Mittelschwaebische Nachrichten
Um Kopf und Krone
Königlich besetzt kommt „Maria Stuart“bei den Salzburger Festspielen auf die Bühne: Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau begeistern in Schillers Drama
wenn sie durch ihre Innenräume rasen, zersetzt von Zweifeln, getrieben von Angst und Hoffnungen, ohne aber einen Idealzustand vor Augen zu haben. Zwei Verlorene ganz oben. Und zu den starken Bildern des Theaterabends gesellt sich Schauspielkunst.
Die Männer, die sie umschwirren, stehen nicht zurück. Ob nun Norman Hacker als fanatischer Burleigh, der Marias Hinrichtung letztlich durchsetzt, aber an seiner Hoffnung, Elisabeth für sich zu gewinnen, zerschellt. Oder Franz Pätzold als hoffnungsloser Mortimer, ein vor Liebe zu Maria Fiebernder, von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Oder Itay Tiran als Leicester: ein Zerrissener, der sein doppeltes Spiel am Hof zwischen den Königinnen nur noch mit Alkohol bestreiten kann, jemand, der sich darin schon verloren hat, noch bevor er fällt.
Sie alle zeigen, worum es in Schillers Drama auch geht: nämlich zu täuschen, nämlich gerade nicht die Wahrheit zu sagen, um am Hof zu bestehen. Alle tragen Masken, niemand rückt mit der Wahrheit heraus, alle belauern sich gegenseitig. Aber weil dieses Spiel ständig vor den 30 Männern stattfindet, dieser Masse Mensch, die fast die ganze Zeit als Teil des Bühnenbilds (Annette Murschetz) dient, wird Schillers aufklärerische Idee, Reden und Wollen in Einklang zu bringen, also keine Masken mehr zu benötigen, also ehrlich zu sein, infrage gestellt. Vielleicht ist dieser Naturzustand ja noch viel schlimmer, vielleicht sind die Masken des Menschen das Zivilisatorische und Gewalt-Bezähmende, vielleicht kommt sonst ein wilder und irrationaler Naturzustand zum Vorschein. Einmal verlieren die Mächtigen die Kontrolle, einmal beginnt die Masse sich zu regen, einmal rennt sie wild im Kreis, danach läuft Blut von weißen Wänden.
Viel Gedankenfutter also, das hier beigemengt ist. Und dann, ergreifend schön und schon auch ein Wunder für sich, die Sprache von Schiller: Seine Blankverse überdauern die Zeit. So sehr das alles in der Handlung auseinandergeht, diese wunderbaren Worte, in die Schiller das verfasst hat, betören auch heute noch, wirken gegenwärtig und sind aufgeladen voller Sinn. Insgeheim stellt man sich da auch kurz die Frage, warum Schönheit bei all den Forderungen, die heute an die Sprache gestellt werden, so gar kein Argument mehr ist? Aber das ist ein anderes Thema und soll nicht von dem Jubel ablenken, der zum Schluss auf der Pernerinsel in Hallein zu hören war.