Mittelschwaebische Nachrichten

Unechter Römerturm und echter Naturschat­z

Diese Tour „durch die Hölle“ist – anders als ihr Name vermuten lässt – ausgesproc­hen familienfr­eundlich. Zu entdecken gibt es Historisch­es, ein Paradies für Insekten und mit etwas Glück die seltene Gelbbauchu­nke

- VON KATHARINA GSÖLL (TEXT) UND MATHIAS WILD (FOTOS)

Irsee Zwischen den sanften Hügeln der Voralpenla­ndschaft liegt das Klosterdor­f Irsee nordwestli­ch von Kaufbeuren. Der Ort ist ideal als Ausgangspu­nkt einer Tour, die auch Familien mit Kindern gut schaffen können – und die gerade den Kleinen viel Abwechslun­g bietet. Denn unterwegs gibt es echte Naturschät­ze und einen unechten Römerturm zu entdecken. Die Runde führt entlang grüner Weiden, auf schmalen Pfaden mal durch Blühwiesen, mal durch den schattigen Wald und auf kleinen Holzbrücke­n über Bächlein und Tümpel.

Start ist im Ortszentru­m, am Parkplatz oberhalb des Klosters. Wir gehen bergauf zur „Kirchsteig­e“und gelangen durch einen kleinen Torbogen auf den Friedhof von St. Stephan. Von dort haben wir einen schönen Blick auf das Klostervie­rtel mit seiner prachtvoll ausgestatt­eten barocke Kirche. Wir gehen nach Süden und stehen vor einem alten Flurkreuz, von dem aus der Weg hinaus auf Äcker und Wiesen führt. Geradeaus geht es auf dem Feldweg, den Wegweisern „Oberbeurer Steige, Alpenblick­weg“folgend. Der Asphalt endet und wir biegen nach links Richtung Klein- und Großkemnat ab. Im Schatten einer Baumreihe geht es bergab bis zum Zwölf-Apostel-Baum, einer über 100 Jahre alten Esche. Wir zweigen an der gegenüberl­iegenden Pferdekopp­el nach links ab ins Dorf bis zu einer Querstraße. Dort geht es nach rechts und steil bergauf, vorbei an Kirche und Pfarrhof. An der Kreuzung folgen wir dem Rechtspfei­l nach Großkemnat und anschließe­nd dem Wegweiser zum „Römerturm“. Von der einstigen Burg sind heute nur noch der Turm und ein paar Mauerreste übrig. Es gibt einen Spielplatz für die Kinder und für eine kleine Zwischenei­nkehr ein Café. Am Ziehbrunne­n führt ein Steig in den Wald hinab. Wir folgen ihm bis zum Theatersta­del, gehen nach links auf einen schmalen Wiesenpfad (Wegweiser „Fatimakape­lle, Ölmühlhang“). An dem kleinen Kirchlein lässt sich wunderbar eine Pause einlegen. Ein Schild bittet Wanderer darum, ausgeliehe­ne Bänke nach dem Sonnenbad wieder zurück unters Dach zu stellen.

Jetzt geht es auf einem schattigen Steig bergab, und mit ein paar Schritten auf der Straße nach Kleinkemna­t. Am Ortsschild wechseln wir die Straßensei­te und treten ein in die „grüne Hölle“– auf dem Fußweg nach Bickenried. Ein steiler Pfad führt uns in den romantisch­en

Mischwald und zu einer kleinen Brücke. Dieser Abschnitt der Wanderung ist ein wahrer Naturschat­z. 2019 hat der Bezirk Schwaben einen Abschnitt sanieren lassen und der Natur neuen Raum gegeben. Das hat sich ausgezahlt: So lebt dort eine der größten Gelbbauchu­nken-Population­en in ganz Deutschlan­d – eine echte Besonderhe­it. Denn der kleine Froschlurc­h mit seinem auffällige­n, leuchtende­n Fleckenmus­ter auf der Unterseite ist vom Aussterben bedroht. Wir spazieren auf einem Wiesenpfad, um uns herum summt und brummt es überall, Grillen zirpen und Schmetterl­inge flattern. Hier ist laut Infotafel auch der seltene Wiesenknop­f-Ameisenblä­uling zu Hause.

Wir erreichen Bickenried – das Gehöft diente einst dem Abt und den Patres des Klosters als Sommersitz. Heute befindet sich dort die Fazenda da Esperanca, ein Sozialproj­ekt für Suchtkrank­e. An Sonntagen kann man sich im Hofcafé selbstgeba­ckenen Kuchen schmecken lassen. Aber auch an anderen Tagen lohnt sich eine kurze Rast an diesem idyllische­n Plätzchen. Noch einmal müssen wir bergauf, allerdings bequem auf Stufen. Ein Asphaltweg führt uns zurück zum Anfangsweg und wieder hinunter nach Irsee. Hier haben wir die Wahl zwischen Kultur und Kulinarik, können entweder die Klosterkir­che besichtige­n oder im Klosterbrä­u einkehren.

 ??  ?? Bei klarem Wetter lohnt es sich, auf den sogenannte­n Römerturm zu steigen. Auf der Aussichtsp­lattform hat man einen weiten Blick über Kaufbeuren und das Ostallgäu. Es handelt sich um den Hauptturm einer ehemaligen mittelalte­rlichen Befestigun­gsanlage, von der ansonsten nur noch wenige Mauerreste übrig sind.
Bei klarem Wetter lohnt es sich, auf den sogenannte­n Römerturm zu steigen. Auf der Aussichtsp­lattform hat man einen weiten Blick über Kaufbeuren und das Ostallgäu. Es handelt sich um den Hauptturm einer ehemaligen mittelalte­rlichen Befestigun­gsanlage, von der ansonsten nur noch wenige Mauerreste übrig sind.
 ??  ?? Der Zwölf‰Apostel‰Baum ist eine über hundert Jahre alte Esche. In ihrem Stamm gibt es eine Höhle, in der wohl schon allerhand Getier gehaust hat.
Der Zwölf‰Apostel‰Baum ist eine über hundert Jahre alte Esche. In ihrem Stamm gibt es eine Höhle, in der wohl schon allerhand Getier gehaust hat.
 ??  ?? Das Kloster mit seiner prachtvoll­en Barockkirc­he prägt das Dorfbild der Gemeinde Ir‰ see. Heute befindet sich in den Gebäuden das Schwäbisch­e Bildungzen­trum.
Das Kloster mit seiner prachtvoll­en Barockkirc­he prägt das Dorfbild der Gemeinde Ir‰ see. Heute befindet sich in den Gebäuden das Schwäbisch­e Bildungzen­trum.
 ??  ?? Heiß ist es in dieser Hölle nicht, sondern grün und feucht. Deshalb lässt sich die Run‰ de auch gut an warmen Sommertage­n gehen.
Heiß ist es in dieser Hölle nicht, sondern grün und feucht. Deshalb lässt sich die Run‰ de auch gut an warmen Sommertage­n gehen.
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Die Wanderung verläuft zum Teil auf dem Crescentia‰Pilgerweg.

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