Mittelschwaebische Nachrichten
Die Frage der Woche Sich trotzdem auf Weihnachten freuen?
So viel hat uns das Corona-Virus dieses Jahr schon zugemutet. Die Geburtstagsfeier der Oma – im kleinen Kreis. Die Hochzeit des Sohnes – verschoben auf das nächste Jahr. Jetzt sollte auch noch Weihnachten dran glauben? Niemals! Dafür sind Tannenduft und Kerzenschein, Plätzchenlust und Geschenkgeheimnis einfach zu schön. So ein Weihnachten ist das Vollbad der Seele, die Immunabwehr gegen trübe Laune, die Wunderkur für verkümmerte Beziehungen.
Von mir aus könnt ihr Glühweinpartys und Bratwurstorgien absagen. Von mir aus könnt ihr die langen Einkaufssamstage und die Betriebsfeiern sein lassen. Von mir aus könnt ihr auch die Stille-Nacht-Bläser und das Oh-du-Fröhliche-Gesäusel abdrehen. Ist mir eh schon lange auf die Nerven gegangen. Mehr vermissen werde ich die anrührenden Adventskonzerte, die amüsanten Schnurren auf Lesungen und manche qualitätvolle Kunstausstellung. Aber unverzichtbar ist das Weihnachtsfest selber. Das echte natürlich. Das Fest der Lichter, wenn das Jahr am dunkelsten ist. Das Fest des Beschenktwerdens, einfach so, um anderen eine Freude zu machen. Das Fest der Lieder mit den wunderlichen Texten. Das Fest der Festtafel, die mehr als Nahrungsaufnahme verspricht. Das Fest der Grußkarten, die alte Freundschaften aufleben lassen. Das Fest der Verwandtenbesuche – diesmal brav nach den AHA-Hygieneregeln in kleinen Portionen.
Wahrscheinlich ist Weihnachten dieses Jahr wichtiger denn je, weil es uns in Beziehungen einsetzt, die wir aufgrund des Coronavirus so schmerzlich vermisst haben. Wir werden ein pures Fest erleben, ohne die zuckrigen Verkleidungen. Vielleicht schimmert dabei eher durch, warum überhaupt Weihnachten gefeiert wird – im christlichen Sinn.
Sich auf Weihnachten freuen? In diesem Corona-Seuchen-Jahr? Erst mit dem FFP-2-Mundschutz die Mutter besuchen, immer mit der Angst verbunden, sie anstecken zu können, weil man gerade selbst in einem Corona-Hotspot Deutschlands wohnt, danach dann auf Abstand in die Kirche gehen oder dort am Ende gar keinen Platz bekommen? Einfach Schwamm drüber und trotzdem ein Strahlen ins Gesicht zaubern, weil Optimismus das Einzige ist, was zählt, und die Weihnachtsfreude alles überdauert?
Nee, so einfach geht es doch nicht. An diesen Ausnahmezustand mit dem Virus mag es zwar langsam eine Gewöhnung geben, das sich Zurücknehmen und Verzichten leuchtet rein verstandesmäßig auch ein, aber das heißt ja dann nicht gleich, gute Miene zum Weihnachtsfest voller Beschränkungen machen zu müssen.
Das fängt ja jetzt in der Vorweihnachtszeit
gleich an, wenn die Christkindlesmärkte nicht eröffnet werden, die Weihnachtsfeiern gar nicht mehr geplant werden – da fehlt dann das, was alljährlich immer dazu gehört hat in der Weihnachtszeit, der Kontakt mit vielen Menschen, das Gespräch und der Austausch. Spirituell mag einem dieses Weihnachten so viel geben wie in den Jahren zuvor, vielleicht ja auch mehr in dieser schwierigen Zeit. Aber als Familienfest, als Anlass, um sich auch mit guten alten Freunden zu treffen, als gesellschaftliches Großereignis am Ende des Jahres, das je anders, aber in vielen Fällen nicht allein, sondern mit anderen zusammen begangen und gefeiert wird, als solches Fest wird uns Weihnachten 2020 nur schmerzhaft vor Augen führen, womit wir seit einem dreiviertel Jahr konfrontiert sind: Abstand, Abstand, Abstand und nicht Nähe, Nähe, Nähe.