Mittelschwaebische Nachrichten
Wanzl stellt sich in Leipheim neu auf
Werk 4 wird zum Montage- und Logistikstandort für die Unternehmensgruppe. Warum dies geschieht und was es für die Mitarbeiter der Firma bedeutet
Leipheim/Kirchheim Bilder haben die Eigenschaft, dass sie sich einprägen, im Kopf festsetzen können, wenn man sie nur oft genug wiederholt. Und so ist das Leipheimer Unternehmen Wanzl stets mit dem Etikett „weltgrößter Einkaufswagenhersteller“versehen. Eine Zuschreibung, die den Verantwortlichen durchaus gefällt. Doch in der Lebensmittel-Einkaufswelt von morgen haben die Einkaufswagen nicht mehr die Bedeutung, die ihnen vielleicht jetzt noch zugemessen wird. Zur Wahrheit gehört, dass Wanzl gerade mal noch ein gutes Drittel seines Umsatzes aus der Produktion dieser rollenden Kunststoff- und Metalltransporter generiert.
Die Digitalisierung hat längst die Branche ergriffen. Aus der 1947 von Rudolf Wanzl senior und junior in Leipheim gegründeten Werkstätte für Waagenbau und Reparaturdienste ist ein international agierender Konzern geworden, dessen Größe nicht immer von Vorteil sein muss.
So kommt es ab und an vor, dass Mitbewerber der Unternehmensgruppe Aufträge von bis dahin treuen Wanzl-Kunden wegschnappen. Das ist für die Verantwortlichen im Management ärgerlich genug. Alarmierend wird es, wenn die fixe Konkurrenz der etablierten Firma zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt ist. „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und verbessern“, sagt Markus Bergmann, Geschäftsführer für die Bereiche Finanzen, IT und Personal.
Wachstum fällt auch dem Unternehmen – mit Werken unter anderem in Leipheim und in Kirchheim – nicht mehr in den Schoß.
Einschneidende Veränderungen machen die Verantwortlichen vor allem an folgenden Beobachtungen fest: Das Einkaufsverhalten der Gesellschaft hat sich grundlegend verändert: Der Online-Einkauf nimmt rasant zu, stationäre „Einkaufswelten“müssen begeistern. Einkaufen möglichst 24 Stunden und das sieben Tage in der Woche rückt mehr und mehr in den Fokus. Der Handel verlangt aufwendige Komplettlösungen und setzt zusehends auf digitale Geschäftsmodelle. In Standardprodukte wie Verkaufstische und Einkaufswagen investieren die
Kunden nicht mehr so viel Geld. Die Qualität von Produkten aus Niedriglohnländern werde als ausreichend erachtet.
Auf diesen tief greifenden Wandel reagiert Wanzl mit einem Transformationsprozess. „Ob offline im Markt oder online im Netz: Beratung für die jeweiligen Bedürfnisse unserer Kunden, individuelle Produktinnovationen, Gesamtlösungspakete aus einer Hand, Installation vor Ort und Service in der Nachbetreuung – das ist unsere Zukunft. Man darf sich nicht darauf ausruhen, Marktführer bei Einkaufswagen zu sein“, sagt Harald Dörenbach. Er verantwortet seit acht Jahren die Felder Produktion, Entwicklung und Qualitätsmanagement.
Der „neue Wanzl“soll mithilfe einer, wie es im Management genannt wird, „Vorwärtsstrategie“entstehen. Sie zielt unter anderem auf die Mitarbeiter ab – eine internationalisierte Ausrichtung bei der Personalgewinnung, mehr Seminare und Schulungen für die Belegschaft, neue Ausbildungsrichtungen, um zukunftsorientierte Berufe zu entwickeln.
Neu aufstellen müssen sich auch die Wanzl-Werke 3 (Kirchheim) und 4 (Leipheim). In beiden Werken werden Aufgabenfelder konzentriert. „Es sollen nicht mehr alle alles machen“, bringt es Bergmann auf den Punkt. So wird die komplette Fertigung beider Werke nach Kirchheim verlagert. Dafür wird die Produktionsstätte in Leipheim zum Montageund Logistikstandort ausgebaut. Mit dem Betriebsrat befinde man sich im Gespräch – auch um den „Mehraufwand“von Mitarbeitern, sofern sie beispielsweise längere Anfahrtswege haben, abfedern zu können. „Momentan sind wir in der Informationsphase. In konkrete Verhandlungen werden wir noch eintreten“, sagt Geschäftsführer Bergmann, der weiß, dass alte Gewohnheiten aufgebrochen werden. „Wir handeln jetzt. Wir sind heute ein erfolgreiches Unternehmen und können die Veränderungen selbst gestalten.“Nach seiner Einschätzung würde Wanzl sonst „vom Markt her verändert werden“.
In drei Mitarbeiterinformationen im November, Januar und in dieser Woche wurde die Belegschaft über diese geplanten Entwicklungen informiert. Die Geschäftsführer betonen ihr Ziel, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Gleichwohl wird die Anzahl der Arbeitsplätze reduziert durch „natürliche Fluktuation“: Frei gewordene Stellen etwa von Mitarbeitern, die in den Ruhestand gehen, werden nicht wiederbesetzt. Außerdem soll der Leiharbeiteranteil, der nach Angaben der Geschäftsleitung zwischen zehn und 15 Prozent liegt, vermindert werden. Über den Umfang des Stellenabbaus hat die Firma keine Angaben gemacht – und eine Jobgarantie gibt es nicht. „In der heutigen Zeit bestehen immer Unsicherheiten, so wie zum Beispiel Corona das Einkaufsverhalten beeinflusst“, heißt es.
Klaus Meier-Kortwig, der Vorsitzende der Geschäftsführung, ist überzeugt von diesem Weg: 2015 seien mit dem Masterplan „Wanzl 2020“die Weichen für eine positive Zukunft gestellt worden. Als einer der ganz wenigen in der Branche erziele Wanzl organisches Wachstum – und die gesamte Organisation sei deutlich zukunftsfähiger aufgestellt. Der neue Plan „Wanzl 2025“baue nun darauf auf und „ist die logische Fortführung“.