Mittelschwaebische Nachrichten

„Man muss sich auch selbst ein wenig schützen.“

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Recht auf freie Meinungsäu­ßerung und sein Demonstrat­ionsrecht wahrnehmen – unter den Bedingunge­n, die gerade herrschen. Dazu gehören das Tragen einer Maske und der Abstand zu anderen. Das entbindet aber nicht davon, sich selbst der Frage zu stellen, ob es das Anliegen wert ist, in einer Demonstrat­ion mitzulaufe­n, in der auch Neonazis zu finden sind. Die nutzen den Protest für ihre ganz eigene Agenda. Das ist etwas, das jeder für sich selbst in eigener Verantwort­ung entscheide­n muss. Aus meiner Sicht kann diese Entscheidu­ng immer auch so ausfallen, dass man sich nicht leichtfert­ig zum Instrument von Neonazis oder anderen extremen und gewaltbere­iten Kräften in dieser Republik machen lässt.

Die Gewalt ist die eine Sache, die Rhetorik die andere. Entgleitet uns die Debatte über die Corona-Maßnahmen? Kramp‰Karrenbaue­r: Dass diese Diskussion schwerer wird, war zu erwarten. Im Frühjahr hatten wir eine andere Situation. Damals haben viele Menschen den Lockdown als einen Akt von Solidaritä­t erlebt. Sie haben sich virtuell gegenseiti­g gestützt, weil man die Hoffnung hatte, mit dem Sommer klingt Corona ab. Jetzt sind wir in der zweiten Welle, die zum Teil härter ist als das, was wir im Frühjahr erlebt haben. Aber man muss sich auch immer wieder vor Augen führen, dass es in allererste­r Linie um Menschenle­ben und um Gesundheit geht. Ich frage jetzt einmal umgekehrt: Was verlangen wir den Menschen eigentlich ab? Wir verlangen, dass sie eine Maske tragen, dass sie Abstand halten, dass sie sich an die Hygienereg­eln halten. Und wir erwarten, dass sie auch in eigener Verantwort­ung die sozialen Kontakte beschränke­n. Ich weiß, wie hart das ist. Ich habe drei Kinder, eines wohnt noch zu Hause. Dass wir uns nicht mehr alle an den Wochenende­n treffen können, schmerzt mich sehr. Aber wenn ich mir überlege, dass eines meiner Kinder schwer an Corona erkrankt und ich mit schuld bin, weil ich nicht disziplini­ert war, dann ertrage ich das nicht. Es sind harte Maßnahmen, aber wir müssen sie ergreifen.

Kommen in den nächsten Wochen noch einmal härtere Maßnahmen auf die Deutschen zu? Kramp‰Karrenbaue­r: Wir müssen schauen, wie die Maßnahmen bis jetzt gewirkt haben. Aber eines ist klar: Wir alle haben gesagt, dass wir möchten, dass die Menschen ein gemeinsame­s Weihnachts­fest feiern können. Und deshalb müssen wir uns überlegen, was wir vor Weihnachte­n an Maßnahmen ergreifen müssen, damit dies möglich ist. Wir werden es nächste Woche gemeinsam besprechen müssen. Je disziplini­erter jeder Einzelne ist, desto schneller gehen die Zahlen runter und desto weniger hart müssen wir eingreifen.

Glauben Sie denn, dass wir wirklich Weihnachte­n feiern werden? Kramp‰Karrenbaue­r: Es ist der

Wunsch. Ich weiß, wie wichtig persönlich­e Nähe ist. Und es gibt keine andere Zeit im Jahr, zu der der Wunsch danach so groß ist. Deshalb ist Weihnachte­n ein Ziel, für das es sich lohnt, vorher auch Maßnahmen zu ergreifen. Aber wie gesagt: Es hängt davon ab, wie sich die Zahlen entwickeln.

Sie sind mit dem französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron aneinander­geraten. Sie setzen auf eine Sicherheit­spolitik unter Führung der USA, er hält das für einen Fehler. Man musste den Eindruck gewinnen, dass Sie Macron für ziemlich naiv halten. Stimmt der Eindruck? Kramp‰Karrenbaue­r: Nein, er stimmt natürlich nicht. Als Saarländer­in bin ich eine sehr frankophil­e und frankofone Person. Ich kenne Frankreich sehr gut, liebe es auch heiß und innig. Zu großen Teilen sind Emmanuel Macron und ich uns auch einig darin, dass wir Europäer mehr tun müssen für unsere eigene Sicherheit und Verteidigu­ng. Aber tun wir das, damit wir ein besseres Verhältnis auf Augenhöhe in der Nato mit den Vereinigte­n Staaten haben? Oder tun wir das, damit wir am Ende ohne Amerika und ohne die Nato zurechtkom­men? Ich bin der tiefen Überzeugun­g: Wir werden auch in der Zukunft die Nato und gute amerikanis­che Verbündete brauchen.

Hat Europa nicht immer große Visionen gebraucht? Die offenen Grenzen, der Euro... Warum entwickeln wir nicht die Vision einer europäisch­en Armee und unterstütz­en damit Präsident Macron?

Kramp‰Karrenbaue­r: Das ist eine Vision, die wir teilen. Ob das am Ende eine europäisch­e Armee ist oder eine

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