Mittelschwaebische Nachrichten
„Nachspüren, was der Mensch fühlt“
Schauspieler Marcus Mittermeier spielt in seinem neuen Film einen Mann, der unter einer massiven Persönlichkeitsstörung leidet. Wie er sich auf die Rolle vorbereitet hat und was die Figur für ihn mit Weihnachten zu tun hat
Herr Mittermeier, Sie sind kurz vor Weihnachten zusammen mit Anna Loos und Simon Schwarz in der Komödie „Alle Nadeln an der Tanne“zu sehen. Sie spielen die Rolle von Moritz, der nach einem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma hat und unter einer massiven Persönlichkeitsstörung leidet. War es schwer, sich in so eine Rolle hineinzufinden?
Marcus Mittermeier: Ja. Vor allem habe ich beim Lesen des Drehbuchs festgestellt, dass da schauspielerisch schon einiges an Krankheit und Ausfallerscheinungen auf mich zukommt. Ich habe das dann auch von einem ehemaligen Facharzt für Neurologie durchsehen lassen. Der bestätigte mir, dass das ein ausgezeichnetes Drehbuch ist.
Wie haben Sie sich denn auf diese ungewöhnliche Rolle vorbereitet? Mittermeier: Mit dem Arzt habe ich Szene für Szene, Krankheit für Krankheit durchgearbeitet. Er erklärte mir, was mit Betroffenen passiert, was sie spüren, was sie sehen. Das geht von plötzlichen Angstzuständen bis hin zu völlig unerklärlichen Ausrastern. Im zweiten Schritt habe ich dann noch eine Reha-Klinik in Bad Aibling besucht. Dort liegen sehr viele Patienten mit Schädel-Hirn-Traumata. Auch da habe ich mich mit den Fachleuten unterhalten. Mir ging es vor allem darum, nachzuspüren, was der Mensch fühlt. Am Ende durfte ich mit mehreren Patienten und deren Angehörigen reden. Das war hochinteressant, aber auch sehr emotional. Denn so ein Schädel-Hirn-Schaden ist für alle Beteiligten ein Riesenproblem.
„Alle Nadeln an der Tanne“erzählt ein ernstes Thema, ist aber auch komisch. Ist das nur ein Unterhaltungsfilm oder soll auch transportiert werden, dass es an Weihnachten keineswegs harmonisch zugehen muss? Mittermeier: Ja, das kann man so sagen. Für mich ist die tiefere Story dahinter eigentlich eine Erlösergeschichte.
Passt ja zu Weihnachten. Mittermeier: Ja, diese Figur ist eine Erlöserfigur, die in eine Familie reinkommt, in der es an allen Ecken und Enden knatscht. Und Moritz trägt dazu bei, dass die Konflikte sich auflösen. Darum gefällt es mir, dass mit diesem medizinischen Thema offen und ernsthaft umgegangen wird. Dem Thema die hoffnungsvolle Botschaft mitgegeben, dass es etwas bringt, wenn man sich mit solchen Menschen auseinandersetzt. Denn Moritz wirkt gerade durch sein Handicap so positiv. Für mich heißt das mal ganz plakativ gesagt: Es macht Sinn, sich um jemanden zu kümmern!
Wie feiern Sie denn privat Weihnachten, feiern Sie überhaupt? Mittermeier: Weihnachten wird natürlich gefeiert, vor allem seit meine Frau und ich Kinder haben. Die sind zwar inzwischen schon groß und legen selbst keinen großen Wert mehr auf das Klingeling und eine feierliche Bescherung. Aber auf das festliche Essen und das Zusammenkommen der Familie freuen wir uns auch dieses Jahr.
An Weihnachten scheiden sich ja kulinarisch die Geister. Die einen essen Würstel, die anderen tischen groß auf mit Fisch oder Geflügel. Was isst man im Hause Mittermeier? Mittermeier: Witzigerweise haben wir daheim gerade darüber gesprochen. Am Heiligen Abend wird es höchstwahrscheinlich etwas Vegetarisches geben. Wir gewöhnen uns an, immer weniger Fleisch zu essen. Das kommt so ein bisschen von den Kindern, die aus ethischen Gesichtspunkten und Umweltschutzgründen sehr stark die vegetarische Fahne hoch halten. Letztendlich tut das uns allen gut.
Beschenken Sie sich gegenseitig? Mittermeier: Ja, aber in einem bescheidenen Rahmen.
Was war Ihr tollstes Weihnachtsgeschenk?
Mittermeier: Oh…? Als ich damals einen Commodore VC20-Computer geschenkt bekam, war ich, glaube ich, ziemlich begeistert. Da habe ich zuvor lange an meine Eltern ranbetteln müssen. Es war mein erster Computer. Später habe ich diesen Wunsch ein wenig bereut, weil ständig die ganzen Nachbarskinder bei mir einfielen und Space Invaders spielen wollten. Die sind übrigens später interessanterweise Informatiker oder Techniker geworden. Ich bin der Einzige, der sich letztlich dann vom Computer abgestoßen gefühlt hat.
Apropos Geschenk. Seit 2014 sind Sie einem breiten Publikum außerdem durch die Rolle als Kommissar Harald Neuhauser in der Reihe „München Mord“bekannt. Wie wichtig ist diese Figur für Sie?
Mittermeier: Also, die ist schon sehr wichtig. Weil wir anfangs nur ein bis zwei Filme drehten, hat sich das zunächst einmal nur langsam herumgesprochen, dass die Serie eine besondere Qualität hat. Inzwischen kommen immer mehr Leute drauf, dass das gar nicht so schlecht ist. Jetzt, wo man sich routiniert in so eine Geschichte reinfallen lassen könnte, spüren wir den Druck der Publikumserwartungen. Wir sitzen bei den Leseproben da und drehen jedes Wort um. Meine Kollegen und ich arbeiten ja ganz intensiv an den Plots mit. Das macht das Projekt schon besonders. Denn normalerweise bekommt man ein fertiges Drehbuch, an dem sich nicht mehr so viel ändert. Bei „München Mord“schrauben wir teilweise bis zum Drehtag an den Geschichten.
Neben Ihren Engagements haben Sie Philosophie und Theaterwissenschaften studiert. Haben Sie einen Lieblingsphilosophen?
Mittermeier: Ja, Aristoteles hat mich immer besonders interessiert. Er sagte: Das Gute liegt in der Mitte. Das spiegelt letztendlich ja auch mein Name wider.
Hilft so ein Studium im Beruf? Mittermeier: Nein, ich habe das nur aus Jux und Tollerei angefangen. Ich war damals mit einem Theater-Engagement in Ingolstadt unzufrieden. Ich hatte mir nach der Schauspielschule halt mehr versprochen und wollte die Welt erobern. Weil es damit nix wurde, habe ich mich eingeschrieben und es auch relativ lange betrieben. Ich hätte am Ende meiner Theaterlaufbahn die Magisterprüfung machen können, aber dann kamen mein Sohn und interessante Fernsehgeschichten.
Ach ja, am Ende noch ein leidiges Thema: Wie oft sind Sie eigentlich schon gefragt worden, ob Sie der Bruder von Michael Mittermeier sind? Mittermeier: Sehr oft. Das ändert sich leider auch nicht.
Interview: Josef Karg
Marcus Mittermeier, 51, stammt aus Landshut. Der bayerische Schauspieler wurde vor allem durch seine Rolle in der Reihe „München Mord“bekannt. Der Film „Alle Na deln an der Tanne“läuft am 17. Dezember im ZDF.