Mittelschwaebische Nachrichten
Familie berichtet nach Brand
Nach dem Brand auf ihrem Pferdehof in Deisenhausen ist etwas Ruhe bei Franz und Andrea Thalhofer eingekehrt. Jetzt wird’s schrecklich bürokratisch – und erst langsam realisieren die beiden alles
Nach dem Brand auf ihrem Pferdehof in Deisenhausen ist etwas Ruhe bei Franz und Andrea Thalhofer eingekehrt. Jetzt wird’s bürokratisch.
Deisenhausen Mit bloßem Auge würde man es nicht erkennen, aber Franz Thalhofer weiß es: „Das Metallgestänge dort, das war mein Wohnwagen“, sagt er – und zeigt auf eine Stelle inmitten eines riesengroßen Bergs aus Metall, Schutt und Asche. Ein Stück daneben liegt der einstige Aufsitzmäher, am Rand des Bergs ein noch erkennbares Moped, dazwischen Überreste von Sätteln für die Pferde. Vor einigen Tagen standen hier noch ein Stall für die Tiere, eine Sattelkammer und ein großes Dach für die ganzen Fahrzeuge, die zum Hof gehören. Jetzt ist davon nichts mehr übrig – außer Müll, den Franz und Andreas Thalhofer so schnell wie möglich vom Hof haben wollen.
Ganz so schnell aber wird es nicht gehen. Im Esszimmer des Wohnhauses der vierköpfigen Familie, das zum Glück von den Flammen verschont geblieben ist, liegen Ordner und Formulare aneinandergereiht – Dokumente vom Landratsamt, vom Brandschutzmanager, von Versicherungen. Für die Entsorgung muss erst mal ein Angebot eingeholt werden. Die billigste Variante gewinnt. Mittlerweile können die Thalhofers im Inneren des Hauses zumindest wieder einen klaren Gedanken fassen und einigermaßen schlafen, kurz nach dem Brand war das wegen des penetranten Rauchs unmöglich. Mit einem Ozon-Gerät hat sich die Familie bei der Neutralisierung helfen lassen, auch bei den Autos kam es zum Einsatz. Der Deckenwaschservice in Krumbach hat derweil die Reinigung aller heil gebliebenen Sättel und Decken übernommen.
Dass es so weit kommen würde, damit hat Franz Thalhofer nicht gerechnet, als er vor einigen Tagen den Rauch in seinem Heulager gesehen hat. Einer der Einsteller, deren Pferde auf dem Hof der Thalhofers leben, hatte den Rauch als Erstes wahrgenommen und im Haus Bescheid gegeben. Franz Thalhofer fuhr daraufhin mit dem Frontlader die vorderen Ballen vorsichtshalber nach draußen und verständigte die Feuerwehr. Das Aufgebot aus Deisenhausen hatte eigentlich alles im Griff – so zumindest sah es für die Thalhofers aus. Andrea Thalhofer brachte die 46 Pferde raus auf die Wiese und außer Gefahr, eigentlich hielt ihr Mann das aber gar nicht für nötig. Das Lager, in dem sich der Brand entzündete, befindet sich immerhin ziemlich weit weg vom Hauptgebäude und den Ställen, dazwischen stehen sogar noch große Silos.
Doch dann ging alles ganz schnell. „Die Feuerwehr hatte noch gar keine Leitung gelegt, da kam plötzlich ein mords Wind von Osten und alles hat lichterloh gebrannt“, erzählt der 49-jährige Hofbesitzer. Erstaunlich, welchen Weg das Feuer dabei eingeschlagen hat: Die Silos sind weitestgehend verschont geblieben, die Flammen haben durch sie hindurch auf die vorderen Ställe übergegriffen. Die 46 Tiere waren zu dem Zeitpunkt schon alle weit genug vom Hof weg, die ersten Heuballen von den Nachbarn gelöscht. Immer mehr Feuerwehren rückten an und waren bis in die Morgenstunden damit beschäftigt, das Feuer in den Griff zu kriegen. „Die Feuerwehrleute waren schweißgebadet und richtig fertig“, erzählt Thalhofer, der irgendwann nicht mehr helfen konnte und nur noch im Weg herumgestanden wäre.
Die Einsatzkräfte schickten alle beiseite – und da standen sie nun, die Thalhofers, mit kurzen Klamotten und barfuß, immerhin war es am
Mittag wahnsinnig heiß gewesen, bis nachts im Rauch und mussten zusehen, wie immer mehr von ihrem Hab und Gut niederbrennt. „Ich bin so glücklich darüber, dass unser Haus noch steht“, sagt Andrea Thalhofer, die noch gar nicht beziffern kann, welchen Schaden das Feuer angerichtet hat. Deutschlandweit ging die Nachricht vom Millionenschaden beim Brand in Deisenhausen durch die Medien, „mein Cousin aus Berlin hat mitbekommen, was bei uns hier unten los war“, erzählt Franz Thalhofer.
Der Gutachter hat den Schaden später auf 750.000 Euro korrigiert – reichen wird das aber nicht. „Wenn man überlegt, dass alleine ein Sattel zwischen 2000 und 4000 Euro kosten kann ...“, überlegt Andrea Thalhofer. Hinzu kommen das ganze Heu, die Fahrzeuge, das Gebäude, das 1965 errichtet worden ist. „Ich werde zwar nicht alles wieder genau so aufbauen, aber es wird in jedem Fall teuer“, sagt Thalhofer. Schon jetzt weiß das Paar, dass es genau wie vorher einen Stall für die Tiere geben soll.
Wie genau das alles aussehen wird, steht aber noch in den Sternen. Bereits gebaut haben die Thalhofers nach einem Tag Planung und gemeinsam mit ihren Einstellern einen Ersatz-Unterstand für die Pferde, die mittlerweile wieder zurückgekommen sind.
Umliegende Höfe hatten direkt nach dem Feuer angeboten, die Tiebei sich aufzunehmen, kamen zum Teil selbst, um sie wegzufahren. Über die Thalhofers brach eine Welle der Solidarität hinein – Futtermittelspenden, Heuspenden, Schubkarren. Fast zu viel des Guten, denn im Moment fehlt schlicht Platz, um all das zu lagern. Auch anderweitig kam Hilfe – von Hofbesitzern etwa, die selbst schon einen Brand erlebt haben und sich mit Versicherungsfragen auskennen. Den Thalhofers ist zwar 2002 auch schon ein Schuppen auf dem Hof abgebrannt, das Ausmaß hielt sich hier allerdings in Grenzen.
Es sind die positiven Seiten einer Katastrophe, die sich in all der Mithilfe zeigen. Wie immer gibt es aber auch die Schattenseiten – und die machen Andrea Thalhofer schwer zu schaffen. „Wir haben viele Kommentare abbekommen, in denen es heißt, wir seien selbst schuld, weil wir unser Heu falsch lagern oder sonst was“, erzählt die 47-Jährige, die eigentlich immer bestrebt ist, es allen recht zu machen. „Mich beschäftigt das sehr, ich weiß nicht, warum es solche Reaktionen geben muss.“
Dass sich die Heuballen von selbst entzündet haben, wurde bei den Ermittlungen von der Polizei offiziell bestätigt. Kein Einzelfall – immer wieder passiert genau das auf großen Höfen. Franz Thalhofer war sich dieses Jahr eigentlich sicher, dass die Einlagerung zeitlich und von der Temperatur her perfekt funktioniert hat – und trotzdem war es nicht möglich, den Brand zu verhindern. „Im Grunde müsste man die Ballen immer so lagern, dass man an jeden Einzelnen herankommt, mit genügend Abstand. Aber wer hat denn so viel Platz?“, fragt er sich. Dass sich Heu selbst entzündet, kann immer dann geschehen, wenn der Wassergehalt zu hoch, das Heu also noch zu feucht ist. Biologische Zersetzungsprozesse führen dann dazu, dass sich der Heustock erwärmt. Diese Wärme kann natürlich nirgendwo hinaus, staut sich also an, und kann irgendwann zu Feuer führen.
Nach dem Brand wurden die Thalhofers von der Polizei dazu angehalten, alles so zu lassen, wie es ist. Für das Paar und ihre beiden Söhne kein Problem, für etliche Schaulustige leider doch. „Ich konnte es irgendwann nicht mehr sehen, kreuz und quer sind sie hier über den Hof gestiefelt“, sagt Andrea Thalhofer.
Ein paar Tage nach dem Feuer war die Familie auswärts essen, um ein bisschen von allem wegzukommen – und wieder, so erzählten es später die Nachbarn, hätten sich die Schaulustigen regelrecht am Hof versammelt, an der Straße beinahe noch einen Unfall gebaut.
Für die Familie waren die Tage nach dem Unglück unheimlich anstrengend, „hier waren alle am Limit“, schildert Andrea Thalhofer. Vom Rauch sind alle krank geworre den, für den 16-jährigen Sohn standen die Abschlussprüfungen an. Trotz der Umstände gelang ihm alles, ganz zur Freude der Eltern und der Lehrerin. Zu allem Überfluss meldete sich zwei Tage nach dem Brand nachts eine Nachbarin, weil es im Hof erneut rauchte. Diesmal bekam Franz Thalhofer das selbst in den Griff, „ich wollte nicht schon wieder die armen Feuerwehrleute rufen“, sagt er.
Die Thalhofers haben einige Tage schlicht funktioniert, weil sie es mussten. Erst jetzt macht sich Erschöpfung in ihnen breit. „Ich hätte vielleicht nicht so schnell wieder arbeiten gehen sollen“, sagt Andrea Thalhofer. Die 49-Jährige ist in einer Arztpraxis beschäftigt, ihr Mann als Betriebshelfer auf anderen Höfen – beide sind schon wieder zurück ans Werk gegangen.
Obwohl der Brand ziemlich heftig war, wissen die Thalhofers, dass sie Glück gehabt haben. Sie sind nicht nachts von den Flammen überrascht worden, haben ihre eigenen vier Wände behalten können und sind unversehrt geblieben.
Weil sie wissen, dass es andere jüngst viel härter getroffen hat, haben sie all das, was heil geblieben ist und anderen Pferdehöfen jetzt helfen könnte, direkt ins Flutgebiet geschickt.
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