Mittelschwaebische Nachrichten
Es ist WM und kaum einer darf hin
In Oberstdorf steigt die Nordische Ski-WM, aber davon ist wenig zu spüren. Sternekoch Strauss: Der Ort ist gespalten. Eine Geschäftsinhaberin dekoriert jede Woche neu
Samstag, 27. Februar
Nordische Kombination Frauen
• 10 Uhr Springen, Normalschanze
• 15.30 Uhr 5kmLanglauf Favoriten Gyda Hansen Westvold (NOR), Marte L. Lund (NOR), Lisa Hirner (AUT)
Jenny No wak, Maria Gerboth, Cindy Haasch, Sven ja Würth
Die deutschen Starterinnen
Skilanglauf
• 11.45 Uhr
• 13.30 Uhr Favoriten
Frauen (15kmSkiathlon) Männer (30kmSkiathlon) (Frauen) Jessica Diggins (USA), Therese Johaugh (NOR) (Männer) Alexander Bolschu now (RUS), Johannes Hösflot Kläbo (NOR) (Frauen) Katharina Hennig, Pia Fink, Antonia Fräbel, Lisa Lohmann – (Männer) Lucas Bögl, Jonas Dobler, Fried rich Moch, Florian Notz
Männer, Einzel Normalschanze
H. Egner Granerud (NOR), Ka mil Stoch (POL), Markus Eisenbichler Karl Geiger, Markus Eisenbichler, Pius Paschke, Constantin Schmid
Favoriten DSVStarter Skispringen • 16.30 Uhr Favoriten
Deutsche Starter Sonntag, 28. Februar
Nordische Kombination Team (Männer)
• 10 Uhr Springen, Normalschanze
• 15 Uhr 4x5 km Langlauf
Favoriten: Deutschland, Norwegen, Ja pan
DSVAufgebot*
Vinzenz Geiger, Eric Frenzel, Fabian Rießle, Johannes Rydzek, Terence Weber, Manuel Faißt
*Die genauen Starter stehen noch nicht fest.
Skilanglauf • 13 Uhr Favoriten DSVAufgebot*
Teamsprint (Frauen/Männer) Russland, Schweiz, USA (Frauen) Katharina Hen nig, Pia Fink, Antonia Fräbel, Lisa Loh mann (Männer) Lucas Bögl, Jonas Dobler, Friedrich Moch, Florian Notz
*Die genauen Starter stehen noch nicht fest.
Skispringen • 17 Uhr Favoriten:
reich
MixedTeam Normalschanze Norwegen, Slowenien, Öster
DSVAufgebot*
Luisa Görlich, Anna Rupprecht, Katharina Althaus, Juliane Seyfarth, Markus Eisenbichler, Karl Gei ger, Pius Paschke, Martin Hamann, Seve rin Freund, Constantin Schmid
*Die genauen Starter stehen noch nicht fest.
Oberstdorf
Sogar das Nebelhorn spielt mit und macht seinem Namen nicht alle Ehre. Kein Wölkchen ist zu sehen. Die verschneiten Spitzen von Fellhorn, Höfats oder Himmelschrofen glitzern unter einem stahlblauen Himmel in der Sonne. In Oberstdorf flanieren wenige Menschen durch fast leere Gassen. Im Kurpark treiben die tiefgrünen Spitzen der Tulpenblätter aus der Erde. Frühlingsstimmung im Bergparadies, fast schon kitschig. Und so gar nicht überlaufen. Lediglich vor dem Eiscafé Riviera neben der Kirche St. Johannes Baptist stehen Kunden Schlange. Sanddorn und Stracciatella kommen gut an. Plakate und einige über die Gassen gespannte Fähnchenleinen erinnern an die Nordische Ski-Weltmeisterschaft.
Die Fußgänger hinauf zur Schattenbergschanze gehen an meist geschlossen Geschäften vorbei, die sich Mühe geben, so etwas wie WMFlair zu verbreiten. Auch das Bettengeschäft von Evelyn Högerle in der Nebelhornstraße darf nicht öffnen. Die Inhaberin lässt sich nicht unterkriegen. „Wir haben die Markisen ausgefahren und dekorieren einmal die Woche die Schaufenster neu“, erklärt die gebürtige Augsburgerin, die seit vielen Jahren in der Marktgemeinde lebt. „Wir wollen zeigen: Wir sind da.“Die WMAufkleber auf dem Schaufenster und die braunen Einkaufstüten mit dem WM-Signet sollen weltmeisterliches
Flair verbreiten. „Oberstdorf hat alles gegeben, was es kann, aber Stimmung kann nur mit Menschen entstehen“, sagt die Vorsitzende des Gewerbeverbandes „Oberstdorf Aktiv“, dem rund 100 Geschäfte vom Bäcker bis zum Buchladen angehören. Bei Bilderbuchwetter in den ersten WM-Tagen ist die Stimmung in den Gassen und auf den Plätzen seltsam gedämpft „Ich bin ein positiver Mensch. Aber trotzdem ist das alles befremdlich. Wer nicht gut gesattelt ist, dem macht das Angst“, sagt die Geschäftsfrau. Die längste Schlange bildet sich vor dem Covid-Testcenter im Eisstadion.
Normalerweise brummt es in der Wintersporthochburg um diese Zeit. „Der Februar wäre auch ohne WM einer der umsatzstärksten Monate hier“, erzählt Peter Strauss. Sein Hotel „Löwen & Strauss“mit rund 60 Betten war bis vor wenigen Wochen von einem skandinavischen Konsortium komplett ausgebucht. Sie haben längst abgesagt. Keine Finnen und Schweden, die ihre Sportler lautstark anfeuern und das für ihre Verhältnisse spottbillige bayerische Bier genießen. Stattdessen herrscht Stille im Hotel.
Ein Journalist hat in der ersten Woche eingecheckt, am Freitag ist ein Pärchen hinzugekommen. „Es ist der ruhigste Februar meines Lebens“, erzählt der Sternekoch, der Hotel und Restaurant vor zehn Jahren umgebaut und zu einer Gourmet-Adresse entwickelt hat. Auch wenn es sich „kaum lohnt“, hat sein
Betrieb geöffnet. Geschäftskunden dürfen übernachten, abends bietet das Restaurant Essen zum Mitnehmen an. „Seltsamerweise ist es in den Wochen vor der WM noch besser gelaufen als jetzt. Seit dieser Woche ist es bei mir mit dem Essensverkauf noch ruhiger geworden“, erzählt der 50-Jährige. „Aber wir wollen nach außen präsent sein, damit der Ort nicht wie eingeschlafen wirkt.“
Viele Jahre lang hat sich die Marktgemeinde mit 10 000 Einwohnern um die WM bemüht. Nach fünf Bewerbungen kam 2016 der Zuschlag. 40 Millionen verschlang die Modernisierung des Langlaufstadions und der Schanzen. Einen
Großteil der Summe steuerten der Bund und der Freistaat Bayern bei. Dennoch, die mit rund 60 Millionen Euro verschuldete Gemeinde muss mit spitzem Bleistift rechnen. Der Umbau des Busbahnhofs ist abgeschlossen, die Nebelhornbahn wird neu gebaut und über eine neue Therme diskutiert der Gemeinderat leidenschaftlich. „Es hätte eine fantastische Kulisse sein können, wir haben uns alle auf die WM gefreut. Dann kam Corona, aber dafür kann keiner etwas“, sagt Strauss.
Bei der WM 2005 verwandelten über 350000 Besucher den Ort in eine Partymeile. 2021 sind null Zuschauer
erlaubt. Unter den 4500 WM-Teilnehmern machen Athleten und Betreuer (1650), freiwillige Helfer (1400) und Medien (800) die größten Gruppen aus.
Nun gehen zumindest die TVBilder via Fernsehen als Werbung in die ganze Welt. Der Hotelier verteidigt die Titelkämpfe, denn „man muss Werbung nachhaltig machen“. Nicht alle sehen das so, erzählt Strauss: „Die wenigsten sagen etwas, aber der Ort ist gespalten.“
Einer der Kritiker, die kein Blatt vor den Mund genommen haben, ist Jürnjakob Reisigl. Der Hotelier bringt kein Verständnis für das Event auf und kritisierte gegenüber unserer Zeitung: „Diese WM passt nicht in diese Zeit. Das ist doch pervers, wenn alles stillsteht und wir hier ein Fest des Sports feiern wollen.“Nun ja, von einem Fest ist im Zentrum wenig zu spüren. Am Freitag
60 Betten – ein Gast hat im Hotel gebucht