Mittelschwaebische Nachrichten
Von Liebe bis Verblendung
Geldanlage Ob alter Hase oder Frischling auf dem Börsenparkett: Typische Fehler beim Investieren machen alle Anleger. Wer sie kennt, kann sie ganz einfach vermeiden
Düsseldorf/Mannheim Vergangenes Jahr hatten viele Menschen wohl mehr Zeit, sich mit ihrer Geldanlage zu beschäftigen. Das Ergebnis ist: Die Zahl der Aktionäre, die jahrelang sehr klein war, wuchs plötzlich deutlich. Das zeigt eine Statistik des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Rund 12,4 Millionen Menschen haben demnach nun an der Börse investiert, 2,7 Millionen mehr als noch im Jahr zuvor. Doch egal, ob Anfänger oder alte Hasen: Anleger begehen beim Wertpapierhandel häufig immer wieder dieselben Fehler, die dann in der Folge unnötig Rendite kosten. Wer sich derer bewusst ist, kann sie ganz einfach verhindern. Sieben Fallen – und wie man sie vermeidet:
● Zu viel Wissen Die tägliche Lektüre von einschlägigen Wirtschaftszeitungen, ein Börsenbrief im Abo – wer sich auskennt, kann die besten Aktien herauspicken. Das hoffen zumindest viele. Martin Weber, Senior-Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Mannheim rät dagegen, dass Sparer besser nicht zu viel recherchieren sollten. „Übermäßiges Nachforschen hilft nicht dabei, die richtige Entscheidung zu treffen. Der Privatanleger weiß niemals mehr als die Profis – und selbst die schaffen es selten, den Markt dauerhaft zu schlagen.“Die Alternative: Statt in einzelne Unternehmen sollten Kleinanleger in Aktien-ETFs investieren. Damit kaufen sie auf einen Schlag Anteile an vielen verschiedenen Firmen. Und auch wer sich auskennt, sollte für den Vermögensaufbau das Geld dennoch breit streuen und höchstens zusätzlich ein paar Einzelaktien halten.
● Verliebt in eine Aktie Bei Einzelaktien im Depot steigt das Risiko, dass sich die Aktionäre in ihre Titel nahezu verlieben. Viele seien an ihre Entscheidung emotional gebunden, vor allem, wenn sich der Kauf mal als Erfolg erwiesen habe, berichtet Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Das Problem ist dann, dass sie sich kaum von der Aktie wieder trennen können, selbst wenn sonst alles dafür spricht. Sei es, um Verluste zu minimieren oder auch mal Gewinne mitzunehmen. Viele Anleger bleiben zu lange in dem Titel investiert.“
● Anlegen ohne Plan Solar, Wasserstoff, Biotechnologie? Alles Zudie bestimmt Gewinne versprechen. Kleinanleger folgen solchen Trends gerne. Allerdings laufen sie denen meist schon hinterher, warnt Prof. Weber: „Profis erhalten alle relevanten Marktinformationen sofort, bei Privatanlegern dauert es dagegen länger. Deshalb sind sie meist zu spät dran.“Tüngler bestätigt das: „Wenn es in der Branche gut läuft, wird viel darüber gesprochen und geschrieben. Dann folgen Anleger der Herde. Sobald es aber wieder schlecht läuft, sagt einem niemand mehr, dass nun der Zeitpunkt zum Ausstieg gekommen wäre“, mahnt Tüngler. Statt auf Trends zu setzen, sollten Anleger daher einen eigenen Plan für ihre Geldanlage entwickeln und diesen einhalten.
● Aufs Timing setzen Ein Auge immer auf den Börsenkursen, um den idealen Einstiegskurs zu treffen? Das verursacht nur Frust, ist Tüngler überzeugt. Der Erfolg der Anlage hänge dagegen nicht davon ab. Zumindest solange nicht gerade auf dem absoluten Höhepunkt gekauft wurde. „Anleger sollten sich davon lösen, den idealen Moment treffen zu wollen. Bei einer langfristigen
Geldanlage spielt der Einstiegskurs kaum eine Rolle.“Time schlage Timing. Viel wichtiger sei Disziplin. „Ein Sparplan hilft, regelmäßig Geld anzulegen. Und mit ihm ist egal, wann gekauft wird. Letztendlich investieren Sparer hier zu einem Durchschnittskurs.“Denn sie kaufen sowohl in Boomphasen als auch zu Krisenzeiten.
● Zu viel handeln Meist beginnt es langsam, Anleger sichern sich mit einem Verkauf zur rechten Zeit erste Gewinne. Doch das kann zur Sucht werden, wie im Kasino. Mit häufigem Handeln versuchen Privatanleger, den Markt zu schlagen. „Meist klappt das nicht dauerhaft und die Gebühren für das ständige Kaufen und Verkaufen fressen die Gewinne zusätzlich auf“, warnt Tüngler. Auch Prof. Weber empfiehlt, ein Portfolio dauerhaft zu halten. „Nur wenn sich die Risikoeinstellung ändert, etwas mehr Geld zum Investieren da ist oder umgeschichtet werden muss, sollten Anleger handeln.“
● Zu wenig Diversifikation „Ein Anleger hat oft das Bedürfnis, sein Geld da zu investieren, wo er sich auskunftsbranchen, kennt“, sagt Professor Weber. „Oder er nimmt an, dass er durch sein Wissen Kurse vorhersagen kann. Das hindert aber am Erfolg.“Ein Schwerpunkt auf deutsche Aktien oder Investitionen in die Branche des Arbeitgebers – oftmals sind Anlageentscheidungen voreingenommen. Wichtig ist aber Diversifikation, um das Risiko zu streuen. „Anleger sollten über ihren Tellerrand schauen, thematisch und lokal. Also nicht nur in eine Branche oder ein Land investieren. Stattdessen sollten die Ersparnisse lieber weltweit angelegt werden“, rät Tüngler. Wer in ETFs investiert, kann einen wählen, der einen weltweiten Index nachbildet, etwa den MSCI World.
● Keine Aktien sind keine Lösung Kleine Fehler kosten Rendite, aber sich aus Sorge davor gar nicht erst an die Börse zu wagen, ist auch keine Lösung. „Viele Menschen haben völlig falsche Vorstellungen von Aktien und deren Kursschwankungen. Gerade wenn man in einen breit streuenden Indexfonds investiert, ist das Risiko vergleichsweise gering. Dass alle Unternehmen darin pleitegehen, ist unwahrscheinlich“, betont Weber.