Mittelschwaebische Nachrichten
Die Notbremse wird aktiviert
Vor der Sitzung der Länderchefs mit der Kanzlerin gibt es kaum Zweifel am strengen Lockdown, aber Streit um Schulen und Urlaub
Berlin/München Das Coronavirus treibt die Ministerpräsidenten der Bundesländer und die Bundeskanzlerin erneut zu schmerzhaften Entscheidungen. Vor ihrer Runde an diesem Montag deutet vieles darauf hin, dass die Regierungschefs ihren vor drei Wochen beschlossenen Corona-Plan zerreißen müssen. Das Virus hat sie überholt.
Der Plan hatte vorgesehen, dass bei Inzidenzwerten zwischen 50 und 100 die Terrasse von Cafés und der Freisitz von Wirtshäusern für Gäste mit aktuellem Schnelltest öffnen dürfen. Gleiches galt für Kinos, Theater und die Opernhäuser. Doch davon entfernt sich Deutschland mit wenigen Ausnahmen immer mehr. Selbst die Bundesländer, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz noch unter dem Wert von 100 Neuangesteckten liegt, sind vorsichtig und wollen den bisherigen Spielraum nicht voll ausschöpfen.
„Angesichts der durch die Covid19-Varianten beschleunigten Infektionsdynamik braucht es weiterhin konsequente Maßnahmen“, heißt es in einer ersten Beschlussvorlage für die Beratung. Das Dokument liegt unserer Redaktion vor. Das Datum blieb zunächst offen, in einer zweiten Fassung wird nun der 18. April vorgeschlagen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) drängt seine Amtskollegen vor dem Treffen, dass die beschlossene Notbremse bei einem Inzidenzwert von 100 in den betroffenen Städten und Kreisen tatsächlich gezogen wird. Das hieße, dass Geschäfte wieder schließen müssen und nur noch Treffen mit einer Person, die nicht zum Haushalt gehört, erlaubt sind. Sachsen-Anhalts Landeschef Reiner Haseloff (CDU) hat sich hingegen dagegen positioniert und hält Öffnungsschritte trotzdem für denkbar. Die Nordländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern halten sich Hintertüren offen. An den Küsten haben Hoteliers, Vermieter und Wirte den Osterurlaub noch nicht abgeschrieben. Sie liebäugeln mit der Freigabe von Ferienwohnungen. Der Entwurf aus dem Kanzleramt enthält zumindest einen Passus zum „kontaktarmen“Reisen, bei dem sich die Urlauber selbst versorgen.
Söder verlangte für die Entscheidung eine Prognose über die Infektionszahlen durch das Robert-KochInstitut. Das RKI soll zugleich abschätzen, wie hoch die Infektionsgefahr in Ferienwohnungen und Ferienhäusern ist. Der CSU-Vorsitzende forderte außerdem verpflichtende Tests und eine obligatorische
Quarantäne für Reiserückkehrer aus dem Ausland. Beide Punkte finden sich auch in der Beschlussvorlage für die Ministerpräsidentenkonferenz. Darin angemerkt ist auch ein Sonderprogramm des Bundes für Gastronomie und Tourismus für den Fall, dass Hotels und Gaststätten über Ostern geschlossen bleiben.
Der zweite Knackpunkt liegt bei Schulen und Kindergärten. Zuletzt steckten sich vermehrt Kinder und Jugendliche mit dem Erreger an. In Bayern schließen Kindergärten und Schulen, wenn in einer Region der 100er Warnwert überschritten ist. Die Erfahrungen aus der zweiten Welle lehren, dass es mehrere Wochen dauert, um den Erreger wieder in den Griff zu bekommen. Familien müssen sich darauf einstellen, dass Kitas und Schulen auch nach den Osterferien geschlossen bleiben. „Wie im Grunde seit einem Jahr haben wir einen Mix von Präsenz-, Wechsel- und Distanzunterricht“, sagte Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) unserer Redaktion. Er geht davon aus, „dass in der aktuellen Situation sich dieser Trend fortsetzen wird“. NordrheinWestfalen will es anders handhaben als der Freistaat. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lehnt Schulschließungen ab und will sie so lange wie möglich vermeiden. „Wenn wir öffnen, als Erstes bei den Schulen, und wenn wir schließen, als Letztes bei den Schulen“, so Laschet.
Das Kanzleramt bringt auch für Schulen und Kitas eine „Notbremse“in Gespräch: Wenn zwei CoronaTests pro Woche nicht sichergestellt seien oder die Inzidenz über 200 steigt, müsste geschlossen werden.