Mittelschwaebische Nachrichten
Hausarzt wird AstraZenecaExperte
Jetzt sollen auch Fachärzte verstärkt in die Impfungen gegen Corona einsteigen. Und die Impfzentren müssen sich erneut umstellen. Wie Mediziner in der Region reagieren
München Nicht nur Hausärzte, auch Fachärzte sollen verstärkt gegen Corona impfen. Das sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Mittwoch nach der Sitzung des Kabinetts in München. Alle approbierten Ärzte bis hin zu den Zahnärzten sollen die Möglichkeit haben, gegen das Coronavirus zu impfen. Auch Betriebsärzte will die Regierung stärker einbinden.
Zudem kündigte Söder eine Ausnahme bei den Einreiseregeln für Geimpfte an: Wer beide Impfungen erhalten hat und ein negatives Corona-Testergebnis vorweisen kann, soll nach der Einreise nach Bayern nicht mehr in Quarantäne müssen.
Seit dem Impfstart in den Hausarztpraxen vergangene Woche seien fast 30000 Spritzen verabreicht worden. Insgesamt sind nach Angaben von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek bislang 2,531 Millionen Impfungen in Bayern durchgeführt worden. Der CSUPolitiker betonte: „Wir wollen nach wie vor schneller vorankommen.“Gleichzeitig musste er einräumen, dass bei dem Impfstoff-Hersteller Moderna ein Ausfall bei den Lieferungen droht. Sollte der Freistaat davon betroffen sein, würden im April 100000 angekündigte Impfdosen fehlen.
Dr. Jakob Berger impft schon fleißig in seiner Praxis in Herbertshofen im Landkreis Augsburg. Seine Warteliste ist lang. Und die Impfbereitschaft der Menschen seiner Beobachtung nach groß. Das größte Problem sei nach wie vor der Mangel an Impfstoff. Würde Berger mehr Impfstoff bekommen, würde er mehr zusätzliche Impfsprechstunden anbieten, auch am Wochenende. „Denn je schneller wir impfen, desto besser.“
Überrascht hat den schwäbischen Bezirksvorsitzenden im Bayerischen Hausärzteverband allerdings die Nachricht, dass ab dem 19. April Erstimpfungen mit AstraZeneca nur noch in Hausarztpraxen stattfinden sollen. Auch wenn der erfahrene Allgemeinarzt den exakten Grund für diese Entscheidung nicht kennt, denken kann er ihn sich: „Jetzt müssen wir Hausärzte ran“, sagt Berger. Nachdem der Verdacht aufkam, dass AstraZeneca bei jüngeren Menschen schwere Nebenwirkungen in Form von Hirnvenenthrombosen auslösen kann, ist die Verunsicherung bei diesem Vakzin extrem groß. Also ist es jetzt Aufgabe der Hausärzte, Aufklärungsarbeit zu leisten und Vertrauen zurückzugewinnen. „Sinn macht dies“, betont Berger, „denn wir kennen unsere Patientinnen und Patienten und wir genießen großes Vertrauen.“Doch er ergänzt: „Der Aufwand für uns Hausärzte ist groß, die Bezahlung nicht gerade übermäßig hoch, schließlich muss das Impfen neben dem normalen Praxisbetrieb organisiert werden.“Ob vor diesem Hintergrund sich viele Fachärzte fürs Impfen entscheiden, wie von der Bayerischen Staatsregierung gewünscht, bleibt nach Ansicht von Berger abzuwarten: „Viele Fachärzte werden davon nicht begeistert sein, weil der Aufwand eben sehr groß ist.“
Außerdem ist der Beratungsbedarf enorm. Das bestätigt auch eine Sprecherin des Landratsamtes Augsburg. Immer wieder rufen Bürgerinnen und Bürger an und erkundigten sich nach den Gefahren bei einer Impfung mit AstraZeneca. „Wir verweisen dann immer auf die
Hausärztinnen und Hausärzte.“Impfungen bei den unter 60-Jährigen mit AstraZeneca habe man in den Impfzentren zuletzt ausgesetzt. An bereits vereinbarten Terminen seien andere Impfstoffe verabreicht worden oder man habe die Termine verschoben.
Gregor Blumtritt ist Ärztlicher Leiter der Impfzentren Marktoberdorf und Kaufbeuren. Er weiß, wie viele Fragen rund ums Impfen die Menschen aktuell umtreiben und wie wichtig sachliche Information ist. Die neuerliche Entscheidung, AstraZeneca als Erstimpfung nur noch Hausärzten zu überantworten, hat ihn zwar überrascht, gleichwohl kann er sie wie sein Kollege Jakob Berger nachvollziehen. Aus den gleichen Gründen: „Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten und können das individuelle Risiko einschätzen.“Allerdings erinnert er daran, dass Hausärzte auch genügend Impfstoffe für Menschen unter 60 Jahren brauchen.
Blumtritt will nun erst einmal abwarten, ob alles so kommt wie jetzt angekündigt. Schließlich ändere sich schnell alles. Und gerade dieses ständige Fahren nur auf Sicht sei es, was die Lage für alle so anstrengend macht.
Die Verunsicherung bei den Menschen ist groß