Mittelschwaebische Nachrichten
Brände und Unwetter: Einsatzkräfte am Limit
Erst der Starkregen, dann das Feuer auf einem Pferdehof in Deisenhausen: Die Feuerwehren im Kreis Günzburg gehen an die Belastungsgrenze. Wie schaffen sie das?
Landkreis Günzburg Es scheint ein Gesetz zu sein unter den Feuerwehren: „Wenn’s dick kommt, kommt’s knüppeldick“, formuliert es Kreisbrandrat Stefan Müller. Auf Wochen, in denen kaum etwas zu tun ist für die Feuerwehr, folgen Phasen, in denen die Ehrenamtlichen fast am Rande ihrer Kräfte arbeiten. Eine solche Phase erleben die Wehren im Kreis Günzburg derzeit. Ob oder wann sie zu Ende ist, weiß niemand.
Wie schnell aus ein wenig Regen eine Katastrophe werden kann, hat sich in der Nacht im Rheinland gezeigt: Dort starben mehrere Menschen nach Unwettern, in der Eifel stürzten Häuser ein. Den Wetterbericht für die Region schauen sich Feuerwehrleute wie Christoph Scherer deswegen derzeit mit großer Anspannung an. Denn der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Deisenhausen und seine Kameraden brauchen nach dem Kraftakt der vergangenen Tage und Wochen eigentlich eine Pause. Gerade haben die Deisenhauser gemeinsam mit insgesamt 290 Einsatzkräften den Brand auf einem Pferdehof unweit ihres eigenen Feuerwehrhauses gestemmt.
Da hatten die ehrenamtlichen Feuerwehrleute allerdings schon zwei Wochen Dauerstress in den Knochen: „Eigentlich waren wir ab dem Deutschlandspiel dauernd unterwegs“, zieht Scherer im Gespräch mit unserer Redaktion Bilanz. Minuten nach dem Abpfiff auf dem Fußballplatz war für die Wehren Anpfiff für einen echten Härtetest, den die Wehren überstehen mussten. „Das waren allein 40 Einsatzstellen in Deisenhausen und ging von 23 Uhr bis am nächsten Tag 13 Uhr“, blickt Scherer zurück.
Besonders im Landkreissüden seien die Wehren in dieser Nacht gefragt gewesen, weiß auch Kreisbrandrat Stefan Müller. „Die Integrierte Leitstelle hat in dieser Nacht 1600 Anrufe registriert.“Irgendwann konnte auch die Einsatzzentrale die Flut der Anrufe nicht mehr stemmen. Im Kreis Neu-Ulm wurde deshalb die Kreiseinsatzzentrale Neu-Ulm besetzt, um dort die Einsätze für den Landkreis zu koordinieren und die Leitstelle zu entlasten. Der Kreisbrandrat empfiehlt, gerade bei Unwettern abzuwägen, ob die Lage so bedrohlich ist, dass der Notruf gewählt werden muss – oder ob es nicht genügt, zum Feuerwehrhaus im Ort zu gehen und dort den Fall zu melden. „Die 112 ist für absolute Notfälle“, macht Müller deutlich.
Aber auch absolute Notfälle gab es zuhauf – nicht nur in der Unwetter-Nacht am 23. Juni. „In dieser Intensität habe ich das als Feuerwehrmann noch nicht gehabt“, räumt Kommandant Christoph Scherer ein. „Das ging dann in der Woche so weiter.“Die Feuerwehr war beim Beseitigen der Unwetterschäden gefragt, dann geriet ein Stadel im benachbarten Seifertshofen in Brand. „Als es wieder Unwettereinsätze für die Krumbacher gab, wurden wir dann auch wieder alarmiert, ein Kellerbrand war gemeldet worden.“Zum Glück hatte sich das als nicht gravierend herausgestellt.
Als dann am vergangenen Wochenende auch das Dach eines Doppelhauses in Ichenhausen in Flammen steht, bekommen glücklicherweise die Wehren aus der Landkreismitte das Feuer unter Kontrolle, die Einsatzkräfte im Süden können zumindest kurz durchschnaufen. Dann gerät zwei Tage später der Pferdehof in Brand. Nach dem Knochenjob, Keller auszupumpen und umgestürzte Bäume wegzuschaffen, kämpfen die Deisenhauser Feuerwehrleute wieder, diesmal gegen die Flammen.
„Das alles schlaucht die Mannschaft. Ich sehe es ihnen an“, sagt Scherer. Sie alle sind ehrenamtlich im Einsatz, haben neben ihrer Aufgabe als Feuerwehrleute ganz normale Berufe, die sie ebenfalls fordern. Wann bleibt da Zeit zum Ausruhen? Und wie erklärt man dem Chef, dass man nach vier, sechs, acht Stunden ehrenamtlichem Einsatz erst mal eine Pause braucht? Kreisbrandrat Müller und Kommandant Scherer sind sich einig: Die meisten Arbeitgeber in der Region haben Verständnis dafür. Wer eine Bescheinigung vom Kommandanten mitbringt, darf seine Ruhezeit nehmen. Einfach ist es dennoch nicht. „Wenn die Einsätze zu einer Zeit sind, wo die Leute grad von der Arbeit kommen, oder so wie in Seifertshofen morgens um fünf. Das geht dann schon, das ist eine einigermaßen vertretbare Zeit“, findet
Scherer. Doch wenn die Sirene tagsüber geht, kann es bei vielen Wehren schon mal eng werden, weiß Kreisbrandrat Stephan Müller. „Wir leben zwar in einer ländlichen Region. Aber die Zeiten, in denen die Feuerwehrleute in der Regel an ihrem Wohnort auch gearbeitet haben, sind vorbei.“Zwischen 8 Uhr morgens und 18 Uhr abends werde es oft schwierig. „Deswegen fahren wir in dieser Zeit auch immer mit einer Doppelalarmierung.“Automatisch werden in einem solchen Fall zwei Wehren gleichzeitig alarmiert, damit sichergestellt ist, dass auch die nötige Hilfe kommt.
Bei einer Alarmierung wie in Deisenhausen wird Stufe B4 ausgerufen – dann ist es mit zwei Feuerwehren natürlich bei Weitem nicht getan. Praktisch alle Wehren aus dem südlichen Landkreis waren angerückt. „Bei Einsätzen auf landwirtschaftlichen Anwesen ist es oft entscheidend, dass wir die Versorgung mit Löschwasser aufbauen“, erklärt Müller. „Wir brauchen also viele Schläuche und Pumpen.“Die kamen im Fall des Brandes auf dem
Pferdehof auch aus dem Landkreis Neu-Ulm, beispielsweise aus Meßhofen. „Die haben uns eine Schlauchstrecke zur Günz gelegt und das Wasser hertransportiert“, sagt Scherer.
Normalerweise sei es eher umgekehrt der Fall, auch seine Deisenhauser Wehr, aber auch die benachbarten Wehren werden des Öfteren über die Landkreisgrenze alarmiert. Beim Brand eines Anwesens in Waldreichenbach etwa kam der Abrollbehälter-Schlauch der Feuerwehr Krumbach zum Einsatz, der über zwei Kilometer Wasser an eine Brandstelle fördern kann. Christoph Scherer war erleichtert darüber, dass die Unterstützung diesmal auch umgekehrt funktioniert hat. Und er freut sich über die Nachricht eines Feuerwehrkollegen bei Facebook: „Er hat geschrieben, dass er sich freut, dass sie jetzt auch mal bei uns helfen durften.“
Die Feuerwehren im Kreis Günzburg hätten im vergangenen Jahr sogar einen Zuwachs an Aktiven zu verzeichnen, sagt Kreisbrandrat Müller. „Das liegt daran, dass viele 18-Jährige aus den Jugendfeuerwehren in den aktiven Dienst übernommen werden konnten.“Bei den Jugendfeuerwehren ist der Zulauf nach wie vor gut, das sieht auch Christoph Scherer so. Acht Jugendliche sind mit Feuereifer bei der Sache. Schwierig werde es meistens dann, wenn nach dem Schulabschluss die Ausbildung oder das Studium beginnt. „Dann sind die Jungen erst mal weg. Und wenn sie nach drei Jahren wiederkommen, ist die Feuerwehr nicht mehr unbedingt die erste Wahl.“Scherer, der auch Gemeinderat in Deisenhausen ist, sieht mit Sorge, dass es für junge Familien im Ort derzeit keine Bauplätze gibt. Und wer sich nicht niederlassen kann, schließt sich meist auch nicht der Feuerwehr an. Dabei könnten auch Quereinsteiger jederzeit starten, wirbt der Kommandant. Vorkenntnisse brauche es keine. „Das bringen wir den Leuten alles bei.“
Drei, vier zusätzliche Leute könnte er momentan schon brauchen, meint Scherer. Vorerst hofft er aber, dass er seine Leute eine Weile schonen kann nach den aufreibenden Tagen und Wochen, die hinter ihnen liegen. Kein Wunder, dass er sich im Moment beim Blick auf den Wetterbericht einfach nur eines wünscht: endlich mal keinen Regen.