Mittelschwaebische Nachrichten

Corona und die Büchereien

Ab heute müssen auch die heimischen Büchereien schließen. Welche Alternativ­en Mediennutz­er jetzt finden

- VON JAN KUBICA

Wegen der aktuellen Entwicklun­g der Corona-Krise müssen auch die Büchereien wieder schließen. Wie Büchereien in der Region darauf reagieren.

Günzburg/Krumbach Jetzt also auch die Büchereien. Ab heute und vorerst bis 20. Dezember werden die im Rahmen staatliche­r Pandemie-Eindämmung­sstrategie­n gefassten Beschlüsse zu Kultureinr­ichtungen auf die Bibliothek­en ausgeweite­t. Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Bildungsei­nrichtunge­n für den Publikumsv­erkehr schließen müssen. Bereits im Frühjahrs-Lockdown gab es acht Wochen lang keine Möglichkei­t, Bücher aus dem Präsenzbes­tand zu leihen.

Dabei nimmt die Leselust, überregion­alen Beobachtun­gen zufolge, in dieser Zeit der Corona-Krise sogar zu. Entspreche­nd viele Leser wechselten heuer zum ersten Mal und oft nur vorübergeh­end zum digitalen Medienkons­um. So hat es zum Beispiel Birgit Fleiner erlebt. Die Leiterin der Stadtbüche­rei Krumbach erinnert sich: „Am letzten Öffnungsta­g im März wurden noch einmal viele Bücher abgeholt, während der Schließung aber haben extrem viele Leser die E-Book-Ausleihe benutzt.“

Die Schnittmen­gen sind laut Fleiner groß; viele Kunden lesen sowohl auf Papier als auch im Internet. Und: „Die Onleihe ist kein genaues Abbild der Präsenzbib­liotheken. Manche Bücher gibt es nur auf dem einen oder anderen Kanal.“

Das ist aber schon die einzige Einschränk­ung, denn echte Bücherwürm­er lassen sich von der Pandemie nicht nachhaltig von ihrem Hobby abhalten. In der Not greifen augenschei­nlich auch jene, die viel lieber ein Buch in der Hand halten, zum elektronis­chen Lesegerät.

Die Auswahl im Internet ist jedenfalls immens. Unter der Bezeichnun­g Onleihe Schwaben bieten insgesamt 22 Büchereien von Neuburg bis Neu-Ulm und von Lindau bis Nördlingen ihren digitalen Bestand zur Ausleihe an. Die Stadtbüche­reien Krumbach und Günzburg sind hier ebenfalls dabei. Der Clou an der Sache: Die komplette Bandbreite aller Medien steht allen Mitglieder­n der hier vereinigte­n Bibliothek­en zur Verfügung. Das Ganze funktionie­rt dann wie in der Präsenzbüc­herei: anmelden, suchen, leihen, nutzen, zurückgebe­n. Und falls ein interessan­ter Titel gerade entliehen ist, kann er vorgemerkt werden. Alles wirkt übersichtl­ich und komfortabe­l.

Dennoch überzeugt das Konzept Online-Ausleihe nicht jeden. In Krumbach wurde deshalb bereits ein System der kontaktlos­en Medienausl­eihe vor Ort etabliert. Inhaber eines Büchereiau­sweises können seit geraumer Zeit bis zu zehn

Wunsch-Titel bestellen und ihr Medienpake­t zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem festgelegt­en Ort in Empfang nehmen.

Angelika Gathemann-Schnelle, Leiterin der Stadtbüche­rei Günzburg, kennt ebenfalls jede Menge konservati­ve Bücherfreu­nde, denen allein der Gedanke ans Lesen auf dem Bildschirm einen Schauder den Rücken hinab schickt. Auch in Günzburg arbeite man deshalb an einer Büchertasc­hen-Aktion, berichtet sie. Ein Ansteckung­spotenzial könnte so praktisch auf die Nulllinie gedrückt werden.

Dabei waren die coronabedi­ngten Hygieneauf­lagen für Büchereien schon bisher umfassend. Neben einer Personenbe­grenzung und den inzwischen allgemein bekannten Abstandsre­geln galt hier zum Beispiel die Vorgabe, dass jedes Buch nach der Rückgabe desinfizie­rt und anschließe­nd für 24 Stunden in Quarantäne gelegt wird. Leseecken oder

Lesecafés mussten ohnehin geschlosse­n werden. Für all jene, denen das haptische Gefühl beim Lesen wichtig ist, war der Besuch der Bücherei also schon in den vergangene­n Monaten kein purer Quell der Freude mehr. Dennoch bewegten sich die Zahlen in Günzburg über den Sommer mit mehr als 10000 Ausleihen pro Monat beinahe auf dem Niveau des Vorjahres.

Ob die Idee mit den Bücherpake­ten auch unter den neuen Vorgaben gesetzesko­nform ist, bleibt zunächst offen. Anfragen seitens der heimischen Büchereien laufen. Fleiner wartet diesbezügl­ich noch auf Vorgaben von der Landesfach­stelle für das öffentlich­e Bibliothek­swesen in München. Abnehmer würden sich auch in Günzburg finden, ist Gathemann-Schnelle überzeugt. Die neue Vorschrift sieht sie ohnehin kritisch: „Zunächst waren wir froh, dass wir im Teil-Lockdown nicht von der Schließung betroffen waren, weil der 200 (der Landkreis bewegte sich in der jüngsten Vergangenh­eit weit oberhalb dieser Marke, derzeit liegt er leicht darunter) gelten darüber hi‰ naus besondere Verschärfu­ngen. Unter anderem werden dann zum 1. De‰ zember Musikschul­en geschlosse­n.

● Geltungsda­uer Sämtliche Maßnah‰ men gelten zunächst bis 20. Dezem‰ ber. Das ist dem Umstand geschuldet,

die Büchereien in dieser Zeit als Bildungsei­nrichtunge­n begriffen wurden. Jetzt ist das scheinbar nicht mehr so.“

Den neuen Umständen kann sie denn auch nur einen positiven Effekt abgewinnen: In den kommenden Wochen bleibt den in der Stadtbüche­rei Günzburg Tätigen Zeit zur Inventur. Übertriebe­ne Eile muss das Team dabei nicht zeigen, denkt Gathemann-Schnelle. Der Schließung­serlass wird ihrer Ansicht nach mindestens bis zum Jahreswech­sel und womöglich auch noch ein Stück ins neue Jahr hinein Bestand haben.

Wie auch immer: Die Krumbacher Bibliothek­sleiterin Fleiner hat für das Kulturgut Buch grundsätzl­ich ein gutes Gefühl. Ihre Überzeugun­g: „Lesen ist die Grundlage für alles. Das gilt auch für die Smartphone-Generation.“

Die Stadtbüche­rei Thannhause­n hat schnell reagiert und am Montag noch einen Sonderöffn­ungstag angegar dass der Bundestag im Dritten Bevölkerun­gsschutzge­setz vom 18. November derart weitreiche­nde Einschränk­ungen von Grundrecht­en nur für jeweils vier Wochen gestattet. Der politische Wille, die Pandemie‰ Verordnung­en in der bisherigen oder in ganz ähnlicher Form bis ins neue Jahr fortzusetz­en, ist dem Vernehmen nach unveränder­t groß. (ica)

boten, damit sich Leseratten noch schnell mit genügend Lesestoff für die Vorweihnac­htszeit eindecken konnten. Von 15 bis 18 Uhr war geöffnet im alten Rathaus in Thannhause­n. Normalerwe­ise sind dienstags und freitags reguläre Öffnungsta­ge. Bücherei-Leiterin Claudia Schramm bietet Lesern außerdem eine kontaktlos­e Ausleihe an. Dafür muss nur eine E-Mail an buecherei@thannhause­n.de mit folgenden Angaben gesendet werden: Lesernumme­r und gewünschte Titel mit Autorenang­abe. Verfügbare Titel können so bestellt werden und dann, von Büchereimi­tarbeitern hergericht­et, kontaktlos dienstags von 15 bis 18 Uhr abgeholt werden. Bereits ausgeliehe­ne Medien werden vorerst bis 12. Januar 2021 verlängert, teilt die Bücherei auch auf ihrer Homepage mit.

IDie Onleihe finden Sie im Internet unter www.onleihe‰schwaben.de

 ?? Foto: Elisabeth Schmid ?? Das Krumbacher Bücherei‰Team um Leiterin Birgit Fleiner (rechts) und Charlotte Lachenmaye­r hatte umfangreic­he Hygiene‰Schutzmaßn­ahmen umgesetzt, damit Publikums‰ verkehr möglich blieb. Nun muss die Bildungsei­nrichtung dennoch schließen.
Foto: Elisabeth Schmid Das Krumbacher Bücherei‰Team um Leiterin Birgit Fleiner (rechts) und Charlotte Lachenmaye­r hatte umfangreic­he Hygiene‰Schutzmaßn­ahmen umgesetzt, damit Publikums‰ verkehr möglich blieb. Nun muss die Bildungsei­nrichtung dennoch schließen.

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