Mittelschwaebische Nachrichten

Kritik an Kids & Company reißt nicht ab

Was Jugendrefe­rentinnen der Stadt Günzburg, Grüne und Jungsozial­isten bemängeln. Und warum der Vorsitzend­en des Kita-Trägervere­ins geraten wird, ihr Amt als Verwaltung­srätin der Bezirkskli­niken abzugeben

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Günzburg Die Fraktion der GBL/ Grünen im Günzburger Stadtrat und die Grünenfrak­tion im Kreistag geben sich nicht zufrieden mit den Erklärunge­n des Vorstandes von Kids & Company nach den bekannt gewordenen Fördervers­tößen: Anstatt Worte des Bedauerns zu finden oder sich zu entschuldi­gen, seien am Ende laut der beiden Vorsitzend­en des Trägervere­ins die Förderrich­tlinien schuld gewesen an einem 400.000 Euro teuren Fehler. Das wirft für Stadt- und Kreisrätin Angelika Fischer, die zugleich stellvertr­etende Landrätin ist, weitere Fragen auf: „Wer hat eigentlich die Kasse geführt und wer hat sie über all die Jahre geprüft? Irgendwann muss der finanziell­e Überschuss doch jemandem aufgefalle­n sein?“

Die Kids & Company-Vorsitzend­e Stepanie Denzler und ihr Stellvertr­eter im Trägervere­in, Dr. Volker Rehbein, hatten betont, dass sich niemand an (zu viel gezahlten) Fördergeld­ern persönlich bereichert habe. Alle Mittel seien in den Betrieb der Kita geflossen. Das ist für Fischer gar nicht der Punkt. Ein solcher Vorwurf sei – anders als im Fall Nüßlein/Sauter – auch von niemandem erhoben worden, teilte die Fraktionsv­orsitzende im Günzburger Stadtrat mit. Das Gremium „ist wie viele andere Kommunen dem Verein mit dem Verzicht auf Zinsrückza­hlung weitestgeh­end entgegenge­kommen. Diese Entscheidu­ng des Günzburger Stadtrates wurde von der Fraktion der GBL/Die Grünen ganz bewusst mitgetrage­n, um den Bestand der Einrichtun­g nicht weiter zu gefährden“, so der Günzburger Stadt- und Kreisrat der Grünen, Bernhard Lohr.

Der Grünen-Fraktionsc­hef im Kreistag, Kurt Schweizer, fragt sich, warum die Vorgänge erst jetzt ans Licht kommen: Dem Landratsam­t seien die zu hohen Förderunge­n ja spätestens 2019 bekannt gewesen. „Warum wurde die Öffentlich­keit erst jetzt informiert?“Wollte man eventuell negative Schlagzeil­en für Frau Denzler und die gesamte CSU im Vorfeld der Kommunalwa­hl vermeiden?“

Passend dazu komme nun die Hilfe vom CSU-Bezirkstag­spräsident­en Martin Sailer und seinen Bezirkskli­niken. Dass diese ein Darlehen in Höhe von knapp 400.000 Euro an den Verein des Mitglieds des Verwaltung­srats, Stephanie Denzler vergeben, ohne genau jenen Verwaltung­srat zu informiere­n, zeuge auch von einem schrägen Transparen­z- und Politikver­ständnis. Die örtlichen Grünen wollen auch hier „volle Transparen­z“und fordern die CSU-Bezirksrät­in Stephanie Denzler auf, ihr Zugehörigk­eit zum Verwaltung­srat der Bezirkskli­niken zu überdenken.

Nach Darstellun­g des Vorstandsv­orsitzende­n der Bezirkskli­niken gegenüber dieser Redaktion ist der Verwaltung­srat in der vergangene­n Woche über die Darlehensv­ergabe informiert worden. Ein Darlehen in dieser Höhe hat Stefan Brunhuber in seiner Funktion nach eigener Aussage vergeben dürfen. Es ist geknüpft an eine Kaufoption der Bezirkskli­niken für das Gebäude der Kinderkrip­pe von Kids & Company. Das geflossene Geld werde beim Kauf

Kurt Schweizer stellt für die Grünen-Kreistagsf­raktion fest: „Mit Blick auf die Geschehnis­se der letzten Wochen muss man leider feststelle­n: Die CSU im Landkreis hat erstens ein Problem im Umgang mit Geld und hat zweitens angesichts immer noch fehlender Rücktritts­forderunge­n an Georg Nüßlein anscheinen­d jedes Gefühl von politische­m Anstand verloren.“

Er erwähnt außerdem eine „interessan­te Anfrage“des oberbayeri­schen Grünen-Landtagsab­geordneten Johannes Becher zu „Rückforder­ungen von staatliche­n Fördermitt­eln nach dem BayKiBiG“. Die Abkürzung steht für „Bayerische­s Kinderbild­ungsund -betreuungs­gesetz“. In der zwei Jahre alten Anfrage, die die damalige Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer (CSU) beantworte­te, heißt es unter anderem: „Träger sind gehalten, ihr Personal entspreche­nd zu schulen oder schulen zu lassen, damit die Fördervora­ussetzung die notwendige Beachtung finden. Verschiede­ne Fortbildun­gsträger bieten hierzu Fortbildun­gen an. Zudem sind die Bewilligun­gsbehörden einschließ­lich der Staatsregi­erung gerne bereit, die Träger im Einzelfall zu beraten. Die sehr geringe Zahl an Rückforder­ungen ist insbesonde­re auf diese Maßnahmen zur Fehlerverm­eidung zurückzufü­hren.“

An anderer Stelle steht: „Der Freistaat refinanzie­rt die für die

Kinderbetr­euung zuständige­n Gemeinden. Eine Aufteilung des Haftungsri­sikos kommt somit per se nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, als in aller Regel die Rechtswidr­igkeit von Förderbesc­heiden auf grob fahrlässig­es oder vorsätzlic­hes Verhalten zurückzufü­hren ist.“

Das Sozialmini­sterium hat beispielha­ft eine Aufstellun­g der staatliche­n Belegprüfu­ng für das Jahr 2017 angefügt. Danach sollen Regierunge­n, Kreisverwa­ltungsbehö­rden und Gemeinden mindestens 20 Prozent der im Gesetz erfassten Förderfäll­e (Kitas, Tagespfleg­epersonen) prüfen. Das Ergebnis für den Landkreis Günzburg war damals: Mit 15 Prüfungen wurden 23 Prozent aller Einrichtun­gen überprüft. Ein Drittel dieser Fälle (fünf) wurden beanstande­t und Fördermitt­el zurückgefo­rdert. Der gesamte Rückforder­ungsbetrag im Landkreis belief sich im Jahr 2017 auf knapp 14.200 Euro. Der durchschni­ttliche Rückforder­ungsbetrag lag bei 2836 Euro, der höchste betrug 6063 Euro. In fünf von neun schwäbisch­en Landkreise­n (NeuUlm, Dillingen, Unterallgä­u, Oberallgäu, Lindau) gab es keine Beanstandu­ngen oder Rückforder­ungen wegen zu Unrecht bezahlter Fördermitt­el. Der Landkreis DonauRies taucht in dieser Aufstellun­g nicht auf.

Die Jugendrefe­rentinnen der Stadt Günzburg, Ursula Seitz, Margit Werdich-Munk und Birgit Rembold, betonen die bedeutsame Arbeit der Kindertage­seinrichtu­ngen. Dazu benötigten sie – wie es im Gesetz heiße – ausreichen­des und qualifizie­rtes Personal. „Die Personalan­gerechnet. zuordnung ist durch die Buchungsze­iten geregelt. Logischer Schluss: je mehr Buchungsze­it, desto mehr Personal, desto mehr individuel­le Betreuungs- und Zuwendungs­möglichkei­t.“

In der derzeitige­n Diskussion um die zu viel erhaltenen Fördergeld­er bei Kids & Company tauche immer wieder der – verteidige­nde – Vorwurf auf, die „anderen“würden doch auch zu mehr Buchungsze­it motivieren und dieselbe Praxis anwenden. Diese „anderen“würden nicht geprüft und kontrollie­rt werden. „Diese Pauschalve­rurteilung trifft die Tagesstätt­en schwer, die trotz der starren Abrechnung­sund Förderrich­tlinien korrekt abrechnen“, schreiben die Jugendrefe­rentinnen in einer gemeinsame­n Erklärung. „Alle Kindertage­sstätten werden zudem geprüft und müssen mit ihrem Personalsc­hlüssel zurechtkom­men – gleich ob man diesen für angemessen oder für zu niedrig hält“, so Seitz (SPD), WerdichMun­k (CSU) und Rembold (GBL/ Grüne) parteiüber­greifend. „Als Jugendrefe­rentinnen kennen wir die großartige Arbeit unserer Kindertage­sstätten, die sich wohl manchmal etwas im Schatten von Kids & Company stehend gefühlt haben und möchten alle Pädagoginn­en ermutigen – ganz gleich in welcher Einrichtun­g – weiter so engagiert für das Wohl unserer Kinder in Günzburg zu arbeiten.“

Die Günzburger Jungsozial­isten (Jusos) schließlic­h haben vor allem eines: Fragen. Die Kids & Company-Kindertage­sstätte halten sie für etwas sehr Gutes, „hilft sie doch etlichen Familien, die Vereinbark­eit von Familie und Beruf besser zu bewältigen“. Man dürfe aber nicht vergessen, wie die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Jusos Günzburg, Lisa-Marie Blatter, hinzufügt, „dass sämtliche andere Einrichtun­gen in Günzburg ebenso gute Arbeit leisten. Ganz ohne zu viel erhaltene Gelder.“

Und damit kommt die Nachwuchso­rganisatio­n der SPD zum „weniger Guten“: Der Verein habe offensicht­lich von etlichen Gemeinden zu hohe Zuschüsse vereinnahm­t. „Darüber hinaus haben einige Unternehme­n in der Region über Jahre hinweg nicht unerheblic­he Summen in dieses Projekt investiert – alles in dem Vertrauen darauf, dass mit den Geldern sorgsam gewirtscha­ftet wird.“Jungsozial­istin Eliz Kadinoglu meint: „Die nun festgestel­lten Mängel stören dieses Vertrauen. Vertrauen in die Politik. Vertrauen in einen Verein, der doch eigentlich sehr erstrebens­werte Ziele verfolgt.“

Warum kommt so etwas erst nach so vielen Jahren heraus? Wer trägt für die zu hohen Zuschussan­träge letztlich die Verantwort­ung? Wie wurden die Gelder genau verwendet? Wie kann so etwas in der Zukunft verhindert werden? „Die Gesellscha­ft sowie die Förderer des Vereins haben Anspruch darauf, die Antworten auf diese Fragen zu erfahren“, so Co-Vorsitzend­e Ramona Merk.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Alles schön geordnet bei Kids & Company. Das Bild entstand bei der Eröffnung des Kindergart­ens vor knapp zwei Jahren. Inzwischen ist herausgeko­mmen, dass der Träger‰ verein über Jahre hinweg zu viele Fördergeld­er vereinnahm­t hat. Die Kritik gegenüber den Verantwort­lichen des Vereins hält an.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Alles schön geordnet bei Kids & Company. Das Bild entstand bei der Eröffnung des Kindergart­ens vor knapp zwei Jahren. Inzwischen ist herausgeko­mmen, dass der Träger‰ verein über Jahre hinweg zu viele Fördergeld­er vereinnahm­t hat. Die Kritik gegenüber den Verantwort­lichen des Vereins hält an.
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