Mittelschwaebische Nachrichten
Sie machen mit ihrem Team die Pyrolyse platt
Schon bald wird von der Anlage in Burgau nichts mehr übrig sein. Darum kümmert sich das Unternehmen Luff aus Dasing – zum Teil mit wahren Oldtimern im Maschinenpark
Burgau Er sieht aus wie ein gefräßiges Tier und ähnelt einem Dinosaurier, wie er so Stück für Stück das Hauptgebäude der ehemaligen Pyrolyse-Anlage in Burgau „abknabbert“. Der Longfront-Bagger arbeitet dabei auch dank der Kamera am Ausleger sehr filigran – beziehungsweise derjenige, der ihn steuert. Das ist Mariano Luff. Der 19-Jährige hat sein eigenes Unternehmen und ist hier als Subunternehmer für Papa Werner Luff tätig – der Abbruchunternehmer hat im Internet eine große Fan-Gemeinde und ist auch in Burgau dabei. Er sagt, am liebsten steuert er die älteren Maschinen. „Da tut sich noch was, ich bin eher der Mann fürs Grobe.“Und somit auch für die Abrissbirne.
Die meisten Firmen, erzählt er, hätten eine solche gar nicht mehr. Sie sei nicht mehr das Modernste, aber durchaus wirkungsvoll. Sie komme nur noch selten zum Einsatz, weil in Innenstadtlagen der Lärm und die Erschütterungen, die davon ausgehen, nicht mehr gewünscht seien. Da nehme man lieber den Longfront-Bagger, der arbeite äußerst schonend und sei topmodern – habe aber nur 30 Prozent der Leistung im Vergleich zur Abrissbirne.
Fünf Leute arbeiten hier in Burgau gerade, alles Maschinisten und Spezialisten. Insgesamt hat das Unternehmen aus Dasing sechs Mitarbeiter. Die Abrissbirne ist Baujahr 1955, die älteste Maschine im Fuhrpark stammt aus dem Jahr 1933. „Das ist auch Hobby“, erklärt Luff, der 1977 als 18-Jähriger die Firma gegründet hat. Schon in der dritten Klasse sei für ihn klar gewesen, dass es das ist, was er einmal beruflich machen will. Damals sei neben der Schule etwas abgerissen worden und er habe die Unterrichtszeit hauptsächlich damit verbracht, aus dem Fenster zuzuschauen – und nach der Schule sowieso. Der Lehrer habe gesagt, so werde aus ihm nie etwas. Und er habe entgegnet, dass er einmal Abriss-Unternehmer werde.
Seither hat er vor allem in Augsburg, seiner Heimatstadt, viele Gebäude dem Erdboden gleich gemacht und das Material recycelt. Vor allem die großen Textilfirmen, die einst das Stadtbild prägten und heute fast komplett daraus verschwunden sind, gehörten zu den großen Projekten. Auch das alte Brauhaus der Hasen-Bräu im Zentrum und zuletzt ein Trakt des Staatstheaters. Das sei eine der schwierigsten Aufgaben gewesen, mitten in der Innenstadt und direkt neben einer Kirche.
Doch warum wird die ehemalige Pyrolyse-Anlage am Burgauer Stadtrand nicht einfach gesprengt?
„Das ist unrentabel“, erklärt Luff. Das lohne sich nur bei sehr hohen Gebäuden. Und hier müsse man erst einmal das ganze Material herausholen, um es dann später wieder in den Boden einzubauen. Spaß mache die Arbeit hier übrigens besonders deshalb, weil sich niemand über die Erschütterungen und den Lärm beschwere.
Im Bürocontainer zeigt er Fotos an den Wänden, die frühere Projekte wie die Textilfabriken, die Hasen-Bräu und die Maschinen zeigen – einzelne davon seien bereits bei der Schutträumung in Augsburg und München nach dem Zweiten Weltkrieg dabei gewesen und heute noch gut in Schuss.
In all den Jahren seit der Firmengründung habe er immer mehr Maschinen dazugekauft, heute seien es allein 40 mit Seilzug und zehn mit Hydraulik. Hinzu kommen Raupen und andere Fahrzeuge. Mitunter seien die Mitarbeiter seit über 20 Jahren dabei, und es habe nie einen Arbeitsunfall gegeben, sagt Luff mit Stolz. Man dürfe keine Angst vor der Tätigkeit haben, müsse ihr aber Respekt entgegenbringen. Schließlich wird hier nicht nur mit schweren Maschinen gearbeitet, es werden auch ungeheure Massen bewegt – gerade kommt ein Teil der Dachabdeckung des Hauptgebäudes mit lautem Knall auf dem Boden auf.
Mitunter finde er es durchaus schade, etwas abzureißen, vor vielen
Jahren beispielsweise alte Villen am Augsburger Königsplatz. „Nach dem Krieg ist Augsburg ein zweites Mal zerstört worden“, bedauert er. Aber wenn er es nicht erledigt hätte, wäre es die Konkurrenz gewesen. Zumindest habe er so manches schöne Teil wie Geländer oder Säulen retten und bei sich zu Hause einbauen können. Obwohl er nur recht wenige Mitarbeiter hat, ist er mitunter auf zwei bis drei Baustellen parallel. Er rechnet damit, dass das Hauptgebäude der früheren Pyrolyse-Anlage in zwei bis drei Wochen komplett abgerissen ist. Insgesamt stünden auf dem Gelände wohl noch vier bis sechs Wochen Arbeit bevor.
Dass diese durchaus viele Menschen fasziniert, zeigt sich an seinen Facebook- und YouTube-Beiträgen. „Wenn ich für jeden Klick einen Euro bekäme, wäre ich reich.“Mitunter schauten auch TechnikBegeisterte bei ihm in der Firma vorbei. Einmal sei jemand mit einer dicken S-Klasse vorgefahren und habe durch den Zaun gelugt. Es stellte sich heraus, dass es ein Chefarzt einer Privatklinik gewesen sei.
Es freue ihn immer, sagt Luff, wenn jemand Interesse für seine Arbeit und die Maschinen zeige. Und dass auch sein Sohn begeistert bei der Sache sei. Indem dieser zunächst seine eigene Firma gegründet hat, lerne er, was Verantwortung bedeutet, und könne das Unternehmen einmal fortführen.