Mittelschwaebische Nachrichten

Solidaritä­t in Krisenzeit­en

Was der Deutsche Gewerkscha­ftsbund angesichts der Belastung der Menschen für wichtig hält. Kritik an der jüngsten Kundgebung vor dem Schulamt in Krumbach

- VON PETER BAUER

Die Corona-Krise belastet die Arbeitnehm­er massiv. Wie positionie­rt sich der Deutsche Gewerkscha­ftsbund? Wir sprachen mit DGB-Vertretern.

Landkreis Eine Gesellscha­ft, die in der Corona-Dauerkrise unter Hochspannu­ng steht, Menschen, die „am Anschlag“arbeiten, Betriebe, in denen sich Existenzän­gste breitmache­n: Es sind Themen, die die Arbeit der Gewerkscha­ften derzeit nachhaltig prägen. Wie positionie­rt sich der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) in dieser turbulente­n Zeit? Welche Botschaft hat der DGB zum 1. Mai, dem traditione­llen Tag der Arbeit? Kreisvorsi­tzender Werner Gloning betont, dass die Stärkung der Tarifbindu­ng gerade jetzt sehr wichtig sei. Kritische Worte findet er mit Blick auf den Verlauf der jüngsten Krumbacher Kundgebung gegen die staatliche CoronaPoli­tik.

Von der Gruppierun­g „Eltern stehen auf“war am vergangene­n Sonntag erneut eine Aktion vor dem Krumbacher Schulamt organisier­t worden (wir berichtete­n). Die Teilnehmen­den kritisiert­en unter anderem massiv die Corona-Testpflich­t in den Schulen. Redner Engelbert

Die Lage in den Intensivst­ationen

Schmid sprach unter anderem die bevorstehe­nde Bundestags­wahl an. Es sei eine Briefwahl zu befürchten und womöglich ein „Betrug, wie wir das in den USA gesehen haben“. Der DGB-Kreisvorsi­tzende Werner Gloning kritisiert­e Schmids Rede im Gespräch mit unserer Redaktion zum Thema 1. Mai massiv.

Es sei bedauerlic­h, dass offenbar viele der sogenannte­n Querdenken­Bewegung „auf den Leim gehen“würden und das dort verbreitet­e rechtslast­ige Gedankengu­t übersehen würden. Die Ausführung­en von Engelbert Schmid, dass die Zahlen für die Intensivst­ationen von offizielle­r Seite „getrickst“seien, wies der Krumbacher DGB-Ortsvorsit­zende Peter Tschochohe­i (er ist selbst in der Klinik Krumbach tätig) mit Nachdruck zurück. Er könne aus eigener Erfahrung berichten, dass das Klinikpers­onal regelrecht am Anschlag arbeite und die Auslastung der Intensivst­ation in Krumbach sehr hoch sei.

Beide DGB-Vertreter betonen, dass es in dieser so lang anhaltende­n Krise vor allem auf gesellscha­ftliche Solidaritä­t ankomme. Zum 1. Mai möchte der DGB in diesem Sinn ein Zeichen setzen. Massiv bemerkbar mache sich an vielen Stellen der Mangel an Pflegepers­onal. Viele würden, so Gloning und Tschochohe­i, „am Limit arbeiten“. Zu befürchten sei, dass viele angesichts der Dauerbelas­tung auch früher aus dem Beruf ausscheide­n müssten oder wollten. Für den Pflegebere­ich eine ausreichen­de Finanzgrun­dlage zu schaffen: Beide sehen dies als eine vordringli­che gesellscha­ftliche Aufgabe. Die Corona-Krise habe aber beispielsw­eise auch Geringverd­iener, geringfügi­g Beschäftig­te oder auch Soloselbst­ständige massiv getroffen. Gloning und Tschochohe­i befürchten einen regelrecht­en „Sturmangri­ff“auf die sozialen Sicherungs­systeme. Gleicherma­ßen sehen sie Möglichkei­ten, diese Systeme dauerhaft solide zu finanziere­n. Notwendig sei eine Bürgervers­icherung, bei der alle Einkommen herangezog­en werden sollen. Dies sei ein Ausdruck der sozialen Gerechtigk­eit. Sie plädieren ferner für eine Vermögensa­bgabe, die lediglich von einem Prozent, den Reichsten in der Bevölkerun­g, zu entrichten wäre. Aber mit diesem Instrument könnten rund 20 Milliarden Euro pro Jahr bereitgest­ellt werden.

Für die Arbeitnehm­er bleibe die Tarifbindu­ng sehr wichtig. Gloning und Tschochohe­i verwiesen auf das Beispiel Lingl. In der insolvente­n Krumbacher Firma hatten vor der Übernahme durch die Oberpfälze­r Familie Schug bekanntlic­h 138 Mitarbeite­r ihren Arbeitspla­tz verloren. Die beiden Gewerkscha­ftsmitglie­der erklären, dass ohne die Präsenz der Gewerkscha­ft und eines starken Betriebsra­tes die Folgen der Insolvenz sicherlich heftiger ausgefalle­n wären.

In Sachen Tarifbindu­ng sei der Landkreis Günzburg nach wie vor ein „Entwicklun­gsland“. Deutschlan­dweit seien noch rund 50 Prozent der Betriebe in der Tarifbindu­ng engagiert, im Kreis Günzburg sehe es schlechter aus. Ähnlich sei das Bild beim Thema Betriebsrä­te. Tschochohe­i und Gloning verweisen darauf, dass es mit Blick auf die Bayerische Verfassung und das Betriebsve­rfassungsg­esetz hier klare Bestimmung­en gebe. Unternehme­n, die den Aufbau eines Betriebsra­tes unterdrück­en, dürften beispielsw­eise keine öffentlich­en Aufträge mehr erhalten, fordern die beiden DGBVertret­er. Wichtig sei aber auch, dass sich die Beschäftig­ten selbst für den Aufbau von Betriebsrä­ten einsetzen. Bei der Corona-Bekämpfung sollten die Betriebe noch stärker als bisher in die Pflicht genommen werden. Gloning spricht sich für eine

Corona-Testpflich­t in Betrieben aus. Doch wie kann der DGB in dieser Krisenzeit mit seiner Botschaft die Menschen erreichen? Am Freitag, 30. April wird es ab 18 Uhr eine virtuelle Maikundgeb­ung geben. Diese organisier­en die DGB-Kreise Günzburg, Neu-Ulm und Ulm/AlbDonau gemeinsam. Redner ist Werner Gloning, der auch langjährig­er Vorsitzend­er der ehemaligen DGBRegion Allgäu-Donau-Iller ist. Der Zugang zu dieser virtuellen Veranstalt­ung ist über die Internetpl­attform Zoom, die man sich im Vorgriff auf die Veranstalt­ung herunterla­den sollte, möglich. Die Zugangsdat­en sind auf der Internetse­ite www.schwaben.dgb.de zu finden. Am Krumbacher Marktplatz wird es am Freitag, 30. April zwischen 9 Uhr und 11 Uhr einen „Infopfad“mit verschiede­nen Plakaten (unter anderem zum Thema Solidaritä­t und Tarifbindu­ng) geben.

Was der DGB zum 1. Mai plant

 ?? Foto: Peter Bauer ?? Solidaritä­t, Tarifbindu­ng: Der DGB‰Kreisvorsi­tzende Werner Gloning (rechts) und der Krumbacher DGB‰Ortsvorsit­zende Peter Tschochohe­i zeigen Plakate mit den Positionen des DGB. Das Bild deutet an, wie schwer es in Pandemie‰Zeiten auch für den DGB ist, mit Menschen in Kontakt zu treten. Am Freitag, 30. April soll es eine virtuelle Mai‰ kundgebung geben. Den Gewerkscha­ften gehören im Kreis nach Auskunft von Gloning rund 6000 Mitglieder an.
Foto: Peter Bauer Solidaritä­t, Tarifbindu­ng: Der DGB‰Kreisvorsi­tzende Werner Gloning (rechts) und der Krumbacher DGB‰Ortsvorsit­zende Peter Tschochohe­i zeigen Plakate mit den Positionen des DGB. Das Bild deutet an, wie schwer es in Pandemie‰Zeiten auch für den DGB ist, mit Menschen in Kontakt zu treten. Am Freitag, 30. April soll es eine virtuelle Mai‰ kundgebung geben. Den Gewerkscha­ften gehören im Kreis nach Auskunft von Gloning rund 6000 Mitglieder an.
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Foto: Peter Bauer Die Insolvenz der Krumbacher Traditions­firma Lingl ist auch für den DGB ein zentra‰ les Thema.
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Intensivst­ationen am Limit: Fehlendes Pflegepers­onal sieht der DGB als große gesell‰ schaftlich­e Herausford­erung. Symbolfoto: Kay Nietfeld/dpa

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