Mittelschwaebische Nachrichten
Das fahrbare Baguette
Renault lässt seinen R5 als Elektroauto aufleben – und bietet ihn zu einem attraktiven Preis an.
Manchmal mischen sich Autobosse in die Entwicklung Ihrer Fahrzeuge auch persönlich ein. Legendär, wie Ferdinand Piech mit ein paar wenigen Strichen aus zwei V6-Motoren die berühmte W-12-Maschine machte. Luca de Meo, der Italo-Chef von Renault, kümmert sich mehr um die kleinen Details, genauer gesagt um die Krümel. De Meo fand, dass die Franzosen beim täglichen Transport ihres Baguettes zu viele Brösel im Auto hinterlassen. Und so forderte er dafür endlich eine saubere Lösung. E voilà, Monsieur de Meo: Ihr Team hat geliefert. Einen kleinen Weidenkorb für das längste Weißbrot der Welt. Als Sonderausstattung bestellbar für den neuen Renault R5 E-Tech.
Warum wir das so breit erzählen? Weil das Baguette-Körbchen das Zeug zum Kult hat. So, wie die beleuchtetet Zahl 5 auf der Motorhaube, die den Ladezustand der Batterie anzeigt. Oder die Rücklichter, die an der Seite eine optische Verbreiterung aufweisen und so an den legendären R5 Turbo mit seinen Hamsterbacken-Kotflügeln erinnern. Man merkt: Der neue R5 soll sich aus der Asche erheben und zur neuen Renault-Ikone im Elektrozeitalter werden. Ob er die neun Millionen verkaufter Exemplare seines Vorgängers (Bauzeit: 1972 bis 1996) erreichen kann? Man wird sehen. Der Ansatz ist heute wie damals sehr ähnlich. Ein bezahlbares Auto auf die Beine zu stellen auch für die kleinen Leute. Seinerzeit ging es als Folge der Ölkrise um einen geringen Spritverbrauch. Die 5 im Namen sollte auf den geringen BenzinDurst des kompakten Renaults (unter fünf Liter) hindeuten. Sein Elektropendant aus dem Jahr 2024 möchte, so Renault nichts weniger als „den Elektroantrieb demokratisieren“. Das erscheint bei einem Einstiegspreis um die 25.000 Euro für das Basismodell durchaus möglich.
So gelungen das Design auch sein mag – revolutionär ist die Technik, die im neuen R5 steckt, allerdings nicht. Statt Revolution nur Renaulution. Ein Witz, der übrigens nicht auf unser Konto geht. Er kommt direkt vom Hersteller.
Als Baukasten für den kompakten City-Flitzer dient die neue Plattform AmpR für E-Fahrzeuge im B-Segment. Der knapp vier Meter lange R5 bietet einen für seine Klasse relativ großen Radstand von 2,54 Metern, hat ein großzügiges Kofferraumvolumen von 326 Litern und bleibt beim Gewicht unter 1,5 Tonnen. Angetrieben wird er von einer E-Maschine auf der Vorderachse mit wahlweise 70, 90 oder 110 kW. Sie speist sich aus einem 40 oder 52 kWh großen Akku und soll das Auto 300 respektive 400 Kilometer weit bringen. Ein Praxistest wird zeigen,
wie viel davon in der Realität übrig bleibt. Denn auch Verbrauchswerte gibt es noch nicht.
Aufgeladen wird mit 11 kW (AC) und bis zu 100 kW (DC). Je nach Akkugröße dauert die Ladezeit 3,5 bis 4,5 Stunden (AC) oder 30 Minuten (DC von 15 auf 80 Prozent). Das ist nicht gerade weltbewegend, aber der R5 ist ja eher im Umland einer Großstadt zu Hause. Marktstart ist im Herbst dieses Jahres, dann hat der Retro-Stromer auch so moderne Funktionen wie Vehicle-to-Load, Vehicle-toGrid und Plug & Charge an Bord. Für Nicht-Fachleute: Man kann
seine Auto-Batterie dann auch zum Aufladen eines E-Bikes nützen, den Akku als Zwischenspeicher für die Solaranlage hernehmen – und beim Laden ist keine Karte mehr von Nöten, weil das Auto direkt mit der Stromsäule kommuniziert.
Bleiben wir beim Digitalen. Das Bordsystem OpenR baut auf Android Automotive auf - und hat deshalb bereits Google Maps oder Google Assistant integriert. Das System soll sehr schnell sein, wir konnten jedoch nur eine Demoversion sehen. Mit an Bord ist Reno, ein Sprachassistent mit künstlicher
Intelligenz von ChatGPT. Auch im Interieur findet sich das ein oder andere Zitat an die großen Zeiten des R5. Beispielsweise erinnert das H-förmige (und auch sehr bequeme) Gestühl an den R5 Turbo. Charakteristisch auch die Quersteppung auf dem Armaturenbrett. Von der Verarbeitung und den verwendeten Stoffen her bietet der R5 Haute Couture in hoher Qualität.
Bei den Ausstattungen lässt sich Renault nicht lumpen. Serienmäßig fährt der R5 Electric auf 18-Zoll-Rädern vor, hat einen 10-Zoll großen MultimediaTouchscreen,
die Freisprecheinrichtung ist ebenso mit an Bord wie Android Auto Apple CarPlay und LED-Scheinwerfer mit Fernlichtassistent. Die schicke Ladekontrollleuchte in Form der Zahl 5 auf der Motorhaube gibt es leider erst ab „Techno“und wer eine Zweifarb-Lackierung haben will, muss auf „Iconic Five“zurückgreifen. Ansonsten kann man sich nach Herzenslust bei den Sonderausstattungen austoben. Dazu zählt der schon der erwähnte Weidenkorb für das Baguette oder wie der „e-pop shifter“: Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die individuell gestaltbare Spitze des Schalthebels. Sehr französisch ist auch der Sound des Stromers. Komponiert wurde er von Jean Michel Jarre, sein Album Oxygène hat sich 18 Millionen Mal verkauft.
Unser Fazit zum neuen Renault R5: E-Tech: „Wenn ein Unternehmen ein Auto wiederbelebt, das so großartige Erinnerungen weckt, dann steckt es eine Menge Liebe hinein.“Der Satz stammt von Renault-Boss Luca de Meo. Nach dem ersten Tête-à-Tête können wir das bestätigen. Zumindest was das Design angeht. Ob nach dem nächsten Rendezvous eine Affaire daraus und sogar „beaucoup plus“, das wird sich aber erst beim Fahren zeigen.