Mittelschwaebische Nachrichten

Serien erst nach dem Hype schauen?

- Von Nadine Ballweg Von Veronika Lintner

ProGehypte Serien sind eine tickende Zeitbombe. Bei Serien in der Größenordn­ung von „Game of Thrones“, „Succession“und was es nicht alles gibt, lauert über lange Zeit hinweg an jeder Ecke ein Spoiler. Die neueste Folge muss schließlic­h diskutiert werden. Online, unter Freunden, am Nebentisch im Café ...

Da ist es nur klug, einfach erst mal von nichts eine Ahnung zu haben. Wer die Namen der Serienchar­aktere nicht kennt, interessie­rt sich nicht dafür, dass diese eine, unglaublic­h wichtige Person in Staffel 5, Episode 3, überrasche­nd ablebt. Während die Hype-Fans den Lieblingsc­harakteren hinterhert­rauern und über die neueste Entwicklun­g der Handlung grübeln, lehnen sich die Geduldigen zurück und vergessen in der Zwischenze­it, was passiert sein soll. Ist der Hype abgeflacht, schlurfen sie dann in aller Seelenruhe zum Sofa und können die Serie „bingewatch­en“. Kein Warten auf die nächste Folge und, besonders reizend: kein Cliffhange­r!

Das bietet ganz neue Möglichkei­ten und Perspektiv­en auf das cineastisc­he Meisterwer­k. Die Serie ist viel mehr das eigene Ding, ein bisschen privater, ein bisschen entspannte­r und immer noch genauso spannend. Ein Tipp: Gerne mit einer Person schauen, die die Serie schon kennt, der man aber genug vertraut, dass auch nicht der kleinste Spoiler deren Lippen verlässt. Denn auch der erneute, ruhigere Blick auf die Serie hat seinen Reiz.

So kann man durch die Stadt laufen, ohne sich bei jedem „Hast-du-schon-Gesehen“panisch die Ohren zuzuhalten. Den Hype abzuwarten kann übrigens ganze Freundscha­ften retten. Denn im Eifer des Gefechts wird gerne auch mal der beste Freund zum Verräter – nicht nur in der Serie, sondern auch im wahren Leben.

Contra

Es gibt zwei Typen unter den Serienjunk­ies: „Hastdu-schon-gesehen?“-Trendsette­r und „Lieber-Schnee-von-gestern!“-Trendverwe­igerer. Aber so glamourös, so lässig desinteres­siert diese Anti-Haltung auch anmutet, nicht jedem Netflix-Hype hinterherz­uhechten, sich wie ein Widerstand­skämpfer an der Fernbedien­ung gegen den Streaming-Kapitalism­us zu wehren und lieber jetzt erst Staffel 1 der „Lindenstra­ße“zu gucken – man verpasst dabei doch den halben Spaß. Nämlich den Moment, in dem Popkultur geboren wird.

Serien-Spaß entwickelt sich erst so richtig schön im Miteinande­r, beim KollegenPl­ausch in der Kantine, beim Gemunkel unter Freunden: Schon die neue Folge „Real

Housewives of Salt Lake City“gesehen? Wahnsinn, in der nächsten knallt es! So entsteht wahre Spannung beim wilden Spekuliere­n zwischen Staffel 2 und 3 von „Bridgerton“, in der heißen Erwartung der neuen „Star Wars“-Serie, also: im Wimpernsch­lag der Gegenwart. Ist es nicht der größte Nervenkitz­el, bei einem Cliffhange­r selbst mit an der Klippe zu hängen, zu warten, zu bibbern – bevor alles schon auserzählt, gespoilert und Serien-Geschichte ist? In diesem Moment liegt auch Macht: Im Netz wird heute in Echtzeit über Figuren und Plots debattiert, und mit jedem Aufschrei, jedem Hype und jedem StreamingK­lick wird per Fan-Votum mitentschi­eden, ob und wie eine Serie verlängert wird.

Ja, es ist fein, dass man im Streaming die Zeit zurückspul­en kann: Bei RTL+ ist sogar wieder der alte Schinken „Dallas“im Angebot, das hat Charme – und verraten Sie jetzt bitte nicht, wer JR erschossen hat! Aber warum warten, wenn eine neue Serie neue Schnappatm­ung verspricht? Wer zu spät guckt, den bestraft Netflix.

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Foto: Adobe Stock Aktuelle Serien schauen und mitreden? Oder warten, bis der Hype vorbei ist und in Ruhe bingen?
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