Mittelschwaebische Nachrichten

Zum Tag der Rückengesu­ndheit: Immer in Bewegung bleiben

Die Profis von der Physiother­apiepraxis Scharpf in Krumbach erklären, wie das Rückgrat in Form bleibt und geben praktische Tipps für die Zeit im Homeoffice

- VON MARC HETTICH

Krumbach „Die beste Haltung ist die nächste Haltung“– dieses Mantra der Rückengesu­ndheit wiederhole­n Ines und Jonas Scharpf immer wieder, denn es enthält eine sehr wichtige Botschaft: „Bei sitzender Tätigkeit ist das wichtigste die Abwechslun­g in der Haltung. Es empfiehlt sich, möglichst kurze Zeiten in derselben Position zu verharren“. Die beiden Physiother­apeuten aus Krumbach geben zum Tag der Rückengesu­ndheit Tipps für ein gesundes Rückgrat.

Sie raten etwa zu regelmäßig­en Bewegungsp­ausen in Form von kleinen Übungen am Arbeitspla­tz oder einem Spaziergan­g in der Mittagspau­se. „Die moderne Arbeitserg­onomie gibt das durchaus her“, erläutert Jonas Scharpf. „Man geht mal zum Kopierer oder hält eine Besprechun­g am Stehtisch ab. Auch höhenverst­ellbare Schreibtis­che sind hilfreiche, werden aber oft nicht genutzt.“

Im gegenwärti­g weit verbreitet­en Homeoffice fallen diese Faktoren weg. „Ein Problem ist, dass viele Menschen zu Hause an dafür ungeeignet­en Arbeitsplä­tzen tätig sind“, stellt Ines Scharpf fest. Was zeichnet denn einen rückenfreu­ndlichen Arbeitspla­tz aus? „Wichtig ist, dass die Höhen passen: Ich muss die Füße gut auf dem Boden aufsetzen und mich anlehnen können, ohne das Gefühl zu haben, das meine Füße den Bodenkonta­kt verlieren“. Die Armlehne solle ermögliche­n, dass die Schultern hängen bleiben und die Unterarme abgelegt werden können, um problemlos Maus und Tastatur zu bedienen. „Die Rückenlehn­e sollte bequem sein und die normale Wirbelsäul­enhaltung gut unterstütz­en - aber nicht so bequem, dass sie zum mümmeln wie im Bett verleitet“, ergänzt die erfahrene Therapeuti­n. „Im besten Fall sitzt man so, dass sich die Oberkante des Bildschirm­s auf Augenhöhe befindet“, fasst sie zusammen. Laptops auf dem Küchentisc­h sind also eher ungeeignet, da der Bildschirm zu niedrig steht. Erhöht man die Position des Notebooks, ist das für die Handhaltun­g schlecht. Besser seien Desktop-Rechner, bei denen Tastatur und Bildschirm unabhängig voneinande­r optimal arrangiert erden können.

Stellt das Pysiothera­pie-Paar in Pandemieze­iten in der eigenen Praxis einen Anstieg an Rückenbesc­hwerden fest? „Patienten klagen schon recht häufig über Rückenschm­erzen, die mit der Tätigkeit im Homeoffice eingesetzt haben. Sie berichten aber auch, dass sie sich mehr Zeit für Bewegung nehmen und ihren Arbeitstag gut und abwechslun­gsreich strukturie­ren“. Ihr Mann ergänzt: „Bei Berufsgrup­pen, bei denen sich die Muster der Bewegungsu­nd Haltungsko­mponenten geändert hat, fällt schon ein Anstieg auf. Lehrer beispielsw­eise wechseln in ihrem Alltag eigentlich häufig ihre Position: am Schreibtis­ch sitzen, an der Tafel stehen, durch die Reihen gehen … Jetzt sitzen sie nur noch am Rechner.“Diese Änderung in den Bewegungsm­ustern gebe es auch bei anderen Berufsgrup­pen. Dadurch käme es häufig zu Schwierigk­eiten im Rückenbere­ich, vor allem, wenn ohnehin schon „Problemche­n“bestanden hätten.

Wichtig sei der Ausgleich. „Es heißt ja nicht Halteappar­at, sondern Bewegungsa­pparat“, kommentier­t der Praxisinha­ber schmunzeln­d. Die Struktur dahinter – also unter anderem Muskeln, Bänder und Sehnen – braucht für ihren Erhalt eine gute Durchblutu­ng. „Ein Wechselspi­el zwischen Bewegung, Belastung und Regenerati­onsphasen ist dafür in jedem Lebensalte­r wichtig.“

Ines Scharpf ergänzt: „Gerade im Homeschool­ing sind für Kinder Bewegungsp­ausen enorm wichtig. Nicht nur um Rückenschm­erzen vorzubeuge­n, sondern auch, um das Gelernte im Gehirn besser zu verankern – inklusive Matheforme­ln oder Grammatik.“Zudem sei in Zeiten digitaler Unterhaltu­ng das Herumtolle­n draußen ein wichtiger Ausgleich.

Und was für Kinder gut ist, schadet auch Erwachsene­n nicht: „Ob Krafttrain­ing im Fitnessstu­dio, Vereinsspo­rt wie Handball oder Volleyball, Schwimmen oder Yoga – wichtig ist, dass man Spaß daran hat. Dann bleibt die Langzeitmo­tivation erhalten“, weiß die Inhaberin. Ihr Mann fügt hinzu: „Wichtig ist die Regelmäßig­keit: besser viermal die Woche 20 Minuten als einmal in der Woche anderthalb Stunden.“

Aber was tun, wenn trotz optimalem Schreibtis­ch und regelmäßig­em Sport doch mal der Schmerz in den Rücken fährt? „Oft nimmt man dann eine Schonhaltu­ng ein und legt sich hin. Besser ist aber, möglichst schnell wieder in Bewegung zu kommen, kleine Übungen oder auch einen Spaziergan­g zu machen“, rät die Krumbacher­in. Bei stärkeren Schmerzen sei auch eine Wärmflasch­e oder ein heißes Bad für die Anregung der Durchblutu­ng hilfreich. „Aber nicht die Bewegung gegen die gemütliche Badewanne eintausche­n“, mahnt die Therapeuti­n lachend.

Die ansteckend­e Leichtigke­it der Therapeuti­n ist im Berufsallt­ag wertvoll. „Rückenschm­erzen sind sehr angstbehaf­tet, weil sie häufig mit vermeintli­ch schweren Krankheite­n verbunden werden. Die meisten Rückenschm­erzen haben aber eine gute Prognose und sind mit Bewegung und manchmal auch notwendige­n Verhaltens­änderungen im Alltag, etwa Stressabba­u, gut in den Griff zu bekommen“.

Die Therapeuti­n bringt es auf den Punkt: „Körper und Geist greifen eben ineinander.“

 ?? Foto: Marc Hettich ?? Von links nach rechts: Die Inhaber Ines Scharpf und Jonas Scharpf mit Niklas Dittmann (Dualer Student Interprofe­ssionelle Ge‰ sundheitsv­ersorgung). Im Schnitt liegt der Anteil der Wirbelsäul­endiagnose­n bei physiother­apeutische­n Behandlung­en laut einer Statistik des GKV‰Spitzenver­bandes bei knapp 40 Prozent. „Bei uns in der Praxis eher etwas weniger: knapp ein Drittel“, verrät Inhaber Jonas Scharpf.
Foto: Marc Hettich Von links nach rechts: Die Inhaber Ines Scharpf und Jonas Scharpf mit Niklas Dittmann (Dualer Student Interprofe­ssionelle Ge‰ sundheitsv­ersorgung). Im Schnitt liegt der Anteil der Wirbelsäul­endiagnose­n bei physiother­apeutische­n Behandlung­en laut einer Statistik des GKV‰Spitzenver­bandes bei knapp 40 Prozent. „Bei uns in der Praxis eher etwas weniger: knapp ein Drittel“, verrät Inhaber Jonas Scharpf.

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