Mittelschwaebische Nachrichten
Die Mär vom großen Wahlbetrug
Für die Vorwürfe finden Juristen keine Beweise. TV-Sender sehen Biden endgültig vorne
Washington
Die Feststelltaste auf Donald Trumps Handy ist im Dauerbetrieb: Seit Tagen beklagt der US-Präsident in Großbuchstaben einen angeblich gewaltigen Wahlbetrug. Doch seine Juristen können keine Belege vorlegen. Mehrere Gerichte haben die Klagen abgewiesen. „Die Wahl vom 3.November war die sicherste in der Geschichte der USA“, versichern die Experten von Trumps Heimatschutzministerium und die Wahlleiter der 50 Bundesstaaten in einer Erklärung.
Der neu gewählte Präsident Joe Biden hat nach Vorhersagen von Fernsehsendern die US-Wahl klar gewonnen – mit insgesamt 306 Wahlleuten. Erforderlich sind 270. Den Sendern CNN, NBC und CBS zufolge, hat der Demokrat in Georgia gesiegt, Trump dafür in North Carolina. Damit ist jetzt für alle Bundesstaaten ein Sieger ausgerufen worden. Trump hatte die Wahl 2016 exakt mit Bidens jetzigem prognostizierten Ergebnis gegen Hillary Clinton gewonnen: Er kam damals auf 306 Wahlleute, Clinton auf 232. Trump kommt nach den Prognosen jetzt ebenfalls auf 232.
Trotzdem wütete Trump zuletzt weiter. Doch die Indizien für einen Wahlbetrug, die von seinen Anwälten aufgeführt werden, sind extrem dünn: Mal soll eine 80-jährige Frau bemerkt haben, dass jemand anders ihre Stimme abgegeben hat. Mal waren angeblich Wahlbeamte mit Black-Lives-Matter-Shirts im Wahllokal. Und mal sollen republikanische Beobachter nicht nahe genug an die auszuzählenden Stimmzettel herangelassen worden sein.
Unmittelbar nachdem Donald Trump behauptet hatte, die Wahlmaschinen hätten 2,7 Millionen Stimmen für ihn vernichtet, meldeten sich die Cybersicherheitsexperten des Bundes und der Staaten mit einer ebenso ungewöhnlichen wie klaren Zurückweisung zu Wort: „Es gibt keine Belege dafür, dass ein Abstimmungssystem Stimmen gelöscht oder verändert hätte – oder auf irgendwelche Weise kompromittiert worden wäre.“Kaum versteckt kritisierten die Experten, dass es „viele unfundierte Behauptungen und Möglichkeiten der Falschinformation über den Wahlprozess“gebe – der aber sei ordnungsgemäß abgelaufen.
Tatsächlich gab es einzelne Pannen. Doch bei den bisher bekannt gewordenen Fehlern handelte es sich um kleinere menschliche Irrtümer, die bei jeder Abstimmung dieser Größenordnung vorkommen. Kein einziges Mal wurde bislang Absicht nachgewiesen, nirgendwo hat die Software falsch gezählt. Trotzdem hatte Georgia aufgrund gesetzlicher Vorgaben noch einmal per Hand auszählen lassen.
Die Trump-Kampagne und andere konservative Gruppen haben in Pennsylvania, Georgia, Michigan, Wisconsin und Arizona – also nur in Staaten, die Biden gewonnen hat – mehr als 20 Klagen angestrengt. In Michigan und Georgia wurden die Vorstöße von den Gerichten mangels Beweisen zurückgewiesen.
Am Donnerstag brüstete sich das Trump-Lager noch mit einem angeblich bahnbrechenden Sieg in Pennsylvania. Tatsächlich befand eine von Trump eingesetzte Richterin, dass einige hundert Stimmen nicht gewertet werden dürfen, bei denen der Identitätsnachweis des Wählers verspätet kam. Diese Stimmen seien aber noch gar nicht gezählt worden.
Ins Gesamtbild passt die Entscheidung der Anwaltskanzlei Porter Wright Morris & Arthur, die sämtliche Klagen in Pennsylvania koordiniert hatte. Überraschend legte sie ihr Mandat nieder. Laut New York Times hatte es intern Proteste gegeben, weil die Anwälte den Eindruck hatten, für die Diskreditierung einer demokratischen Wahl missbraucht zu werden.