Mittelschwaebische Nachrichten
Polizisten sind auch nur Menschen
Ssial@mittelschwaebischenachrichten.de
eien wir ehrlich! Nach dem Polizeieinsatz, bei dem in Krumbach ein offensichtlich geistig verwirrter 63-Jähriger schwer verletzt wurde, liegt es nahe zu sagen: Das hätte man auch anders lösen können. Tausende Menschen haben mittlerweile das Video von dem Einsatz gesehen. Eine große Boulevard-Zeitung ließ sich dazu hinreißen, ihren Bericht mit „Polizist schießt Bobby-Car-Angreifer nieder“zu überschreiben. Doch wer so denkt, der macht es sich nicht nur zu einfach. Er richtet auch Schaden damit an.
Schaut man sich nicht nur die letzte Minute des Videos an, die zeigt, wie die Situation eskaliert, muss man zu dem Schluss kommen: Die beiden Streifenpolizisten sind weder schießwütig, noch verhalten sie sich anderweitig unprofessionell. Sie folgen exakt polizeilichen Vorgaben für solche Situationen. Sie reden auf den Mann ein, fordern ihn mehrmals auf, seine „Waffe“, einen Schraubenzieher, wegzulegen, kündigen jeden ihrer nächsten Schritte mehrfach an, greifen erst zum Pfefferspray, geben dann Warnschüsse ab. Erst als der 63-Jährige den männlichen Beamten aktiv angreift, schießt er auf ihn. Und zwar so, dass er nicht lebensbedrohlich verletzt wurde.
Wer nun in den sozialen Netzwerken tönt, man hätte den Angreifer doch einfach überwältigen können, man sei dem Mann schließlich überlegen gewesen, hat wenig Ahnung von solchen Situationen. Die Taten von geistig verwirrten Menschen sind völlig unberechenbar. Als der Mann mit dem Schraubenzieher auf sie zustürmte, mussten die Beamten um ihre Gesundheit fürchten. Aus der Stimme des Polizisten ist deutlich die Angst herauszuhören. In so einer Situation sind auch Polizisten nur Menschen. Im Unterschied zu anderen greifen bei ihnen aber die in der Ausbildung eingeübten Automatismen. Und dazu gehört auch der Gebrauch der Dienstwaffe.
Eine ähnliche Situation hatte es für Krumbacher Polizisten bereits im Februar gegeben. Ein 27-Jähriger hatte am Oberegger Weiher mit einem Messer Passanten bedroht. Auch hier konnten die Beamten den Mann offenbar nur mit Waffengewalt stoppen. Auch hier steht beim Angreifer eine psychische Erkrankung im Raum. Der Aufschrei blieb aber aus. Denn diesen Einsatz hatte nur eine Handvoll Zeugen gesehen.
Dass der Nachbar, der den Vorfall in Krumbach filmte, das Video sofort ins Netz stellte, hat erst für die Eskalation gesorgt. Aus Polizeikreisen ist zu hören, dass die beiden Beamten, für die es zunächst ja nur nach einem Routineeinsatz ausgesehen hatte, massiv unter der Diskussion in den sozialen Medien leiden. Und ist dem Angreifer und seiner Familie geholfen, wenn Tausende fremde Menschen ihn im psychischen Ausnahmezustand sehen? Wohl kaum. Aus diesem Grund zeigen wir als Redaktion das Video auch nicht. Polizisten haben ebenso wie Täter und Opfer von Straftaten ein Recht auf den Schutz ihrer Persönlichkeit.
Und ob bei dem Einsatz alles mit rechten Dingen zugegangen ist, diese Beurteilung überlassen wir dann doch lieber den Profis selbst, und nicht den Alleswissern in den sogenannten sozialen Medien.