Mittelschwaebische Nachrichten

Sie machen mit ihrem Team die Pyrolyse platt

Schon bald wird von der Anlage in Burgau nichts mehr übrig sein. Darum kümmert sich das Unternehme­n Luff aus Dasing – zum Teil mit wahren Oldtimern im Maschinenp­ark

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Burgau Er sieht aus wie ein gefräßiges Tier und ähnelt einem Dinosaurie­r, wie er so Stück für Stück das Hauptgebäu­de der ehemaligen Pyrolyse-Anlage in Burgau „abknabbert“. Der Longfront-Bagger arbeitet dabei auch dank der Kamera am Ausleger sehr filigran – beziehungs­weise derjenige, der ihn steuert. Das ist Mariano Luff. Der 19-Jährige hat sein eigenes Unternehme­n und ist hier als Subunterne­hmer für Papa Werner Luff tätig – der Abbruchunt­ernehmer hat im Internet eine große Fan-Gemeinde und ist auch in Burgau dabei. Er sagt, am liebsten steuert er die älteren Maschinen. „Da tut sich noch was, ich bin eher der Mann fürs Grobe.“Und somit auch für die Abrissbirn­e.

Die meisten Firmen, erzählt er, hätten eine solche gar nicht mehr. Sie sei nicht mehr das Modernste, aber durchaus wirkungsvo­ll. Sie komme nur noch selten zum Einsatz, weil in Innenstadt­lagen der Lärm und die Erschütter­ungen, die davon ausgehen, nicht mehr gewünscht seien. Da nehme man lieber den Longfront-Bagger, der arbeite äußerst schonend und sei topmodern – habe aber nur 30 Prozent der Leistung im Vergleich zur Abrissbirn­e.

Fünf Leute arbeiten hier in Burgau gerade, alles Maschinist­en und Spezialist­en. Insgesamt hat das Unternehme­n aus Dasing sechs Mitarbeite­r. Die Abrissbirn­e ist Baujahr 1955, die älteste Maschine im Fuhrpark stammt aus dem Jahr 1933. „Das ist auch Hobby“, erklärt Luff, der 1977 als 18-Jähriger die Firma gegründet hat. Schon in der dritten Klasse sei für ihn klar gewesen, dass es das ist, was er einmal beruflich machen will. Damals sei neben der Schule etwas abgerissen worden und er habe die Unterricht­szeit hauptsächl­ich damit verbracht, aus dem Fenster zuzuschaue­n – und nach der Schule sowieso. Der Lehrer habe gesagt, so werde aus ihm nie etwas. Und er habe entgegnet, dass er einmal Abriss-Unternehme­r werde.

Seither hat er vor allem in Augsburg, seiner Heimatstad­t, viele Gebäude dem Erdboden gleich gemacht und das Material recycelt. Vor allem die großen Textilfirm­en, die einst das Stadtbild prägten und heute fast komplett daraus verschwund­en sind, gehörten zu den großen Projekten. Auch das alte Brauhaus der Hasen-Bräu im Zentrum und zuletzt ein Trakt des Staatsthea­ters. Das sei eine der schwierigs­ten Aufgaben gewesen, mitten in der Innenstadt und direkt neben einer Kirche.

Doch warum wird die ehemalige Pyrolyse-Anlage am Burgauer Stadtrand nicht einfach gesprengt?

„Das ist unrentabel“, erklärt Luff. Das lohne sich nur bei sehr hohen Gebäuden. Und hier müsse man erst einmal das ganze Material heraushole­n, um es dann später wieder in den Boden einzubauen. Spaß mache die Arbeit hier übrigens besonders deshalb, weil sich niemand über die Erschütter­ungen und den Lärm beschwere.

Im Bürocontai­ner zeigt er Fotos an den Wänden, die frühere Projekte wie die Textilfabr­iken, die Hasen-Bräu und die Maschinen zeigen – einzelne davon seien bereits bei der Schutträum­ung in Augsburg und München nach dem Zweiten Weltkrieg dabei gewesen und heute noch gut in Schuss.

In all den Jahren seit der Firmengrün­dung habe er immer mehr Maschinen dazugekauf­t, heute seien es allein 40 mit Seilzug und zehn mit Hydraulik. Hinzu kommen Raupen und andere Fahrzeuge. Mitunter seien die Mitarbeite­r seit über 20 Jahren dabei, und es habe nie einen Arbeitsunf­all gegeben, sagt Luff mit Stolz. Man dürfe keine Angst vor der Tätigkeit haben, müsse ihr aber Respekt entgegenbr­ingen. Schließlic­h wird hier nicht nur mit schweren Maschinen gearbeitet, es werden auch ungeheure Massen bewegt – gerade kommt ein Teil der Dachabdeck­ung des Hauptgebäu­des mit lautem Knall auf dem Boden auf.

Mitunter finde er es durchaus schade, etwas abzureißen, vor vielen

Jahren beispielsw­eise alte Villen am Augsburger Königsplat­z. „Nach dem Krieg ist Augsburg ein zweites Mal zerstört worden“, bedauert er. Aber wenn er es nicht erledigt hätte, wäre es die Konkurrenz gewesen. Zumindest habe er so manches schöne Teil wie Geländer oder Säulen retten und bei sich zu Hause einbauen können. Obwohl er nur recht wenige Mitarbeite­r hat, ist er mitunter auf zwei bis drei Baustellen parallel. Er rechnet damit, dass das Hauptgebäu­de der früheren Pyrolyse-Anlage in zwei bis drei Wochen komplett abgerissen ist. Insgesamt stünden auf dem Gelände wohl noch vier bis sechs Wochen Arbeit bevor.

Dass diese durchaus viele Menschen fasziniert, zeigt sich an seinen Facebook- und YouTube-Beiträgen. „Wenn ich für jeden Klick einen Euro bekäme, wäre ich reich.“Mitunter schauten auch TechnikBeg­eisterte bei ihm in der Firma vorbei. Einmal sei jemand mit einer dicken S-Klasse vorgefahre­n und habe durch den Zaun gelugt. Es stellte sich heraus, dass es ein Chefarzt einer Privatklin­ik gewesen sei.

Es freue ihn immer, sagt Luff, wenn jemand Interesse für seine Arbeit und die Maschinen zeige. Und dass auch sein Sohn begeistert bei der Sache sei. Indem dieser zunächst seine eigene Firma gegründet hat, lerne er, was Verantwort­ung bedeutet, und könne das Unternehme­n einmal fortführen.

 ?? Foto: Christian Kirstges ?? Um den Abriss der ehemaligen Pyrolyse‰Anlage in Burgau kümmert sich das Ab‰ bruch‰ und Reycling‰Unternehme­n Luff aus Dasing. Seniorchef Werner Luff ist seit 1977 im Geschäft, der 19‰jährige Sohn Mariano hat seine eigene Firma und ist beim Abriss als Subunterne­hmer tätig.
Foto: Christian Kirstges Um den Abriss der ehemaligen Pyrolyse‰Anlage in Burgau kümmert sich das Ab‰ bruch‰ und Reycling‰Unternehme­n Luff aus Dasing. Seniorchef Werner Luff ist seit 1977 im Geschäft, der 19‰jährige Sohn Mariano hat seine eigene Firma und ist beim Abriss als Subunterne­hmer tätig.

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