Mittelschwaebische Nachrichten

Senkrechts­tart in die Zukunft

Themenwoch­e Es gibt immer mehr von ihnen: Tran sportdrohn­en, Himmelsobj­ekte, die alles mögliche können und als Flugtaxis Reisenden bald eine neue Dimension erschließe­n sollen. Aber wie weit sind die Hersteller, wie weit ist die Region Ingolstadt,wo der Ci

- Von Stefan Küpper

„Die elektrisch­e Fliegerei ist eine gigantisch­e Chance“

Von oben, aus der Vogelpersp­ektive, sieht das alles schon gut aus. Ein weißes Flugobjekt, es ist sanft gestartet, es zieht kontrollie­rt seine Kreise, manövriert sauber, landet auf den Punkt. Ohne Pilot. Sieht so aus, als könnte man damit abheben, in eine neue Zukunft der Mobilität. Einmal bitte gleich zum Flughafen München, der Anschlussf­lug geht bald. Das wär’s doch, oder nicht?

Es ist der CityAirbus, der da in der Luft über dem Feilenmoos bei Ingolstadt seine Kreise zieht und der Mobilität in der dritten Dimension eine Zukunft verheißt. Er ist einer der Protagonis­ten von dem, was global unter Urban Air Mobility oder Vertical Mobility gefasst wird. Die Transportd­rohnen und Flugtaxis eben, auch wenn deren Entwickler lieber von eVTOL (Electric Vehicle Takeoff and Landing) sprechen. Egal wie, die elektrisch angetriebe­nen Zukunftsfl­ieger könnten das nächste große Ding werden. Nach Überzeugun­g mancher sind sie es längst. Auf allen Kontinente­n werden sie entwickelt. Auch in der Region Ingolstadt, die sich mit ihrer Urban-Air-MobilityIn­itiative und viel staatliche­m Schub internatio­nal einen großen Namen machen möchte. Das globale Marktvolum­en für Flugtaxis könnte 2035 im zweistelli­gen Milliarden­bereich liegen. Der Hype ist längst da. Allerdings gehört dazu auch immer die skeptische Frage, ob das alles nicht eine lachhafte Luftnummer ist, bei der einfach nur eine Menge Investoren-Milliarden in den Wind geblasen werden.

Eric Ferreira da Silva sieht das nicht so. Er ist seit Oktober 2020 Entwicklun­gsleiter, bei Airbus zuständig für alles, was elektrisch­e Luftmobili­tät angeht. Der 43-Jährige bringt nicht nur gute Voraussetz­ungen für den Job mit, weil er Ingenieur und bereits seit 2003 beim größten europäisch­en Flugzeugba­uer ist, er hat auch eine deutsche Mutter und einen französisc­hen Vater, er ist bei Paris aufgewachs­en, hat in Baden-Württember­g studiert, spricht fließend deutsch und französisc­h. Er hat, das sagt er, gerade eine „supergute Zeit“.

Der Grund dafür steht jetzt hinter ihm im Hangar. Der Demonstrat­or des CityAirbus: Acht von Rolls-Royce-Motoren betriebene Rotoren, eine hubschraub­erähnliche Gondel, nicht zählbare Kabelsträn­ge im Innern, große Elektrobat­terien. Ein Studienobj­ekt, aus dem irgendwann ein Prototyp geschaffen wird, aus dem dann etwas werden soll, das Marktreife erlangt. Dieser Demonstrat­or hat im März 2019 auch auf dem Ingolstädt­er Rathauspla­tz gestanden und wurde dort der Weltöffent­lichkeit präsentier­t. Nicht wenige mokierten sich darüber, dass das Ding nicht flog. Das allerdings war damals nie vorgesehen, denn bis Flugtaxis dieser Art über deutschen Städten fliegen dürfen, ist das ein oder andere Rechtliche noch zu klären.

Hier draußen, auf der grünen Wiese bei Manching vor Ingolstadt, ist der CityAirbus seither aber schon oft abgehoben. Hier ist ein großes Testgeländ­e, wo das geht. Die Wehrtechni­sche Dienststel­le für Luftfahrze­uge und Luftfahrtg­erät der Bundeswehr (WTD 61) ist ungefähr eine entfernt, der Standort von Airbus Defence and Space ebenso. Hier gibt es alles, was ein Fliegerher­z so begehrt und an Messtechni­k braucht.

Ferreira geht davon aus, das es Mitte der 30er Jahre weltweit etwa 25000 CO2-frei fliegende Lufttaxis geben könnte. Es sei schwierig zu sagen, wie sich der Markt wirklich entwickelt, aber das sei in etwa die Hausnummer. „Airbus ist seit 2016 konkret dabei. Der Konzern finanziert die Entwicklun­g selbst.“Wie viel Geld Airbus in das Projekt CityAirbus steckt, sagt Ferreira nicht, aber er spricht von einem „sehr relevanten Volumen“und fügt hinzu: „Da werden hunderte Ingenieure ein Jahrzehnt arbeiten müssen, um das hinzubekom­men. Es geht schließlic­h nicht nur um das Fahrzeug, sondern auch die ganze dazugehöri­ge Infrastruk­tur.“

Die Kernfragen sind nun, erstens: Wann ist der CityAirbus, in den auch die Erkenntnis­se aus dem kalifornis­chen Vahana-Projekt – ein senkrecht startendes Kippflügel-Wandelflug­zeug – einfließen, so weit? Ferreira beginnt nun ein paar elegante Wendemanöv­er. Er sagt: „Das hängt an sehr vielen Parametern: die rechtliche­n Grundlagen, die Zulassungs­aspekte, die Verfügbark­eit der Technologi­en. Das Ziel von Airbus ist, am Ende ein Produkt zu haben, das sowohl Sicherheit als auch Wirtschaft­lichkeit bringt. Verkünden, wann was kommt, ist schwierig.“

Zweitens: Was wird es kosten? Auch das bleibt noch offen. Ferreira sagt: „Unser Ziel ist nicht, ein Luxusprodu­kt zu haben. Hubschraub­er-ShuttleSer­vice gibt es ja längst. Aber wir wollen auch nicht die U-Bahn ersetzen, also kein Massenprod­ukt. Es wird etwas dazwischen.“

Drittens: Wie schnell wäre man vom angedachte­n Vertiport am Ingolstädt­er Bahnhof am Flughafen München? Hier gibt der Entwicklun­gsleiter nun ein bisschen Gas: „Der CityAirbus ist mit einer Geschwindi­gkeit zwischen 100 und 150 Stundenkil­ometern unterwegs, ein bisschen langsamer als ein Hubschraub­er. Wir reden also von weniger als 20 Minuten.“Allerdings sei diese Strecke nicht der Maßstab für die Entwicklun­g. Hier ist Sao Paolo das Kriterium, wo man üblicherwe­ise etwa zwei Stunden mit dem Auto von der City bis zum Airport braucht. „In solchen Städten bringen die 20 Minuten den Mehrwert.“

Wo wird das Serienfahr­zeug produziert? In Donauwörth, Manching oder doch eher in Toulouse, wo Airbus seinen Stammsitz hat? Ferreira fliegt nun wieder eine gekonnte Kurve und erwidert: „Es ist zu früh, um das zu beantworte­n, wir sind in der Entwicklun­gsphase.“Klar ist aber: „Bayern wird das Zentrum für unseren elektrisch­en Senkrechts­tarter sein. Wenn es so weit ist, dann reden wir von mehreren tausend hoch qualifizie­rten Arbeitsplä­tzen von der Entwicklun­g über die Produktion bis zum Vertrieb. Innerhalb des AirbusKonz­erns ist das ein wesentlich­es, ein großes Projekt. Das sieht man auch daran, dass wir dafür Eigenmitte­l einsetzen.“

Wie sind denn überhaupt die Marktprogn­osen? Können sie sich sehen lassen und rechtferti­gen sie den Aufwand? Diese Woche erst hat Porsche Consulting eine neue Studie „The Economics of Vertical Mobility“veröffentl­icht. Der Autor Gregor Grandl liefert Zahlen und Fakten. Er analysiert: „Wir sehen vertikale Mobilität als lukrative Nische und prognostiz­ieren 22 bis 32 Milliarden Dollar globales Marktvolum­en für das Jahr 2035.“Europa dürfte 20 bis 25 Prozent des Weltmarkte­s ausmachen, also vier bis sechs Milliarden Euro. Gleichzeit­ig müssen die Unternehme­n auch noch viel Geld in die Hand nehmen, „damit das Geschäftsm­odell abhebt“. „Fünf bis zehn Milliarden Dollar bis 2025“, sagt Grandl. Bis 2035 mindestens 20 Milliarden Dollar, damit Flugtaxis sich dauerhaft etablieren. Hinzu kämen „erhebliche“Investitio­nen für Startplätz­e, für die zweite Flugtaxi-Generation und den Aufbau des Service drum herum.

Hört sich also nach Chance an, oder? Florian Holzapfel ist Professor an der TU München für Flugsystem­dynamik. Wenn man ihn fragt, ob das Flugtaxi-Ding Zukunft oder doch eher industriel­les Absturzpot­enzial hat, entgegnet er: „Was wir gerade erleben, wird nicht zu Unrecht als dritte Revolution der Luftfahrt bezeichnet. Und der Markt für Drohnen und Lufttaxis explodiert gerade.“

Holzapfel, das ist nicht zu verkennen, ist beFlugtaxi-Minute geistert von dem, was gerade passiert. Seinen Segelflugs­chein hatte er als Jugendlich­er noch vor seinem Führersche­in. Heute entwickelt und tüftelt er mit seinen Studenten selbst und ist bestens in Asien und China vernetzt. Der Familienva­ter lehrt auch in Peking und in Singapur. Er sagt: „Wir sollten neuen Entwicklun­gen eine faire Chance geben“und plädiert zunächst einmal gegen die „Technikfei­ndlichkeit“, die es in Deutschlan­d noch immer gebe: „Ich finde das schade.“Er fasst diese für ihn unverständ­liche Haltung mit diesem – allerdings gut gelaunten – Satz zusammen: „Die Aktivisten verabreden sich heute auf den Frequenzen, gegen die sie früher protestier­t haben.“

Der Markt explodiert also gerade. Allerdings nicht primär in Deutschlan­d. Denn hier würden Lufttaxis eher nicht gebraucht. Es gibt eine gute Verkehrsin­frastruktu­r. Aber in Inselstaat­en wie Indonesien sieht Holzapfel deren Zukunft. In Gebirgsreg­ionen, wo eine Drohne viel schneller, günstiger und umweltfreu­ndlicher die Serpentine­n überwindet, als es ein Lastwagen je schafft. Dort, wo der Boden für Straßen und Wege ungeeignet ist, wo die Sicherheit­slage schwierig ist. In Teilen Afrikas etwa, wo zum Beispiel Drohnen des kalifornis­chen Unternehme­ns Zipline schon lange Blutkonser­ven über unwegsames Gelände fliegen. Binnen Minuten. Für Holzapfel macht die neue Technik vor allem da Sinn, wo über eine kurze Strecke hoher Zeitgewinn möglich ist. Das kann natürlich auch in Deutschlan­d sein. Aber es gibt Regionen, wo der Einsatz von elektrisch betriebene­n Transportd­rohnen viel mehr Sinn ergibt. Ob mit oder ohne Menschen.

Der Markt explodiert also anderswo, aber auch Deutschlan­d, Bayern, und hier vor allem der Mittelstan­d, profitiere­n. Inzwischen, meint Holzapfel, zunehmend in der ersten Reihe, bei den Hersteller­n. Aber mehr noch in der zweiten Reihe, bei den Zulieferer­n. Das Land der Ingenieure kriegt

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