Mittelschwaebische Nachrichten
Senkrechtstart in die Zukunft
Themenwoche Es gibt immer mehr von ihnen: Tran sportdrohnen, Himmelsobjekte, die alles mögliche können und als Flugtaxis Reisenden bald eine neue Dimension erschließen sollen. Aber wie weit sind die Hersteller, wie weit ist die Region Ingolstadt,wo der Ci
„Die elektrische Fliegerei ist eine gigantische Chance“
Von oben, aus der Vogelperspektive, sieht das alles schon gut aus. Ein weißes Flugobjekt, es ist sanft gestartet, es zieht kontrolliert seine Kreise, manövriert sauber, landet auf den Punkt. Ohne Pilot. Sieht so aus, als könnte man damit abheben, in eine neue Zukunft der Mobilität. Einmal bitte gleich zum Flughafen München, der Anschlussflug geht bald. Das wär’s doch, oder nicht?
Es ist der CityAirbus, der da in der Luft über dem Feilenmoos bei Ingolstadt seine Kreise zieht und der Mobilität in der dritten Dimension eine Zukunft verheißt. Er ist einer der Protagonisten von dem, was global unter Urban Air Mobility oder Vertical Mobility gefasst wird. Die Transportdrohnen und Flugtaxis eben, auch wenn deren Entwickler lieber von eVTOL (Electric Vehicle Takeoff and Landing) sprechen. Egal wie, die elektrisch angetriebenen Zukunftsflieger könnten das nächste große Ding werden. Nach Überzeugung mancher sind sie es längst. Auf allen Kontinenten werden sie entwickelt. Auch in der Region Ingolstadt, die sich mit ihrer Urban-Air-MobilityInitiative und viel staatlichem Schub international einen großen Namen machen möchte. Das globale Marktvolumen für Flugtaxis könnte 2035 im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Der Hype ist längst da. Allerdings gehört dazu auch immer die skeptische Frage, ob das alles nicht eine lachhafte Luftnummer ist, bei der einfach nur eine Menge Investoren-Milliarden in den Wind geblasen werden.
Eric Ferreira da Silva sieht das nicht so. Er ist seit Oktober 2020 Entwicklungsleiter, bei Airbus zuständig für alles, was elektrische Luftmobilität angeht. Der 43-Jährige bringt nicht nur gute Voraussetzungen für den Job mit, weil er Ingenieur und bereits seit 2003 beim größten europäischen Flugzeugbauer ist, er hat auch eine deutsche Mutter und einen französischen Vater, er ist bei Paris aufgewachsen, hat in Baden-Württemberg studiert, spricht fließend deutsch und französisch. Er hat, das sagt er, gerade eine „supergute Zeit“.
Der Grund dafür steht jetzt hinter ihm im Hangar. Der Demonstrator des CityAirbus: Acht von Rolls-Royce-Motoren betriebene Rotoren, eine hubschrauberähnliche Gondel, nicht zählbare Kabelstränge im Innern, große Elektrobatterien. Ein Studienobjekt, aus dem irgendwann ein Prototyp geschaffen wird, aus dem dann etwas werden soll, das Marktreife erlangt. Dieser Demonstrator hat im März 2019 auch auf dem Ingolstädter Rathausplatz gestanden und wurde dort der Weltöffentlichkeit präsentiert. Nicht wenige mokierten sich darüber, dass das Ding nicht flog. Das allerdings war damals nie vorgesehen, denn bis Flugtaxis dieser Art über deutschen Städten fliegen dürfen, ist das ein oder andere Rechtliche noch zu klären.
Hier draußen, auf der grünen Wiese bei Manching vor Ingolstadt, ist der CityAirbus seither aber schon oft abgehoben. Hier ist ein großes Testgelände, wo das geht. Die Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät der Bundeswehr (WTD 61) ist ungefähr eine entfernt, der Standort von Airbus Defence and Space ebenso. Hier gibt es alles, was ein Fliegerherz so begehrt und an Messtechnik braucht.
Ferreira geht davon aus, das es Mitte der 30er Jahre weltweit etwa 25000 CO2-frei fliegende Lufttaxis geben könnte. Es sei schwierig zu sagen, wie sich der Markt wirklich entwickelt, aber das sei in etwa die Hausnummer. „Airbus ist seit 2016 konkret dabei. Der Konzern finanziert die Entwicklung selbst.“Wie viel Geld Airbus in das Projekt CityAirbus steckt, sagt Ferreira nicht, aber er spricht von einem „sehr relevanten Volumen“und fügt hinzu: „Da werden hunderte Ingenieure ein Jahrzehnt arbeiten müssen, um das hinzubekommen. Es geht schließlich nicht nur um das Fahrzeug, sondern auch die ganze dazugehörige Infrastruktur.“
Die Kernfragen sind nun, erstens: Wann ist der CityAirbus, in den auch die Erkenntnisse aus dem kalifornischen Vahana-Projekt – ein senkrecht startendes Kippflügel-Wandelflugzeug – einfließen, so weit? Ferreira beginnt nun ein paar elegante Wendemanöver. Er sagt: „Das hängt an sehr vielen Parametern: die rechtlichen Grundlagen, die Zulassungsaspekte, die Verfügbarkeit der Technologien. Das Ziel von Airbus ist, am Ende ein Produkt zu haben, das sowohl Sicherheit als auch Wirtschaftlichkeit bringt. Verkünden, wann was kommt, ist schwierig.“
Zweitens: Was wird es kosten? Auch das bleibt noch offen. Ferreira sagt: „Unser Ziel ist nicht, ein Luxusprodukt zu haben. Hubschrauber-ShuttleService gibt es ja längst. Aber wir wollen auch nicht die U-Bahn ersetzen, also kein Massenprodukt. Es wird etwas dazwischen.“
Drittens: Wie schnell wäre man vom angedachten Vertiport am Ingolstädter Bahnhof am Flughafen München? Hier gibt der Entwicklungsleiter nun ein bisschen Gas: „Der CityAirbus ist mit einer Geschwindigkeit zwischen 100 und 150 Stundenkilometern unterwegs, ein bisschen langsamer als ein Hubschrauber. Wir reden also von weniger als 20 Minuten.“Allerdings sei diese Strecke nicht der Maßstab für die Entwicklung. Hier ist Sao Paolo das Kriterium, wo man üblicherweise etwa zwei Stunden mit dem Auto von der City bis zum Airport braucht. „In solchen Städten bringen die 20 Minuten den Mehrwert.“
Wo wird das Serienfahrzeug produziert? In Donauwörth, Manching oder doch eher in Toulouse, wo Airbus seinen Stammsitz hat? Ferreira fliegt nun wieder eine gekonnte Kurve und erwidert: „Es ist zu früh, um das zu beantworten, wir sind in der Entwicklungsphase.“Klar ist aber: „Bayern wird das Zentrum für unseren elektrischen Senkrechtstarter sein. Wenn es so weit ist, dann reden wir von mehreren tausend hoch qualifizierten Arbeitsplätzen von der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb. Innerhalb des AirbusKonzerns ist das ein wesentliches, ein großes Projekt. Das sieht man auch daran, dass wir dafür Eigenmittel einsetzen.“
Wie sind denn überhaupt die Marktprognosen? Können sie sich sehen lassen und rechtfertigen sie den Aufwand? Diese Woche erst hat Porsche Consulting eine neue Studie „The Economics of Vertical Mobility“veröffentlicht. Der Autor Gregor Grandl liefert Zahlen und Fakten. Er analysiert: „Wir sehen vertikale Mobilität als lukrative Nische und prognostizieren 22 bis 32 Milliarden Dollar globales Marktvolumen für das Jahr 2035.“Europa dürfte 20 bis 25 Prozent des Weltmarktes ausmachen, also vier bis sechs Milliarden Euro. Gleichzeitig müssen die Unternehmen auch noch viel Geld in die Hand nehmen, „damit das Geschäftsmodell abhebt“. „Fünf bis zehn Milliarden Dollar bis 2025“, sagt Grandl. Bis 2035 mindestens 20 Milliarden Dollar, damit Flugtaxis sich dauerhaft etablieren. Hinzu kämen „erhebliche“Investitionen für Startplätze, für die zweite Flugtaxi-Generation und den Aufbau des Service drum herum.
Hört sich also nach Chance an, oder? Florian Holzapfel ist Professor an der TU München für Flugsystemdynamik. Wenn man ihn fragt, ob das Flugtaxi-Ding Zukunft oder doch eher industrielles Absturzpotenzial hat, entgegnet er: „Was wir gerade erleben, wird nicht zu Unrecht als dritte Revolution der Luftfahrt bezeichnet. Und der Markt für Drohnen und Lufttaxis explodiert gerade.“
Holzapfel, das ist nicht zu verkennen, ist beFlugtaxi-Minute geistert von dem, was gerade passiert. Seinen Segelflugschein hatte er als Jugendlicher noch vor seinem Führerschein. Heute entwickelt und tüftelt er mit seinen Studenten selbst und ist bestens in Asien und China vernetzt. Der Familienvater lehrt auch in Peking und in Singapur. Er sagt: „Wir sollten neuen Entwicklungen eine faire Chance geben“und plädiert zunächst einmal gegen die „Technikfeindlichkeit“, die es in Deutschland noch immer gebe: „Ich finde das schade.“Er fasst diese für ihn unverständliche Haltung mit diesem – allerdings gut gelaunten – Satz zusammen: „Die Aktivisten verabreden sich heute auf den Frequenzen, gegen die sie früher protestiert haben.“
Der Markt explodiert also gerade. Allerdings nicht primär in Deutschland. Denn hier würden Lufttaxis eher nicht gebraucht. Es gibt eine gute Verkehrsinfrastruktur. Aber in Inselstaaten wie Indonesien sieht Holzapfel deren Zukunft. In Gebirgsregionen, wo eine Drohne viel schneller, günstiger und umweltfreundlicher die Serpentinen überwindet, als es ein Lastwagen je schafft. Dort, wo der Boden für Straßen und Wege ungeeignet ist, wo die Sicherheitslage schwierig ist. In Teilen Afrikas etwa, wo zum Beispiel Drohnen des kalifornischen Unternehmens Zipline schon lange Blutkonserven über unwegsames Gelände fliegen. Binnen Minuten. Für Holzapfel macht die neue Technik vor allem da Sinn, wo über eine kurze Strecke hoher Zeitgewinn möglich ist. Das kann natürlich auch in Deutschland sein. Aber es gibt Regionen, wo der Einsatz von elektrisch betriebenen Transportdrohnen viel mehr Sinn ergibt. Ob mit oder ohne Menschen.
Der Markt explodiert also anderswo, aber auch Deutschland, Bayern, und hier vor allem der Mittelstand, profitieren. Inzwischen, meint Holzapfel, zunehmend in der ersten Reihe, bei den Herstellern. Aber mehr noch in der zweiten Reihe, bei den Zulieferern. Das Land der Ingenieure kriegt