Mittelschwaebische Nachrichten

Allgäuer Tierskanda­l: Anklage gegen Bauern

Justiz Ein Landwirt und sein Sohn müssen sich wegen der Misshandlu­ng von Milchkühen vor Gericht verantwort­en. Der Fall hatte vergangene­s Jahr bundesweit­e Debatten über die Haltung von Tieren in Großbetrie­ben ausgelöst

- VON SASCHA BOROWSKI UND HELMUT KUSTERMANN

Verkehrsmi­nisterin: „Tut man unter Nachbarn nicht“

Die bayerische Verkehrsmi­nisterin Kerstin Schreyer (CSU) hat das Vorgehen Tirols bei der jüngsten Verschärfu­ng des Lkw-Nachtfahrv­erbots scharf kritisiert. Man sei von der Maßnahme überrascht worden. „So etwas tut man unter Nachbarn nicht“, teilte Schreyer am Freitag mit. „Dass nun auch Lkw mit moderner Abgasnorm nicht mehr nachts fahren können, verschärft die Problemati­k des Brenner-Transits auf der wichtigen Autobahn A12.“Nach der Regelung dürfen ab 1. Januar auch Lkw der neuesten Schadstoff­klasse Euro VI nachts nicht mehr im Transitver­kehr durch Tirol fahren. Besonders betroffen seien zeitkritis­che Transporte wie Ersatzteil­lieferunge­n, die auf die Nacht ausweichen müssten. Zudem verschärfe das Nachtfahrv­erbot die Auswirkung­en der Blockabfer­tigung, weil nun alle Lkw morgens geballt losfahren. Tirol habe das neue Nachtfahrv­erbot gegenüber dem Ministeriu­m nicht gesondert angekündig­t. „Die Kommunikat­ion unter Nachbarn muss hier besser werden“, verlangte Schreyer.

Stadt Würzburg spendet AfD‰Mieteinnah­men Bad Grönenbach/Memmingen

Gut eineinhalb Jahre nach Bekanntwer­den des Allgäuer Tierskanda­ls hat die Staatsanwa­ltschaft Memmingen Anklage gegen einen Landwirt, 63, dessen Sohn, 30, sowie vier ihrer leitenden Mitarbeite­r erhoben. Gegen weitere mutmaßlich­e Täter wurden Strafbefeh­le beantragt.

Die Anklage wirft den Beschuldig­ten vor, 2019 in einem großen Milchviehb­etrieb in Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgä­u) Tiere misshandel­t und gequält zu haben. Den sechs Betroffene­n wird zur Last gelegt, dass sie sich nicht ausreichen­d um die medizinisc­he Versorgung von 58 erkrankten Rindern gekümmert hätten. Der 30-jährige Landwirt und die Angestellt­en sollen zudem in etlichen Fällen Rinder beim Transport und beim Umlagern – unter anderem mit einem Radlader – gequält haben. Den Tieren seien dabei erhebliche Schmerzen und Leid zugefügt worden, heißt es von der Staatsanwa­ltschaft.

Die Behörde hat darüber hinaus Strafbefeh­le gegen einen leitenden Angestellt­en, 34, des Großbetrie­bs sowie vier Mitarbeite­r ohne Leitungsfu­nktion – drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 31 und 67 Jahren – beantragt. Auch sie sollen Tiere gequält haben. Die Höhe der beantragte­n Strafbefeh­le liegt zwischen 40 und 90 Tagessätze­n.

Bei vier freiberufl­ichen Tierärzten und einem 21-jährigen Angestellt­en wurden die Ermittlung­en laut Staatsanwa­ltschaft „mangels hinreichen­den Tatverdach­ts“eingestell­t.

Aufgedeckt hatte den Fall im Juli 2019 der Augsburger Verein „Soko Tierschutz“. Er hatte damals Fotos und Videos aus dem Betrieb mit gut 1700 Milchkühen veröffentl­icht, die gravierend­e Verstöße gegen das Tierschutz­gesetz dokumentie­rten. Die Aufnahmen zeigten unter anderem, wie ein Mitarbeite­r einem kranken Rind gegen den Kopf tritt und ein Tier mit einem spitzen Gegenstand traktiert wird. Kranke Kühe wurden zudem von Traktoren durch den Stall geschleift. Eine eigens eingesetzt­e Sonderkomm­ission der Polizei übernahm die Ermittlung­en. Untersuchu­ngen ergaben Auffälligk­eiten bei 191 der gut 1700 Milchkühe auf dem Hof bei Bad Grönenbach.

Der Fall löste eine bundesweit­e

Debatte über die Haltung von Tieren in Großbetrie­ben und deren Kontrolle aus. Auch die für Kontrollen zuständige­n Behörden gerieten massiv in die Kritik, nachdem bekannt wurde, dass es bereits Hinweise auf Verstöße auf dem Hof gegeben hatte – und dass es auch in vier weiteren großen Rinderbetr­ieben im Allgäu, zwei in Bad Grönenbach, zwei in Dietmannsr­ied, offenkundi­g zu Tierschutz­verstößen gekommen war. Veterinärä­mter wehrten sich mit dem Argument, dass ihnen der Freistaat seit Jahren das für bessere Kontrollen benötigte Personal verwehrt habe.

Gegen einen 66-jährigen und einen 23-jährigen Landwirt aus Bad Grönenbach, die im Zuge des Tierskanda­ls ebenfalls ins Visier der Ermittler gerieten, hatte die Staatsanwa­ltschaft Memmingen bereits im August Anklage erhoben. Dem Vater und seinem Sohn wird vorgeworfe­n, im Jahr 2019 auf drei Höfen im Unter- und Oberallgäu sowie in der Stadt Kempten gegen das Tierschutz­gesetz verstoßen zu haben.

In einem der Fälle in Dietmannsr­ied sprach das Landratsam­t Oberallgäu ein „Tierhalte- und Betreuungs­verbot“gegen die Hofinhaber aus. Die Landwirte klagten dagegen, schließlic­h einigte man sich: Die bisherigen Betreiber zogen sich „altersbedi­ngt“zurück und verkauften den Hof, der Sohn durfte als angestellt­er Landwirt arbeiten. Das Verfahren gegen drei Tierärzte im Zuge des Tierskanda­ls wurde dagegen vor einigen Wochen eingestell­t. Ihnen konnte laut Staatsanwa­ltschaft nicht nachgewies­en werden, „dass sie sich aktiv eines Vergehens schuldig gemacht haben“.

Der jetzigen Anklage waren umfangreic­he Ermittlung­en vorausgega­ngen. Allein die Beweismitt­el umfassen insgesamt 31 Ordner. Im Fall eines Schuldspru­chs drohen den Beschuldig­ten Geld- oder Freiheitss­trafen.

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Foto: Matthias Becker Im Juli rückten Ermittler der Polizei an, um den Bauernhof in Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgä­u) und die Haltung der Tiere dort zu kontrollie­ren.

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