Mittelschwaebische Nachrichten
Luftfilter oder Lüftungsanlage: Was ist besser?
Die Firma AL-KO aus Kötz stellt Luftfilter und Lüftungsanlagen her. Über die Geräte wird in den Kommunen im Landkreis Günzburg heiß diskutiert. Ein Experte klärt auf
Kötz Luftfilter, die mobil einsetzbar sind, oder doch nachhaltige, stationäre Lüftungsanlagen? Diese Frage beschäftigt derzeit zahllose kommunale Gremien, auch im Landkreis Günzburg. Die Geräte sollen in den Klassenzimmern für saubere Luft und damit eine geringere Virenlast sorgen. Das soll zum Schulbeginn im Herbst zum Schutz der Schüler und des Lehrpersonals vor Coronaviren beitragen. Aber wo genau liegt eigentlich der Unterschied? Was ist besser für die Schulen geeignet? Und ist eine Ausstattung der Bildungseinrichtungen in dieser Größenordnung in diesem engen Zeitfenster überhaupt realistisch? Ein Experte klärt auf.
Martin Törpe ist Senior Manager Systems bei AL-KO. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Kötz stellt sowohl Luftfilter als auch Lüftungsanlagen her. Beide Varianten fallen in die Kategorie raumlufttechnische Geräte – und mit diesen beschäftigt sich der Diplom-Ingenieur bereits seit Jahrzehnten. Die Unterschiede der Anlagen seien recht einfach erklärt, berichtet Törpe im Gespräch mit unserer Redaktion. Luftfilter filtern die Luft im Raum – auch von feinsten Partikeln in Virengröße, zum Beispiel Coronaviren. Die Lüftungsanlagen tauschen die verbrauchte Luft im Raum hingegen permanent durch Frischluft von außen aus. Was aber ist im praktischen Alltag nun besser für ein Klassenzimmer geeignet?
● Die Vorteile der Luftfilter Sie seien innerhalb weniger Minuten aufgebaut und betriebsbereit und filtern über 99 Prozent aller Viren, Staub und Pollen aus der Luft.
● Die Nachteile Für einen wirksamen Infektionsschutz muss die gesamte Luft im Raum sechsmal pro Stunde gefiltert werden, so lauten die Anforderungen. Damit die Geräte mit Blick auf gute Luft im Klassenzimmer allerdings effektiv arbeiten, müsse man sie unbedingt mit periodischem Querlüften kombinieren, erklärt Törpe. Denn die Luft werde nicht automatisch besser, sondern nur gefiltert und umgewälzt. Das bedeutet, alle 20 Minuten etwa fünf Minuten alle Fenster und Türen öffnen, um so die Raumluft einmal komplett auszutauschen. Das häufige Stoßlüften, erklärt der Experte, bleibe gerade mit Blick auf den Winter nicht ohne negative Begleiterscheinungen: „Die Heizkosten steigen, es entsteht Zugluft und der Unterricht wird gestört.“
Ein weiterer Aspekt sind die Betriebsgeräusche der Anlagen. Der
Raumschallpegel dürfe in den Klassenzimmern den Wert von 40 dB(A) nicht überschreiten. Das, so Törpe, entspreche in etwa Hintergrundgeräuschen im Haus. Bei großen Räumen seien deshalb zwei Geräte nötig, die jeweils nicht auf Höchstleistung laufen, um diese Vorgaben einhalten zu können. Und schließlich müssen die Geräte gewartet werden. Die Filter gilt es alle zwei bis drei Jahre auszutauschen. Das, berichtet der Experte, könne unkompliziert durch das vorhandene Personal der Schule vorgenommen werden.
● Und das kostet? Die Filter fallen pro Gerät aufs Jahr gerechnet laut Törpe mit etwa 230 Euro in Gewicht. Die Stromkosten schätzt er auf rund 40 Euro jährlich, die zusätzlichen Heizkosten auf 100 Euro im Jahr. Bezüglich der Förderung des Freistaats (50 Prozent, maximal jedoch 1750 Euro pro Raum) nennt er einen Eigenanteil von rund 1600 Euro bei einem Gerät pro Raum realistisch. Und falls in einem Raum zwei Geräte nötig sind, fielen etwa 4750 Euro Eigenanteil an.
● Die Vorteile der Lüftungsanlagen Sie gewährleisten nach Angaben Törpes einen permanenten Luftaustausch im Raum und somit eine kontinuierliche Abfuhr und Verdünnung der Virenlast. Das Stoßlüften
sei somit überflüssig, gleichzeitig entfallen auch die damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen. Zudem gewährleisten die Geräte eine effiziente Wärmerückgewinnung im Winter und eine Sommernachtskühlung im Sommer, berichtet der Diplom-Ingenieur. Und das sei nicht alles: Die Konzentrationsfähigkeit und Lernbereitschaft der Schüler steige durch die permanente Frischluftzufuhr.
● Der Nachteil der Lüftungsanlagen: Es sei ein kleiner Gebäudeeingriff nötig. Denn die Geräte benötigen für Zu- und Abfuhr jeweils eine Öffnung nach außen. Deshalb ist etwas mehr Planungsaufwand als bei den Luftreinigern gefragt. „Nachrüstbar sind die Anlagen aber allemal – bei vorhandenen Fensteröffnungen lassen sich die Geräte innerhalb eines halben Tages aufstellen und sind dann betriebsbereit“, erklärt der Diplom-Ingenieur.
● Und das kostet? Auch die Lüftungsanlagen besitzen Filter, die alle ein bis eineinhalb Jahre gewechselt werden müssen. Auch in diesem Fall ist das durch Schulpersonal möglich. Törpe gibt die Filterkosten aufs Jahr umgerechnet mit 100 Euro an. Zudem sei alle zwei bis drei Jahre eine Funktionskontrolle durch eine Fachfirma nötig. Den Stromverbrauch
schätzt er auf rund 70 Euro jährlich, die zusätzlichen Heizkosten auf 40 Euro pro Jahr. Auch die Anschaffung dieser Geräte wird gefördert. Der Bund steuert 80 Prozent je Gerät mit allen Nebenkosten bei – das gilt allerdings nur für Einrichtungen mit Kindern unter 12 Jahren. Den Eigenanteil pro Gerät schätzt er auf etwa 2500 Euro.
● Was ist besser geeignet? Auch hierzu hat Törpe eine klare Meinung: „Die Lüftungsanlagen haben langfristig einige Vorteile. Das Thema schlechte Luft ist nicht erst seit Corona ein Thema – die Geräte sind deshalb bestens für eine nachhaltige Nutzung auch in Zeiten nach der Pandemie geeignet.“Der Experte empfiehlt daher, wo es baulich möglich ist, auf Lüftungsanlagen zu setzen. Filteranlagen seien dann die richtige Wahl, wenn ein größerer baulicher Eingriff nötig wird.
● Und wie sieht die Realität aus? „Wir sind gerade in einer Phase, in der Entscheidungen getroffen werden“, sagt Törpe. Sind diese getroffen, müsse ein Förderantrag eingereicht werden, dessen Bestätigung in der Regel etwa eine Woche dauere. Anschließend stehe eine Ausschreibung an, die wiederum rund zwei Wochen in Anspruch nehme. „Das dauert also einige Zeit – und das Ende der Ferien naht“, fasst es der Experte zusammen.
Er fürchtet, dass viele Kommunen den vermeintlich einfachen Weg gehen werden und auf Luftfilter setzen. „Viele scheuen die Lüftungsanlagen wegen des größeren Planungsumfangs“, sagt er. Den Fehler sieht er dabei jedoch nicht bei den Kommunen: „Jede Gemeinde muss nun individuell nach einer passenden Lösung suchen – und das, obwohl viel zu wenig Zeit zum Nachdenken ist und meist die Beratung fehlt. Ich denke, ein zentralerer Lösungsansatz wäre hier deshalb besser gewesen.“Der Staat, so Törpe, hätte konkrete Möglichkeiten vorgeben können. So stehen alle Gemeinden nun vor den gleichen Problemen, die Ausschreibungen seien zudem oft fehlerhaft, was weitere Zeit koste, berichtet er. Außerdem sei die Nachfrage nach den Geräten aktuell sehr groß, berichtet Törpe. Die Masse an Geräten sei zwar im Prinzip in so kurzer Zeit umsetzbar, die Lagerbestände seien gefüllt – aber: „Die Lieferketten für die Komponenten sind nicht stabil. Es sieht nicht gut aus – ich denke nicht, dass es möglich ist, deutschlandweit alle Schulen bis Herbst auszurüsten. Das wird sich bis in den Winter hineinziehen.“