Mittelschwaebische Nachrichten

Brände und Unwetter: Einsatzkrä­fte am Limit

Erst der Starkregen, dann das Feuer auf einem Pferdehof in Deisenhaus­en: Die Feuerwehre­n im Kreis Günzburg gehen an die Belastungs­grenze. Wie schaffen sie das?

- VON REBEKKA JAKOB

Landkreis Günzburg Es scheint ein Gesetz zu sein unter den Feuerwehre­n: „Wenn’s dick kommt, kommt’s knüppeldic­k“, formuliert es Kreisbrand­rat Stefan Müller. Auf Wochen, in denen kaum etwas zu tun ist für die Feuerwehr, folgen Phasen, in denen die Ehrenamtli­chen fast am Rande ihrer Kräfte arbeiten. Eine solche Phase erleben die Wehren im Kreis Günzburg derzeit. Ob oder wann sie zu Ende ist, weiß niemand.

Wie schnell aus ein wenig Regen eine Katastroph­e werden kann, hat sich in der Nacht im Rheinland gezeigt: Dort starben mehrere Menschen nach Unwettern, in der Eifel stürzten Häuser ein. Den Wetterberi­cht für die Region schauen sich Feuerwehrl­eute wie Christoph Scherer deswegen derzeit mit großer Anspannung an. Denn der Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Deisenhaus­en und seine Kameraden brauchen nach dem Kraftakt der vergangene­n Tage und Wochen eigentlich eine Pause. Gerade haben die Deisenhaus­er gemeinsam mit insgesamt 290 Einsatzkrä­ften den Brand auf einem Pferdehof unweit ihres eigenen Feuerwehrh­auses gestemmt.

Da hatten die ehrenamtli­chen Feuerwehrl­eute allerdings schon zwei Wochen Dauerstres­s in den Knochen: „Eigentlich waren wir ab dem Deutschlan­dspiel dauernd unterwegs“, zieht Scherer im Gespräch mit unserer Redaktion Bilanz. Minuten nach dem Abpfiff auf dem Fußballpla­tz war für die Wehren Anpfiff für einen echten Härtetest, den die Wehren überstehen mussten. „Das waren allein 40 Einsatzste­llen in Deisenhaus­en und ging von 23 Uhr bis am nächsten Tag 13 Uhr“, blickt Scherer zurück.

Besonders im Landkreiss­üden seien die Wehren in dieser Nacht gefragt gewesen, weiß auch Kreisbrand­rat Stefan Müller. „Die Integriert­e Leitstelle hat in dieser Nacht 1600 Anrufe registrier­t.“Irgendwann konnte auch die Einsatzzen­trale die Flut der Anrufe nicht mehr stemmen. Im Kreis Neu-Ulm wurde deshalb die Kreiseinsa­tzzentrale Neu-Ulm besetzt, um dort die Einsätze für den Landkreis zu koordinier­en und die Leitstelle zu entlasten. Der Kreisbrand­rat empfiehlt, gerade bei Unwettern abzuwägen, ob die Lage so bedrohlich ist, dass der Notruf gewählt werden muss – oder ob es nicht genügt, zum Feuerwehrh­aus im Ort zu gehen und dort den Fall zu melden. „Die 112 ist für absolute Notfälle“, macht Müller deutlich.

Aber auch absolute Notfälle gab es zuhauf – nicht nur in der Unwetter-Nacht am 23. Juni. „In dieser Intensität habe ich das als Feuerwehrm­ann noch nicht gehabt“, räumt Kommandant Christoph Scherer ein. „Das ging dann in der Woche so weiter.“Die Feuerwehr war beim Beseitigen der Unwettersc­häden gefragt, dann geriet ein Stadel im benachbart­en Seifertsho­fen in Brand. „Als es wieder Unwetterei­nsätze für die Krumbacher gab, wurden wir dann auch wieder alarmiert, ein Kellerbran­d war gemeldet worden.“Zum Glück hatte sich das als nicht gravierend herausgest­ellt.

Als dann am vergangene­n Wochenende auch das Dach eines Doppelhaus­es in Ichenhause­n in Flammen steht, bekommen glückliche­rweise die Wehren aus der Landkreism­itte das Feuer unter Kontrolle, die Einsatzkrä­fte im Süden können zumindest kurz durchschna­ufen. Dann gerät zwei Tage später der Pferdehof in Brand. Nach dem Knochenjob, Keller auszupumpe­n und umgestürzt­e Bäume wegzuschaf­fen, kämpfen die Deisenhaus­er Feuerwehrl­eute wieder, diesmal gegen die Flammen.

„Das alles schlaucht die Mannschaft. Ich sehe es ihnen an“, sagt Scherer. Sie alle sind ehrenamtli­ch im Einsatz, haben neben ihrer Aufgabe als Feuerwehrl­eute ganz normale Berufe, die sie ebenfalls fordern. Wann bleibt da Zeit zum Ausruhen? Und wie erklärt man dem Chef, dass man nach vier, sechs, acht Stunden ehrenamtli­chem Einsatz erst mal eine Pause braucht? Kreisbrand­rat Müller und Kommandant Scherer sind sich einig: Die meisten Arbeitgebe­r in der Region haben Verständni­s dafür. Wer eine Bescheinig­ung vom Kommandant­en mitbringt, darf seine Ruhezeit nehmen. Einfach ist es dennoch nicht. „Wenn die Einsätze zu einer Zeit sind, wo die Leute grad von der Arbeit kommen, oder so wie in Seifertsho­fen morgens um fünf. Das geht dann schon, das ist eine einigermaß­en vertretbar­e Zeit“, findet

Scherer. Doch wenn die Sirene tagsüber geht, kann es bei vielen Wehren schon mal eng werden, weiß Kreisbrand­rat Stephan Müller. „Wir leben zwar in einer ländlichen Region. Aber die Zeiten, in denen die Feuerwehrl­eute in der Regel an ihrem Wohnort auch gearbeitet haben, sind vorbei.“Zwischen 8 Uhr morgens und 18 Uhr abends werde es oft schwierig. „Deswegen fahren wir in dieser Zeit auch immer mit einer Doppelalar­mierung.“Automatisc­h werden in einem solchen Fall zwei Wehren gleichzeit­ig alarmiert, damit sichergest­ellt ist, dass auch die nötige Hilfe kommt.

Bei einer Alarmierun­g wie in Deisenhaus­en wird Stufe B4 ausgerufen – dann ist es mit zwei Feuerwehre­n natürlich bei Weitem nicht getan. Praktisch alle Wehren aus dem südlichen Landkreis waren angerückt. „Bei Einsätzen auf landwirtsc­haftlichen Anwesen ist es oft entscheide­nd, dass wir die Versorgung mit Löschwasse­r aufbauen“, erklärt Müller. „Wir brauchen also viele Schläuche und Pumpen.“Die kamen im Fall des Brandes auf dem

Pferdehof auch aus dem Landkreis Neu-Ulm, beispielsw­eise aus Meßhofen. „Die haben uns eine Schlauchst­recke zur Günz gelegt und das Wasser hertranspo­rtiert“, sagt Scherer.

Normalerwe­ise sei es eher umgekehrt der Fall, auch seine Deisenhaus­er Wehr, aber auch die benachbart­en Wehren werden des Öfteren über die Landkreisg­renze alarmiert. Beim Brand eines Anwesens in Waldreiche­nbach etwa kam der Abrollbehä­lter-Schlauch der Feuerwehr Krumbach zum Einsatz, der über zwei Kilometer Wasser an eine Brandstell­e fördern kann. Christoph Scherer war erleichter­t darüber, dass die Unterstütz­ung diesmal auch umgekehrt funktionie­rt hat. Und er freut sich über die Nachricht eines Feuerwehrk­ollegen bei Facebook: „Er hat geschriebe­n, dass er sich freut, dass sie jetzt auch mal bei uns helfen durften.“

Die Feuerwehre­n im Kreis Günzburg hätten im vergangene­n Jahr sogar einen Zuwachs an Aktiven zu verzeichne­n, sagt Kreisbrand­rat Müller. „Das liegt daran, dass viele 18-Jährige aus den Jugendfeue­rwehren in den aktiven Dienst übernommen werden konnten.“Bei den Jugendfeue­rwehren ist der Zulauf nach wie vor gut, das sieht auch Christoph Scherer so. Acht Jugendlich­e sind mit Feuereifer bei der Sache. Schwierig werde es meistens dann, wenn nach dem Schulabsch­luss die Ausbildung oder das Studium beginnt. „Dann sind die Jungen erst mal weg. Und wenn sie nach drei Jahren wiederkomm­en, ist die Feuerwehr nicht mehr unbedingt die erste Wahl.“Scherer, der auch Gemeindera­t in Deisenhaus­en ist, sieht mit Sorge, dass es für junge Familien im Ort derzeit keine Bauplätze gibt. Und wer sich nicht niederlass­en kann, schließt sich meist auch nicht der Feuerwehr an. Dabei könnten auch Quereinste­iger jederzeit starten, wirbt der Kommandant. Vorkenntni­sse brauche es keine. „Das bringen wir den Leuten alles bei.“

Drei, vier zusätzlich­e Leute könnte er momentan schon brauchen, meint Scherer. Vorerst hofft er aber, dass er seine Leute eine Weile schonen kann nach den aufreibend­en Tagen und Wochen, die hinter ihnen liegen. Kein Wunder, dass er sich im Moment beim Blick auf den Wetterberi­cht einfach nur eines wünscht: endlich mal keinen Regen.

 ?? Foto: Feuerwehr Günzburg ?? Unwetterei­nsätze und Brände machen den Feuerwehre­n in der Region gerade schwer zu schaffen. Die Häufung der Alarmierun­gen in den vergangene­n Wochen ist gewaltig. Das Foto zeigt die Einsatzkrä­fte der Feuerwehr Günzburg beim Entfernen eines umge‰ stürzten Baumes in der Günzburger Unterstadt am 24. Juni.
Foto: Feuerwehr Günzburg Unwetterei­nsätze und Brände machen den Feuerwehre­n in der Region gerade schwer zu schaffen. Die Häufung der Alarmierun­gen in den vergangene­n Wochen ist gewaltig. Das Foto zeigt die Einsatzkrä­fte der Feuerwehr Günzburg beim Entfernen eines umge‰ stürzten Baumes in der Günzburger Unterstadt am 24. Juni.

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