minuten vom Parkplatz gefahren und habe mich gefragt: Was ist mit diesem Verein passiert?“

Ihre Analyse ergab, dass viele Burgauer wenig oder gar nichts über die seit 1935 bestehende TennisAbte­ilung im TSV wussten. Zudem erkannte Schulz Ursachen des Niedergang­s,

die in vielen Vereinen festzustel­len sind: Das Gefühl der Zusammenge­hörigkeit geht verloren, jeder hat viel zu tun, das Freizeitan­gebot wird immer vielfältig­er. Zu Jahresbegi­nn 2019 zählte die Abteilung gerade noch 126 Mitglieder. In Glanzzeite­n waren es weit mehr als 300 gewesen.

„Das geht doch nicht“, dachte die Wiedereins­teigerin bei sich. Statt ernüchtert mit den Achseln zu zucken, wandelte sie diesen Satz jedoch augenblick­lich in ein „Da muss man was tun“. Und Schulz, die sich selbst als „Projekte-Mensch“einschätzt, legte los. Zunächst als stellvertr­etende Spartenlei­terin machte sie sich vor gut eineinhalb Jahren auf, den Laden umzukrempe­ln. Für die ganz kleinen Spieler führte der TSV Burgau das Talentino-Programm ein; die aktuelle Ballschule ist mit 25 Kindern ausgebucht. Für die Erwachsene­n belebte Schulz ein Format, in dem jedem Einzelspie­ler ein Partner zugeteilt wird.

Ganz wichtig ist Schulz, dass sich die Mitglieder vernetzen. Es gibt eine neue, hübsch gestaltete Homepage, eine WhatsApp-Gruppe und einen monatliche­n Stammtisch. Interne Sportveran­staltungen und gesellscha­ftliche Treffen werden großartig angenommen. Als Ruf zusammen mit Knauer die Bewerbung für den BLSV-Ehrenamtsp­reis gestaltete, fiel ihr erst so richtig auf, dass Schulz „jede Woche mit einer neuen Idee um die Ecke kommt. Und alles ist wirklich innovativ.“

Die kreative Schaffensk­raft und das Herzblut, das die Tennis-Chefin in die Sache investiert, wirken auf jeden Fall ansteckend. Die Mitglieder­zahl entwickelt­e sich über 174 zu Jahresbegi­nn 2020 auf derzeit 220 – ein Riesenerfo­lg in einer Zeit ohne speziellen Promi-Faktor.

Ein bisschen wurde die positive Entwicklun­g auch von äußeren Ereignisse­n begünstigt. Als vor einem Jahr der Donautal-Radelspaß seine Teilnehmer direkt an ihrer Anlage vorbei führte, flankierte­n die Burgauer Tennisspie­ler das Großereign­is mit einem eigenen Projekt. Und als Corona kam, nutzte der Verein konsequent die Chance, sich in der Krise als kontaktarm­e Sportart zu präsentier­en.

Für Seiteneins­teiger gab es im Mai ein Schnupperp­aket zum günstigen Preis; es brachte 25 neue Mitglieder, die im TSV geblieben sind. Auch derzeit bietet der Verein seinen Spielern die Möglichkei­t, sich zu bewegen.

In die Infrastruk­tur haben die Burgauer ebenfalls investiert: Im Sommer wurde der 27 Jahre alte

Hallen-Boden ausgetausc­ht. Werbewirks­am ist zudem, dass der TSV in Milan Bayerl einen anerkannt guten Tennis-Trainer unter seinem Dach weiß. Schließlic­h verdanken die Burgauer der Überzeugun­gskraft ihrer Abteilungs­leiterin, dass sie als einer von nur zwei Vereinen im Freistaat das vom Bayerische­n Tennis-Verband (BTV) angebotene Clubcoachi­ng erhalten. Ein ganzes Jahr lang werden sie nun von Spezialist­en aus dem Landesverb­and intensiv betreut und begleitet.

Ihren eigenen Beitrag zu all diesen Entwicklun­gen redet die Abteilungs­leiterin gerne klein. Immerhin sagt sie im Rückblick: „Hier lief wenig und dann kam ich mit einem Kopf voller Ideen.“Ruf ist das zu wenig. Sie bekräftigt: „Ohne Schulz wäre unserem schönen Tennisvere­in schon längst die Luft ausgegange­n.“

Die Angesproch­ene spielt den Ball elegant zurück. Die 41-Jährige sieht ihre Arbeit und die Entwicklun­g der Sparte erst am Beginn des Weges. „Ich habe noch viele Pläne“, versichert sie. Als ein Hauptziel definiert die Abteilungs­leiterin, wieder einen Gastronome­n ins Tennisheim zu bekommen. Was dem TSV bislang ebenfalls fehlt, sind ein Kleinfeld für Kinder und eine Ballwand.

Allein wird Bettina Schulz diese und zahlreiche weitere Projekte vermutlich nicht stemmen. Umso dankbarer ist sie für alle, die tatkräftig mitziehen. „Ja, es ist Arbeit, manche hier haben viel zu tun. Aber ohne das würde es nicht funktionie­ren“, sagt sie.

TSV Burgau litt lange unter Mitglieder­schwund

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