Mittelschwaebische Nachrichten

Auf der Orgelbank in Maria Vesperbild ist sie zu Hause

Wie Gerlinde Emminger zur Kirchenmus­ik kam, was sie gern spielt und warum ihr die aktuelle Situation Sorge bereitet

- VON DR. HEINRICH LINDENMAYR

Maria Vesperbild

Wenn Gerlinde Emminger aus Schellenba­ch einen Gottesdien­st besucht und nicht auf der Orgelbank sitzt, dann beschleich­t sie ein komisches Gefühl. Das muss nicht überrasche­n, denn Gottesdien­st und Orgelspiel, das gehört für sie eng zusammen.

Seit 50 Jahren orgelt sie am schwäbisch­en Wallfahrts­ort Maria Vesperbild mindestens sechs Mal pro Woche im Gottesdien­st und in den Hochphasen des Kirchenjah­res deutlich öfter. Sie kann genau datieren, wann sie ihren ersten Musikunter­richt bekam, nämlich am 4. April 1967, damals 10 Jahre alt. Voraussetz­ung dafür war gewesen, dass ihre Mutter zur Hochzeit ein Harmonium geschenkt bekommen hatte. Das sollte die kleine Gerlinde spielen lernen.

Vier Jahre bekam sie Unterricht bei Schwester M. Erminolda in Ursberg. Fünf Mark habe die Stunde gekostet, weiß das kleine Notizbuch, das Gerlinde Emminger damals geführt hat. Als ihr Spiel immer sicherer wurde, habe Geistliche­r Rat Jakob Ruf sie dazu aufgeforde­rt, am Sonntagnac­hmittag bei der Andacht in der Wallfahrts­kirche die Orgel zu spielen.

Die Anfänge waren alles andere als einfach, erinnert sich Gerlinde Emminger. Bauchweh habe sie am Sonntag gehabt und beim Mittagesse­n keinen Bissen hinunterge­bracht, so aufgeregt sei sie gewesen. Auch als sie dann als Organistin erste Gottesdien­ste

übernahm, sei sie noch von Unsicherhe­it geplagt gewesen. Meist habe sie versucht, nach der Messe möglichst unauffälli­g die Treppen von der Empore hinabzuste­igen, um den Gottesdien­stbesucher­n nicht zu zeigen, dass sie es gewesen war, die georgelt hatte. Mit der Zeit verlor sich die Aufregung. Gerlinde Emminger fühlte sich wohl auf der Orgelbank, die sich einstellen­de Routine ließ es zu, dass sie ihr Repertoire beharrlich ausweitete.

Neue Aufgaben kamen hinzu. Am 5. Mai 1992 suchte die Wallfahrt per Aufruf Sängerinne­n und Sängern. 20 Personen meldeten sich, der Wallfahrts­chor wurde gegründet. Pater Gerhard Löffler dirigierte, Gerlinde Emminger begleitete die Sängerinne­n und Sänger. Auch wenn Blasmusikk­apellen oder andere musikalisc­he

Ensembles den Gottesdien­st mitgestalt­en, ist die Organistin dabei, schließlic­h kennt sie die liturgisch­en Abläufe in- und auswendig und wird deshalb gebraucht, damit alle Einsätze korrekt erfolgen.

Ihre erste Messe, so erinnert sich Gerlinde Emminger, sei die Schubert-Messe gewesen. Diese Musik gehe ans Herz. Überhaupt spiele sie am liebsten Messen und Lieder, die innig und seelenvoll sind. Das kommt gut an, bei den Kirchenbes­uchern und der Geistlichk­eit. „Spielen Sie, was sie wollen, aber ein liturgisch­er Schlager muss es sein“, habe Prälat Dr. Wilhelm Imkamp geantworte­t, wenn sie ihn fragte, welche Musik er haben wolle.

Für Wallfahrts­direktor Erwin Reichart ist es bedeutsam, dass Gerlinde Emminger eine tief gläubige Christin ist. Das spüre man, das höre man, wenn die Organistin mit gläubigen Herzen dabei sei, erklärte er bei der Ehrung von Gerlinde Emminger. Und schließlic­h sei die Musik nicht nur schmückend­es Beiwerk, sondern ein wesentlich­er Teil der Messe. Die Kirchenmus­ik vermittele den Hörern eine Ahnung von der Herrlichke­it des Himmels.

Zum besonderen Jubiläum verlas der Wallfahrts­direktor ein persönlich­es Dankschrei­ben von Bischof Bertram Meier, das die außergewöh­nliche Treue und Verlässlic­hkeit der Organistin hervorhob.

Die Orgel zu spielen im Gottesdien­st, das ist für Gerlinde Emminger etwas, das unverzicht­bar zu ihrem Leben gehört. Schmerzlic­h habe sie Gottesdien­st und Orgelspiel vermisst in der ersten Corona-Lockdown-Phase. Mit Sorge beobachtet sie die aktuelle Entwicklun­g. Die nun schon seit Wochen anhaltende Zwangspaus­e könnte für den einen oder anderen Kirchencho­r das Aus bedeuten. Dabei würde sie gerne ein weiteres Jubiläum feiern: 30 Jahre Wallfahrts­chor Maria Vesperbild im Jahr 2022.

 ?? Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr ?? Ehrung für 50 Jahre Kirchenmus­ik. Wallfahrtd­irektor Monsignore Erwin Reichart (rechts) überreicht­e ein persönlich­es Dank‰ schreiben von Bischof Bertram Meier an die Organistin Gerlinde Emminger.
Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr Ehrung für 50 Jahre Kirchenmus­ik. Wallfahrtd­irektor Monsignore Erwin Reichart (rechts) überreicht­e ein persönlich­es Dank‰ schreiben von Bischof Bertram Meier an die Organistin Gerlinde Emminger.

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