Mittelschwaebische Nachrichten
Zum Davonlaufen
Gestern sind wir in die „Stade Zeit“eingetreten. Jetzt erwartet uns ein ganz neues Lebensgefühl. Mit der adventlichen Behaglichkeit wird, gerade in dieser Krisenzeit, die Widerstandskraft unserer Nerven getestet.
Das Internet weist in ruhiger Beständigkeit darauf hin, dass wir nur noch wenig Zeit für den Kauf von Weihnachtsgeschenken haben. Jeder romantische Kerzenschein erinnert uns daran, dass noch viele Zutaten zum Festessen besorgt werden müssen. Nachdenkliche Sekunden mahnen uns an die Pflicht, dem gesamten Bekanntenkreis mit Hilfe von Weihnachtskarten ein frohes Fest zu wünschen. Frostige Temperaturen wirken zwar still, erzwingen aber die sofortige Anschaffung von Schal, Mütze und Anorak. Der vorweihnachtlich-stade Mensch lenkt seine erschöpfte Kraft jetzt auf die Kunst des Plätzchenbackens und auf den Erwerb eines Christbaums. Und in lautloser Berechnung wird schon jetzt dafür gesorgt, dass die Gäste am Weihnachtstag auf die amtlich erlaubte Anzahl beschränkt bleiben.
Im Advent lernt der Mensch, wie sich innerhalb der Leitbegriffe „schnell“und „sofort“leben lässt. Wer jetzt noch trödelt, tut es mit schlechtem Gewissen. Und mancher Mitbürger hat nicht einmal mehr Zeit, sich um seinen Hund zu kümmern, sodass er am liebsten davonlaufen möchte.
Von solchem Bedürfnis hat 1680 auch der österreichische Schriftsteller und Komponist Johann Beer in seiner „Wunderlichen Lebensbeschreibung“berichtet: „… dann ich hatte keine Zeit den Hund zu säubern / so wußte ich mir auch in der Eil auf keine andere Weise zu helffen / als daß ich davon lieffe und mich versteckte.“