Mittelschwaebische Nachrichten

Problemher­d Personal?

Reduzierte Öffnungsze­iten in Restaurant­s sind wegen der Pandemie keine Seltenheit mehr. Wie sieht es im Landkreis Günzburg aus?

- VON NADINE RAU

Landkreis Günzburg Von halb fünf Uhr morgens bis 23 oder 24 Uhr arbeiten – für Lore Reinartz ist das oft Alltag. Heftiger Alltag, der so nicht ewig durchzuhal­ten ist. Im Moment aber geht es nicht anders: Mit ihre r Familie führt sie eine Metzgerei und eine Pizzeria in Breitentha­l, außerdem einen Partyservi­ce. „Wir kriegen kein Personal mehr“, klagt sie. Durch die Pandemie hat sie ihre 450-Euro-Kräfte verloren und muss die Mehrarbeit nun selbst auffangen.

Nur eine Lösung gibt es noch: Studenten einstellen, die sich etwas Geld verdienen wollen. „Das braucht aber jedes Mal wieder Zeit zum Einlernen“, schildert Reinartz den Haken daran. Also sieht die Realität eher anders aus: Nicht mehr jeden Auftrag für den Partyservi­ce annehmen, auch nicht mehr jeden Anruf während der Öffnungsze­iten der Pizzeria, um Abholungsb­estellunge­n aufzunehme­n. „Irgendwo müssen wir eine Grenze ziehen“, erklärt Reinartz klar.

Jammern möchte sie trotzdem nicht. Während des Lockdowns war die Pizzeria schließlic­h gänzlich tot, ebenso der Partyservi­ce. Auch nicht gerade eine angenehme Lage. Schön wäre es jetzt einfach, wenn sich wieder Personal finden würde. Aber Reinartz weiß, dass kaum noch jemand am Wochenende arbeiten will, sich stattdesse­n jeder nur bedienen lassen möchte. Ganz übel nehmen kann sie das keinem – auch sie selbst hat während der Krise gemerkt, wie wohltuend es sein kann, am Samstag Freizeit zu haben. Auf den Notstand reagiert hat das Familienun­ternehmen bisher nicht konkret. Die Öffnungsze­iten der Pizzeria sind dieselben, auch der Biergarten steht den Gästen nach wie vor zur Verfügung. „Es ist für alle eine harte Zeit“, betont Reinartz, die aber immer im Hinterkopf behält, dass es nach dem Sommer wieder etwas ruhiger wird.

Nach dem Sommer: Das ist auch für Michael Mantel von der Günzburger Brasserie Maximilian’s eine entscheide­nde Zeit. Konträrer zum Familienun­ternehmen Reinartz könnte das Restaurant kaum sein, hier ist jeden Tag von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts geöffnet. 15 Vollzeitkr­äfte arbeiten im Betrieb und Mantel ist gespannt, ob er die im Herbst alle voll beschäftig­en kann. „Die Gäste sind vorsichtig­er geworden und wir müssen abwarten, ob die Einheimisc­hen nach den Ferien kommen oder nicht“, sagt er.

Noch sei der ganze Marktplatz wegen der Touristen rappelvoll, während in anderen Städten wie

Ulm oder Heidenheim weit weniger los sei und die Restaurant­s oft einen oder eineinhalb Ruhetage einlegen müssten. Fehlende Gäste also auf der einen Seite, fehlendes Personal auf der anderen – keine leichte Situation für Gastronome­n. Jüngst gab das Bayerische Landesamt für Statistik bekannt, dass im ersten Halbjahr 2021 ein Drittel weniger Umsatz und ein Fünftel weniger Beschäftig­te im Gastgewerb­e verzeichne­t worden sind. Im Maximilian’s haben während der Pandemie fünf Mitarbeite­r gekündigt, darunter Vollzeit- und 450-Euro-Kräfte. „In der Küche haben wir Glück gehabt“, ist Mantel froh.

Allerdings erzählt er auch davon, dass viele mittlerwei­le ihr eigener Koch geworden sind: „Ich kenne jemanden, der Grills verkauft. Sie glauben nicht, wie viele da weggegange­n sind“, so Mantel. Nachvollzi­ehen kann er durchaus, dass Servicekrä­fte, die bei ihren Schichten einige Kilometer zurücklege­n, keine Lust darauf haben, mit Maske zu arbeiten. Und selbst wenn jemand will, müsse man mit Neueinstel­lungen derzeit vorsichtig sein – weil das Personal eben im Herbst schon wieder zu viel sein könnte. „Deshalb machen unsere Vollzeitkr­äfte im Moment Überstunde­n“, so Mantel.

In den Herbst vorausgebl­ickt haben diese Woche auch schon die Ministerpr­äsidenten. Der Dehoga Bayern reagierte zwiespälti­g auf die Ergebnisse: „Wir hätten uns mehr Mut zu mehr Selbstvera­ntwortung und weniger Verbote gewünscht“, so Präsidenti­n Angela Inselkamme­r, die ergänzt: „Positiv ist, dass kein erneuter Lockdown thematisie­rt wurde. Das klare Bekenntnis, dass eine Schließung des Gastgewerb­es zumindest für Geimpfte und Genesene definitiv ausgeschlo­ssen ist, ist ein wichtiges Signal an alle Unternehme­r und Beschäftig­te.“

Dass Restaurant­s im Landkreis Günzburg wegen des Personalma­ngels schon drastisch reagieren mussten, davon haben bislang weder die Mitarbeite­r vom Gewerbeamt noch Ingrid Osterlehne­r, Kreisvorsi­tzenGöppin­gen, de des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga), etwas gehört. Was aber nicht bedeutet, dass das Thema nicht bekannt ist. Von der jüngsten Sitzung aller Kreisvorsi­tzenden in Schwaben weiß Osterlehne­r, dass erste Gastronome­n in anderen Landkreise­n ihre Öffnungsze­iten reduziert haben. „Aber es ist noch nicht extrem“, sagt sie. Was sie indes auch im Landkreis beobachtet: Oft finden Gäste mittags kein geöffnetes Lokal, weil viele erst abends im Einsatz sind. Um das Problem des Personalma­ngels weiß Osterlehne­r schon lange, die Pandemie hat die Lage nur noch verschärft. Viele 450-Euro-Kräfte seien jetzt in Supermärkt­en beschäftig­t oder in der Industrie als Reinigungs­kräfte. Das Schlimmste daran für die Gastronomi­e: „Wenn sie weg sind, sind sie weg.“Mittlerwei­le finden kaum noch Jugendlich­e Gefallen an einer Ausbildung im Hotelfach oder in der Küche. „Gegen die Industrie haben wir keine Chance. Das muss man mit Liebe machen, immerhin stehen wir in der Küche, wenn andere feiern“, schildert Osterlehne­r. Wie also die Zukunft anpacken? Die Kreisvorsi­tzende atmet auf diese Frage hin tief durch. „Tja“, sagt sie dann, „eventuell ist es eine Idee, Mitarbeite­r aus dem Ausland einzustell­en. Wir hatten beim Dehoga zum Beispiel mal einen Verbund mit Spanien. Unsere Jugendlich­en gehen ja auch ins Ausland“, überlegt sie. Ihr Stellvertr­eter im Verband, Georg Ringler vom Traubenbrä­u in Krumbach, würde im September auch gerne wieder Auszubilde­nde mit an Bord haben. Bewerbunge­n habe er bislang aber keine vorliegen. Derzeit ist in seinem Unternehme­n nur noch eine Auszubilde­nde zur Hotelfachf­rau im zweiten Lehrjahr beschäftig­t, das war es dann. „Uns fehlen vor allem die Fachkräfte“, moniert Ringler. Aufräumen möchte er aber mit dem „großen Gerücht“, dass die Auszubilde­nden im Gastronomi­egewerbe zu wenig verdienen würden. „Dagegen möchte ich mich wirklich wehren. Das Problem sind die Arbeitszei­ten.“

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Foto: Nadine Rau Wie lange geht´s noch gut mit der Gastronomi­e? Der Personalma­ngel ist auch im Landkreis ein Problem, die Lage könnte aber schlimmer sein.

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