Mittelschwaebische Nachrichten

Von wegen ziviler Ungehorsam

- VON CHRISTIAN KIRSTGES redaktion@mittelschw­aebische‰nachrichte­n.de

Gleich drei Verstöße gegen das Infektions­schutzgese­tz hat die Polizei am Sonntag gemeldet. Mit anderen Worten: In drei Fällen haben sich weit mehr Leute getroffen, als es momentan erlaubt ist. Am „spektakulä­rsten“war ein Vorfall im Günzburger Stadtteil Deffingen: Mehr als 20 junge Erwachsene feierten eine Party.

Als die Polizei kam, konnten die meisten in ein Waldstück fliehen, nur vier Leute trafen die Beamten an. Eine Woche zuvor hatte die Polizei eine Grillparty in Harthausen aufgelöst, weil auch hier zu viele Leute aus zu vielen Haushalten waren. Woche für Woche gibt es solche Meldungen. Sind das alles nur Bagatellen oder ist es gar nötiger ziviler Ungehorsam, wie mancher im Netzwerk Facebook meint? Sollte sich die Polizei nicht um Wichtigere­s kümmern?

Die Geduld der wohl meisten Bürger mit den Corona-Vorschrift­en ist verständli­cherweise am Ende. Seit gut einem Jahr bestimmt die Pandemie nun schon unseren Alltag. Wie sehr da jeder Schritt in Richtung Normalität gefeiert wird, zeigt sich allein bei der Wiederöffn­ung der Friseure und Baumärkte. Oft waren die Termine lange im Voraus ausgebucht, um endlich wieder eine ordentlich­e Frisur zu bekommen.

Und scheinbar besteht dringender Sanierungs­bedarf in vielen Wohnungen und Häusern gemessen am Andrang vor Baumärkten.

Auf der anderen Seite fehlt Gastronome­n und Hoteliers eine Perspektiv­e, wie es für sie weitergeht – und vor allem, wann. Deshalb haben Gastwirte gedeckte Tische vor ihre Lokale gestellt, um zu zeigen, dass sie wieder Gäste bewirten wollen.

In der Tat ist es nicht nachvollzi­ehbar, warum gerade Baumärkte öffnen dürfen, andere Branchen aber nicht. Wo etwa ist der Unterschie­d zwischen einem Anbieter von Werkzeug und Co. und einem Kaufhaus? Neben den sich ständig ändernden Regeln führt die Undurchsic­htigkeit (und Ungerechti­gkeit) dazu, dass die Geduld der Menschen aufgebrauc­ht ist.

Dennoch ist es unverantwo­rtlich und egoistisch, gerade jetzt wieder Partys zu feiern und sich dafür bejubeln zu lassen. Solche Leute sorgen dafür, dass die Rückkehr zur wirklichen Normalität weiter nach hinten geschoben werden könnte, wenn die Infizierte­nzahlen weiter steigen. Und wie würden diejenigen wohl reagieren, die sich jetzt über die Kontrollen der Polizei aufregen, wenn sie künftig die Beamten wegen einer Ruhestörun­g rufen – und die nicht kommen, weil sie ja angeblich Wichtigere­s zu tun hätten?

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