Mittelschwaebische Nachrichten
KopfanKopfRennen ums Kanzleramt
Umfrage sieht Union und SPD erstmals gleichauf
Berlin Fünf Wochen vor der Bundestagswahl hat die SPD die Union in einer Umfrage eingeholt. Im wöchentlichen Sonntagstrend des Meinungsforschungsinstituts Insa sackt die Union mit Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) um drei Prozentpunkte auf 22 Prozent ab. Die Sozialdemokraten mit ihrem Kandidaten Olaf Scholz klettern um zwei Punkte auf ebenfalls 22 Prozent. Damit liegen Union und SPD erstmals seit April 2017 in der Wählergunst wieder gleichauf. Damals hatten die Sozialdemokraten unter dem damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz ein Umfragehoch erlebt, das dann fünf Monate vor der damaligen Bundestagswahl dahinzuschmelzen begann.
Die Grünen verlieren in der InsaUmfrage einen Punkt und kommen auf 17 Prozent. Die FDP steigt um einen Punkt auf 13 Prozent, die AfD um einen Punkt auf 12 Prozent. Die Linke bleibt stabil bei 7 Prozent.
Unterdessen versuchte die Union bei einer Wahlkampfveranstaltung so etwas wie Aufbruchstimmung zu verbreiten. „Es ist nicht egal, wie diese Wahl ausgeht“, sagte Unionskanzlerkandidat Armin Laschet. Er werde dafür kämpfen, „dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird“.
Der CSU-Vorsitzende Markus Söder rief die Union auf, „endlich vernünftigen Wahlkampf“zu machen.
Berlin Markus Söder hat „keinen Bock auf Opposition“, und deshalb mahnt er eindringlich, jeder müsse jetzt kapieren, „dass es um alles geht“. Beim offiziellen Wahlkampfauftakt der Union am Samstagnachmittag im Berliner Tempodrom ist allen klar, dass damit vor allem einer gemeint ist: Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU). Söder wäre ja selbst gern ins Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel (CDU) gezogen, die nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin aufhört. Doch Laschet setzte sich durch, machte in seiner Kampagne aber bisher keine allzu glückliche Figur. Mehr oder weniger offen hatte CSU-Chef Söder in den vergangenen Wochen mehr Entschlossenheit von Laschet eingefordert. Als der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen schließlich zu reden beginnt, will er offenkundig zeigen, dass er verstanden hat. „Wir werden dafür kämpfen, dass die Union am 26. September stärkste Kraft wird“, sagt Laschet.
Angesichts sinkender Umfragewerte ist dem 60-Jährigen klar, wie sehr es auf diese Rede ankommt. Kann sie die Trendwende bringen? Schlafwagen-Wahlkampf wurde ihm zuletzt vorgeworfen, gerade sein SPD-Konkurrent Olaf Scholz hat ihn in ersten Umfragen eingeholt und auch die Grünen haben mit ihrer Kandidatin Annalena Baerbock noch längst nicht aufgegeben. Will Laschet nicht noch mehr an Zustimeinbüßen, muss er schleunigst raus aus dem Schlafwagen und den ICE erwischen. Dass es nicht gut gelaufen ist zuletzt, das räumt er ein: „Wir haben erlebt, dass dieser Wahlkampf anders verläuft, als es Strategen planen.“Er spricht die Corona-Krise an und lobt dabei das Krisenmanagement der Union, die „tausende Leben gerettet und dieses Land, mühsam genug, durch die Krise gebracht“habe.
Wegen der Flutkatastrophe, die gerade auch das von ihm als Ministerpräsident regierte NordrheinWestfalen betrifft, habe er den Wahlkampf zurückgestellt: „Dann muss ein Regierungschef sich um sein Land kümmern.“Laschet betont die Geschlossenheit der Union und seine Einigkeit mit dem CSUChef: „Markus Söder und ich haben mitunter unterschiedliche Meinungen und manchmal gerungen. Wahlsiege von CDU und CSU sind immer nur gemeinsam gelungen. Ich bin sicher, wir werden gemeinsam viel bewegen.“
Ein peinlicher Versprecher passiert Laschet in der Aufregung dann doch: Als er im Zusammenhang mit der Außen- und Sicherheitspolitik von der Geiselbefreiung aus der entführten Lufthansa-Maschine Landshut durch die Grenzschutz-Eliteeinheit GSG 9 im Jahr 1977 in Mogadischu spricht, kommt er durcheinander. Sein Satz klingt so, als hätte die Geiselbefreiung in Landshut stattgefunden.
Immer wieder greift Laschet SPD und Grüne an – schärfer als bisher, viele Kritiker, allen voran Markus Söder, hatten diesen Biss zuletzt vermisst. Auf den Feldern innere Sicherheit, Terrorabwehr und Bekämpfung der Clan-Kriminalität wirft er der SPD Versagen vor. Die Union stehe dagegen zur Polizei und dulde „keinen organisierten Rechtsbruch“. Von seinem SPD-Konkurrenten Olaf Scholz fordert er ein klares Nein zu einer Koalition mit der Linkspartei, die raus aus der Nato und den Verfassungsschutz abschaffen wolle. Die Union schließe dagegen jede Zusammenarbeit mit Linker und AfD klar aus. „Wir wollen mit den Parteien der demokratischen Mitte koalieren“, sagt er.
Im Bereich Wirtschaft und Finanzen sei es falsch, zur alten Schuldenpolitik zurückzukehren, so Laschet: „Schulden versündigen sich an künftigen Generationen.“Die jetzt nötigen Investitionen wolle die Union durch Wachstum finanzieren. Den Klimawandel nennt Laschet „die Herausforderung unserer Zeit, das leugnen nur noch Rechtsradikale von der AfD“. Deutschland werde bis 2045 klimaneutral, das sei Konsens. Ziel der Union sei aber, den Weg dahin sozialverträglich zu gestalten, eine Industrienation zu bleiben, in der weiter Stahl, Chemieprodukte und Autos hergestellt werden. „SPD und Grüne haben dabei die Arbeitsplätze vergessen“, sagte er. Sollte er Kanzler werden, werde er in den ersten 100 Tagen seiner Regierung Planungsbeschleunimung gungsmaßnahmen für Klimawandel und Digitalisierung auf den Weg bringen.
Für seine Rede gibt es stehende Ovationen, doch im zirkuszeltartigen Tempodrom, sonst für gute Stimmung bei Livekonzerten mit mehreren tausend Zuschauerinnen und Zuschauern bekannt, befanden sich wegen Corona nur 100 handverlesene Gäste. Den vorausgegangenen Auftritt von Markus Söder werten anschließend viele Beobachter als den stärkeren. „Es ist knapp, es wird sehr knapp werden in den kommenden Wochen. Es geht nicht um die Frage, mit wem, sondern ob wir regieren“, warnt Söder. Nichts sei bereits verloren, es gebe keinen Anlass zu jammen. Er wolle für Deutschland kein linkes Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei und auch keine Ampel mit SPD, Grünen und FDP.
Klare Führung könne nur die Union mit Armin Laschet an der Spitze garantieren. Die vergangenen 16 Jahre mit Angela Merkel (CDU) als Kanzlerin seien „außerordentlich gute Jahre für unser Land“gewesen, so Söder. Ob in Finanzkrise, Eurokrise, Migrationsfrage und letztlich auch Corona-Pandemie, Merkel habe „unser Land gut beschützt“. Auch nach 16 Jahren an der Regierung sei die Union nicht ausgelaugt, beteuerte der CSUChef: „Wir haben Kraft und Ideen für die Zukunft.“An die Adresse Laschets sagte er: „In den nächsten Wochen kommt es auf den Kanzlerkandidaten an. Lieber Armin, du kannst dich auf meine Unterstützung verlassen, und das ist ehrlich gemeint. Wir kriegen das gemeinsam gut hin.“Nach der mehr oder minder deutlichen Aufforderung an Laschet, endlich ein paar Gänge hochzuschalten, dann doch noch eine Art Treueschwur an Laschet.
Angela Merkel, die nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin nicht mehr antritt, lobte Laschet als Politikerin, „der das C im Namen unserer Partei nicht irgendein Buchstabe ist“. Das christliche Menschenbild sei vielmehr sein „stetiger Kompass“. Er sei der Richtige, um die dramatischen Veränderungen zu bewältigen, die vor Deutschland stünden. „Ohne Freiheit in Verantwortung wird ein Gemeinwesen nicht gelingen“, sagte Merkel.
Weitgehend offen bleibt, auf welche Köpfe Laschet denn als möglicher Kanzler setzen würde. Ein „Schattenkabinett“präsentiert er nicht, viele hatten das erwartet. Lediglich Friedrich Merz meldet sich per Video aus dem Sauerland – ein offensichtlicher Wink in Richtung konservativer und wirtschaftsnaher Unionsanhänger. Brav gibt Merz den Kronzeugen für die Regierungsfähigkeit des Kandidaten: „Man kann Armin Laschet dieses Land anvertrauen.“
Der CSUChef punktet mit kämpferischer Rede