Mittelschwaebische Nachrichten
Endspiel um Olympia
Das Team von Trainer Gislason erkämpft in letzter Minute ein Unentschieden gegen Schweden. Am Wochenende fällt die Entscheidung über das Tokio-Ticket
Marcel Schiller lag nach seinem Tor noch mit schmerzverzerrtem Gesicht im gegnerischen Kreis, als die letzten Sekunden liefen. Doch wenig später war Schluss – und er plötzlich der gefeierte Mann. Kurz vor dem Abpfiff hatte der Linksaußen von Frisch Auf Göppingen der deutschen Handball-Nationalmannschaft mit seinem Treffer das 25:25 (14:13) gegen Schweden gerettet, was der Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason im Qualifikationsturnier um die OlympiaTeilnahme weiterhin alle Chancen lässt. „Wir haben es in der eigenen Hand“, sagte Torwart Johannes Bitter nach einem packenden Duell in Berlin, das nur noch wegen ihm zu einem Krimi wurde.
In der Schlussphase rettete der Schlussmann mehrfach spektakulär und sorgte dafür, dass das DHBTeam nach einem 19:23 (48.)-Rückstand noch einen Punkt holte. Doch unter dem Strich verloren die Deutschen das Torwartduell eindeutig, Bitter und Silvio Heinevetter kamen zusammen auf acht Paraden. Andreas Palicka vom Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen parierte zwischen den schwedischen Pfosten unglaubliche 14 Würfe – und sorgte auch dafür, dass sein Klubkollege Uwe Gensheimer Mitte des zweiten Durchgangs nach drei ausgelassenen Chancen ausgewechselt wurde. Der Kapitän blieb erneut unter seinen Möglichkeiten, für ihn kam Schiller – was sich schließlich auszahlte. „Wir sind glücklich, dass wir diesen einen Punkt nach diesem Spielverlauf geholt haben. Aber das Unentschieden ist nicht unverdient“, sagte der Retter aus Göppingen, der sich nicht als Matchwinner sah: „Ich muss das Tor werfen. Viel wichtiger waren die Abwehraktionen davor.“
Mit einem Erfolg am Samstag (15.35 Uhr) über Slowenien würde der Europameister von 2016 einen sehr großen Schritt in Richtung Tokio machen. Doch DHB-Vize Bob Hanning weiß, dass die Begegnung gegen den WM-Vierten erneut eine große Bewährungs-, Belastungsund wegen ihres Endspielcharakters auch zur Nervenprobe wird: „Wir brauchen da eine Leistungssteigerung. Aber wir leben noch und können uns mit zwei Siegen für Olympia qualifizieren. Den vermeintlich stärksten Gegner haben wir hinter uns. Aber auch Slowenien wird ein Hammer.“Die Slowenen starteten in die Ausscheidung mit einem lockeren 36:28 gegen Afrikavertreter Algerien, der am Sonntag letzter deutscher Gegner ist.
Bundestrainer Alfred Gislason bewundert den nächsten Gegner gar: „Das ist eine sehr spielstarke Mannschaft.“Übrigens genauso wie die Schweden, die sich am Freitag in der Max-Schmeling-Halle auch von einem zwischenzeitlichen Drei-Tore-Rückstand (8:11/18.) keinesfalls aus der Ruhe bringen ließen und mit der Überzeugung eines Vizeweltmeisters spielten. „Sie haben einen unglaublich souveränen Spielstil und können einen zermürben“, erkannte Kreisläufer Hendrik Pekeler die Nehmerqualitäten der Skandinavier an. Deutschlands Handballer des Jahres sprach von „Glück“und „Moral“, was zusammen noch den einen Punkt gebracht habe. Doch auf Topniveau wird das selten reichen. Vielleicht schon gegen Slowenien nicht. Dann wird der diesmal unberücksichtigte Schlussmann Andreas Wolff zwischen den Pfosten stehen, wie Gislason bereits ankündigte: „Das war von Anfang an so abgesprochen.“
Möglicherweise wird er seiner Mannschaft von Beginn mehr helfen können als Bitter, der in der ersten Halbzeit nur auf drei abgewehrte Bälle kam. Dass die Deutschen aber trotzdem führten, lag an ihrem zu Beginn guten Angriffsspiel und dem perfekten Start in die Begegnung. Schnell legte die DHB-Auswahl ein 4:2 (7.) vor, sie war aus dem Gegenstoß und der zweiten Welle erfolgreich. Kurzum: Sie kam in ihr bevorzugtes Gegenstoßspiel.
Bitter sprach von verloren gegangener Lockerheit, Bundestrainer Gislason wurde konkreter: „Wir haben uns Würfe genommen in Situationen, in denen es keine Berechtigung dafür gab.“