Mittelschwaebische Nachrichten
Damit es zu Hause schön gemütlich wird
Hintergrund In der Corona-Krise wird die Küche zum Wohlfühlort. Deutsche Hersteller wie BSH und Miele verzeichnen deshalb Rekordumsätze. Gerade in Deutschland und China laufen die Geschäfte gut. Das soll so bleiben
Dillingen/Gütersloh Cocooning war längst vor Corona ein Trend. Menschen igeln sich ein, werden zu Stubenhockern, die kochen, basteln, lesen, Spiele-Abende veranstalten, Filme streamen und im Garten werkeln. In der neuen und doch schon alten Heimeligkeit bleibt die böse politische Welt draußen. Was vor der Pandemie einem freiwilligen, ja freudigen Rückzug ins Private glich, wurde mit dem Corona-Ausbruch für viele zum traurigen Zwang.
Dabei stammt der Begriff Cocooning aus dem Englischen und beschreibt ursprünglich den Vorgang, wenn sich Insekten verpuppen. Dass sich Menschen massenhaft in den eigenen vier Wänden verkriechen müssen, hat ihr Leben zum Teil radikal verändert: Viele kochen notgedrungen mehr, ja manche haben erst damit angefangen, sich Mahlzeiten selbst zuzubereiten. Das schärft den Blick auf den häuslichen Maschinenpark. Da man sein Geld nicht mehr in Fernreisen und Restaurantbesuche investiert, werden neue Geräte für das perfekte Cocooning angeschafft. Davon profitiert die Haushaltsgerätebranche in hohem Maße. Der in Gütersloh sitzende deutsche Hersteller Miele blickt auf ein „herausragendes Jahr 2020“zurück. Dabei glichen diese zwölf Monate einer Achterbahnfahrt: Nach einem vielversprechenden Jahresauftakt brachen die Geschäfte von März bis Mai ein. Dann ging es steil nach oben. Der Konsumhunger vieler Verbraucher war enorm. Eine sensationelle zweite Jahreshälfte bescherte Miele erstmals einen Umsatz von 4,5 Milliarden Euro, ein Plus von 6,5 Prozent gegenüber 2019.
Wer mehr produziert, braucht auch mehr Mitarbeiter: Die Zahl der Beschäftigten bei Miele stieg um 466 auf knapp 21000. Gerade in Deutschland, Zentraleuropa und China waren die Premium-Produkte des Anbieters beliebt. Die Nachfrage nach Küchengeräten und Staubsaugern ist weiter überdurchschnittlich hoch. Kein Wunder: Wer mehr zu Hause ist, macht mehr ob am Boden oder in Form von benutztem Geschirr. Auch Kühl- und Gefrierschränke ließen sich im ersten Corona-Jahr bestens verkaufen. Damit sei der Mehrbedarf nach langfristiger und zuverlässiger Vorratshaltung gedeckt worden, stellen die Miele-Manager staubtrocken fest. Der CocooningTrend des Lebensmittel-Hortens ist vor allem in den USA ausgeprägt: Dort waren bisher schon XXLKühlkombinationen gefragt, nun wurden daraus vielfach XXXL-Geräte, wie Experten des in München sitzenden Herstellers BSH Hausgeräte beobachten. Das Unternehmen ist Marktführer in Europa und hieß früher, ehe Siemens Bosch komplett das Feld bei der Firma überlassen hat, BSH Bosch und Siemens Hausgeräte. Nach wie vor nutzt das zum Bosch-Konzern gehörende Unternehmen die Siemens-Markenrechte. Zur BSH-Welt gehören weitere bekannte Marken wie Gaggenau, Neff und Constructa. Auch für BSH war 2020 das umsatzstärkste Jahr in der über 50-jährigen Firmengeschichte. Die Erlöse stiegen um 5,3 Prozent auf 13,9 Milliarden Euro, was sich entsprechend auch in einem guten Ergebnis niederschlägt. Unternehmens-Chefin Carla Kriwet hat beobachtet, dass in Corona-Zeiten „die Küche zum Wohlfühlort geworden ist“. Zwischen Herd, Kühlschrank und Geschirrspüler fühlen sich Menschen sicherer als in der Welt draußen. Das ist ein globales Phänomen: BSH konnte in China als dort stärkster Hersteller mit ausländischen Wurzeln deutlich mehr Geschirrspüler und Wäschetrockner verkaufen, wobei nach wie vor nur ein überschaubarer Teil der Bevölkerung solche Geräte besitzt.
In China werden in Metropolen die Wohnungen immer kleiner, soDreck, dass BSH-Spezialisten Interessenten beraten, wie selbst auf engem Raum noch ein Geschirrspüler unterzubringen ist. Unter deutschen Homeoffice-Cocoonern stehen Kaffeevollautomaten, Küchenmaschinen und Mixer hoch im Kurs. Bei solchen Geräten hat BSH Umsatzsteigerungen von 20 bis 40 Prozent verzeichnet. Die Käufe von Geschirrspülern und Backöfen zogen hierzulande um fünf bis zehn Prozent an. Das verwundert nicht, verfügen doch viel mehr Deutsche über solche Geräte als Chinesen. BSH-Chefin Carla Kriwet glaubt an eine Fortsetzung der Erfolgsstory auch im zweiten Corona-Jahr: „Wer einmal angefangen hat, mehr zu kochen und zu backen, hört damit nicht auf.“Die erfreulichen Ergebnisse der ersten Monate dieses Jahres bestätigen die Managerin darin. Die positive Entwicklung wirkt sich auch bei BSH auf die Zahl der Beschäftigten aus, stieg der Wert doch um drei Prozent auf jetzt rund 60000 Mitarbeiter weltweit. Das soll so weitergehen.
Im schwäbischen BSH-Werk in Dillingen soll die Zahl der Beschäftigten mit rund 2700 stabil bleiben. Dort wurden 2019 noch 2,9 Millionen Geschirrspüler produziert, während es im vergangenen Jahr 2,7 Millionen waren. Trotz einer dreiwöchigen Unterbrechung gelang es, an den hohen Ausstoß von 2019 anzuknüpfen. Die Manager rechnen für dieses Jahr mit einer in etwa gleichbleibenden Produktionsmenge wie zuletzt. In diesem Jahr können die Beschäftigten in Dillingen die Fertigung des 75-millionsten Geschirrspülers feiern. Seit September 2020 stellt BSH eine neue Spüler-Baureihe her, die internetfähig ist. Mit neuen Technologien sollen auch heimische Verbraucher überzeugt werden, sich neue Geschirrspüler für ein noch perfekteres Cocooning anzuschaffen. Die BSHChefin ist überzeugt: „Wir werden als Hersteller nicht in ein Loch fallen.“Dabei beobachtet sie in Corona-Zeiten auch den Trend zu mehr Hygiene und Sauberkeit im Haushalt. Menschen waschen ihre Kleidung auf höheren Temperaturen. Firmen wie Miele und BSH werden weiter von der Krise profitieren.