Mittelschwaebische Nachrichten
Problemherd Personal?
Reduzierte Öffnungszeiten in Restaurants sind wegen der Pandemie keine Seltenheit mehr. Wie sieht es im Landkreis Günzburg aus?
Landkreis Günzburg Von halb fünf Uhr morgens bis 23 oder 24 Uhr arbeiten – für Lore Reinartz ist das oft Alltag. Heftiger Alltag, der so nicht ewig durchzuhalten ist. Im Moment aber geht es nicht anders: Mit ihre r Familie führt sie eine Metzgerei und eine Pizzeria in Breitenthal, außerdem einen Partyservice. „Wir kriegen kein Personal mehr“, klagt sie. Durch die Pandemie hat sie ihre 450-Euro-Kräfte verloren und muss die Mehrarbeit nun selbst auffangen.
Nur eine Lösung gibt es noch: Studenten einstellen, die sich etwas Geld verdienen wollen. „Das braucht aber jedes Mal wieder Zeit zum Einlernen“, schildert Reinartz den Haken daran. Also sieht die Realität eher anders aus: Nicht mehr jeden Auftrag für den Partyservice annehmen, auch nicht mehr jeden Anruf während der Öffnungszeiten der Pizzeria, um Abholungsbestellungen aufzunehmen. „Irgendwo müssen wir eine Grenze ziehen“, erklärt Reinartz klar.
Jammern möchte sie trotzdem nicht. Während des Lockdowns war die Pizzeria schließlich gänzlich tot, ebenso der Partyservice. Auch nicht gerade eine angenehme Lage. Schön wäre es jetzt einfach, wenn sich wieder Personal finden würde. Aber Reinartz weiß, dass kaum noch jemand am Wochenende arbeiten will, sich stattdessen jeder nur bedienen lassen möchte. Ganz übel nehmen kann sie das keinem – auch sie selbst hat während der Krise gemerkt, wie wohltuend es sein kann, am Samstag Freizeit zu haben. Auf den Notstand reagiert hat das Familienunternehmen bisher nicht konkret. Die Öffnungszeiten der Pizzeria sind dieselben, auch der Biergarten steht den Gästen nach wie vor zur Verfügung. „Es ist für alle eine harte Zeit“, betont Reinartz, die aber immer im Hinterkopf behält, dass es nach dem Sommer wieder etwas ruhiger wird.
Nach dem Sommer: Das ist auch für Michael Mantel von der Günzburger Brasserie Maximilian’s eine entscheidende Zeit. Konträrer zum Familienunternehmen Reinartz könnte das Restaurant kaum sein, hier ist jeden Tag von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts geöffnet. 15 Vollzeitkräfte arbeiten im Betrieb und Mantel ist gespannt, ob er die im Herbst alle voll beschäftigen kann. „Die Gäste sind vorsichtiger geworden und wir müssen abwarten, ob die Einheimischen nach den Ferien kommen oder nicht“, sagt er.
Noch sei der ganze Marktplatz wegen der Touristen rappelvoll, während in anderen Städten wie
Ulm oder Heidenheim weit weniger los sei und die Restaurants oft einen oder eineinhalb Ruhetage einlegen müssten. Fehlende Gäste also auf der einen Seite, fehlendes Personal auf der anderen – keine leichte Situation für Gastronomen. Jüngst gab das Bayerische Landesamt für Statistik bekannt, dass im ersten Halbjahr 2021 ein Drittel weniger Umsatz und ein Fünftel weniger Beschäftigte im Gastgewerbe verzeichnet worden sind. Im Maximilian’s haben während der Pandemie fünf Mitarbeiter gekündigt, darunter Vollzeit- und 450-Euro-Kräfte. „In der Küche haben wir Glück gehabt“, ist Mantel froh.
Allerdings erzählt er auch davon, dass viele mittlerweile ihr eigener Koch geworden sind: „Ich kenne jemanden, der Grills verkauft. Sie glauben nicht, wie viele da weggegangen sind“, so Mantel. Nachvollziehen kann er durchaus, dass Servicekräfte, die bei ihren Schichten einige Kilometer zurücklegen, keine Lust darauf haben, mit Maske zu arbeiten. Und selbst wenn jemand will, müsse man mit Neueinstellungen derzeit vorsichtig sein – weil das Personal eben im Herbst schon wieder zu viel sein könnte. „Deshalb machen unsere Vollzeitkräfte im Moment Überstunden“, so Mantel.
In den Herbst vorausgeblickt haben diese Woche auch schon die Ministerpräsidenten. Der Dehoga Bayern reagierte zwiespältig auf die Ergebnisse: „Wir hätten uns mehr Mut zu mehr Selbstverantwortung und weniger Verbote gewünscht“, so Präsidentin Angela Inselkammer, die ergänzt: „Positiv ist, dass kein erneuter Lockdown thematisiert wurde. Das klare Bekenntnis, dass eine Schließung des Gastgewerbes zumindest für Geimpfte und Genesene definitiv ausgeschlossen ist, ist ein wichtiges Signal an alle Unternehmer und Beschäftigte.“
Dass Restaurants im Landkreis Günzburg wegen des Personalmangels schon drastisch reagieren mussten, davon haben bislang weder die Mitarbeiter vom Gewerbeamt noch Ingrid Osterlehner, KreisvorsitzenGöppingen, de des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), etwas gehört. Was aber nicht bedeutet, dass das Thema nicht bekannt ist. Von der jüngsten Sitzung aller Kreisvorsitzenden in Schwaben weiß Osterlehner, dass erste Gastronomen in anderen Landkreisen ihre Öffnungszeiten reduziert haben. „Aber es ist noch nicht extrem“, sagt sie. Was sie indes auch im Landkreis beobachtet: Oft finden Gäste mittags kein geöffnetes Lokal, weil viele erst abends im Einsatz sind. Um das Problem des Personalmangels weiß Osterlehner schon lange, die Pandemie hat die Lage nur noch verschärft. Viele 450-Euro-Kräfte seien jetzt in Supermärkten beschäftigt oder in der Industrie als Reinigungskräfte. Das Schlimmste daran für die Gastronomie: „Wenn sie weg sind, sind sie weg.“Mittlerweile finden kaum noch Jugendliche Gefallen an einer Ausbildung im Hotelfach oder in der Küche. „Gegen die Industrie haben wir keine Chance. Das muss man mit Liebe machen, immerhin stehen wir in der Küche, wenn andere feiern“, schildert Osterlehner. Wie also die Zukunft anpacken? Die Kreisvorsitzende atmet auf diese Frage hin tief durch. „Tja“, sagt sie dann, „eventuell ist es eine Idee, Mitarbeiter aus dem Ausland einzustellen. Wir hatten beim Dehoga zum Beispiel mal einen Verbund mit Spanien. Unsere Jugendlichen gehen ja auch ins Ausland“, überlegt sie. Ihr Stellvertreter im Verband, Georg Ringler vom Traubenbräu in Krumbach, würde im September auch gerne wieder Auszubildende mit an Bord haben. Bewerbungen habe er bislang aber keine vorliegen. Derzeit ist in seinem Unternehmen nur noch eine Auszubildende zur Hotelfachfrau im zweiten Lehrjahr beschäftigt, das war es dann. „Uns fehlen vor allem die Fachkräfte“, moniert Ringler. Aufräumen möchte er aber mit dem „großen Gerücht“, dass die Auszubildenden im Gastronomiegewerbe zu wenig verdienen würden. „Dagegen möchte ich mich wirklich wehren. Das Problem sind die Arbeitszeiten.“